Bebilderte Enthüllungen aus der wiederbelebten Grafschaft Hanau-Münzenberg, Teil 2
Auf einer großen Busrundreise ...
Seit der Colorado River aus immer noch unbekannten Ursachen seinen Wasser- stand in erheblicher Weise dauerhaft verändert hat, und infolge dieser großen Pegelschwankung zugleich das gesamte Erscheinungsbild des Grand Canyon für seine Betrachter in kaum zu übersehende Mitleidenschaft gezogen wurde, ent- spricht zum äußersten Leidwesen der globalen Tourismusindustrie die Realität an den einst so spektakulären Aussichtspunkten schon lange nicht mehr den seltsa- merweise in Urlaubskatalogen und auf Internetreiseseiten noch immer unermüd- lich verwendeten einladenden Bildern aus vergangenen Zeiten.
Diese gravierenden Umwälzungen stellte die Branche vor Herausforderungen bis- lang ungekannten Ausmaßes, und damit selbst jene Touristen mit dem geringsten Allgemeinwissen die Widersprüche zwischen Prospektidylle und knallharter Wirk- lichkeit vor Ort logisch nachvollziehen können, müssen die Reiseleiter an den Ab- gründen dieser weltberühmten Naturkulisse inzwischen täglich ihr auf speziellen Seminaren erworbenes Knowhow unter Beweis stellen, um vor allem die bei völ- lig übermüdeten Rundreisetouristen schnell von anfänglicher Euphorie über läh- mendes Entsetzen in explosive Wutanfälle umschlagenden Stimmungslagen sofort gegen deutlich positivere Denkweisen einzutauschen.
Sprüchekönig Danny Brown kann hierbei mit seiner 2012 auf der Vollversam- mlung weltweit bewährter Reiseleiter in Los Angeles beim Wettbewerb Beschöni- gung bestehender Fakten am Beispiel des Grand Canyon preisgekrönten Be- schwichtigung für die Branche eine Erfolgsbilanz von schier unglaublichen 100% verbuchen, wenn es für ihn bei der Ankunft des großen, vollklimatisierten Luxus-reisebusses entscheidend darum geht, bald einsetzenden zornigen Forderungen nach sofortiger Rückerstattung des Reisepreises noch an Ort und Stelle mit einem charmanten Lächeln zu begegnen.
Als Profi, der das berühmte Credo eines seiner früheren Ausbilder, We can palm all off upon tourists!, in großen Buchstaben über sein Bett geschrieben hat, weiß er nämlich nun schon aus jahrelanger Praxis sehr genau, dass ihm anvertraute Reisegruppen in dem Moment des väterlichen Schutzes und Trostes ganz beson-ders bedürfen, wenn jene Touristen, die noch während sich öffnender Türen mit ihren Kameraausrüstungen als allererste aus dem Bus geklettert waren, nur weni-ge Augenblicke später wutschnaubend, teilweise unter Schock vor Verzweiflung weinend, vom nahen Aussichtspunkt zurückkommen und die übrigen Mitreisen-den mit schrecklichen Erzählungen in Aufruhr versetzen.
Bitte, ich bitte Sie! Bleiben Sie ruhig und gelassen!, beginnt Danny Brown dann jedes Mal in sanftem Ton seine wohlbedachten Worte. Ich kann Ihren Unmut über die zahllosen verpassten, so imposanten Erinnerungsfotos, die bei Ihnen daheim wirklich jeden Freundeskreis in allerhöchstes Staunen versetzt hätten, sehr gut nachvollziehen. Und genau aus diesem Grund habe ich kurz vor unserer Ankunft extra für Sie alle hier als Wiedergutmachungsbonbons nicht nur zwei äußerst po- sitive -nein, stellen Sie sich nur vor!- sondern sogar darüber hinaus noch eine wei- tere, etwas verbesserungsfähige Information in meinen immer serviceorientierten Reiseleiterucksack gepackt.
Hahaha, da beginne ich doch einfach einmal von hinten: Aufgrund der für diese Region ungwöhnlich starken Regenfälle der letzten Wochen mit Niederschlags-mengen bis zu 200 Litern pro Quadratzentimeter ist die berühmteste Schlucht auf unserem Globus zur Zeit bedauerlicherweise nur unvollständig zu bewundern, wofür ich mich bei Ihnen, auch im Namen des Colorado River, ausdrücklichst ent- schuldigen möchte. Er lässt sie übrigens recht schön grüßen.
Hahaha, doch jetzt kommen auch schon die sehr guten Nachrichten: Denn dafür -oh, welch ein Zufall des Glücks!- können Sie heute bei diesem herrlichen Wetter, und das haben wir wirklich äußerst selten hier, fantastischste Ausblicke auf die derzeit teuerste und modernste Stromtrasse der Vereingten Staaten sowie auf eine wahrhaft technische Superlative zeitgenössischer kühner Brückenkunst genießen, welche das weltbekannte Naturdenkmal in spektakulärer Eleganz überwinden und Ihnen dabei aus ganzem Herzen fröhlich winkend zurufen: „Hallo, Arizona! Ist das heute nicht ein wundervoller Tag?“ Und darüber hinaus -stellen Sie sich nur vor!- hat die UNESCO bereits gleich mehrere wissenschaftliche Studien an der Princeton University in Auftrag gegeben, damit es durch neueste metere- ologische Innovationen bald endlich gelingen wird, diese lästigen Tiefdruckge- biete ein für alle Mal um die Grenzen des Bundesstaates Arizona herumzuleiten. Haben Sie deshalb bitte noch ein bisschen Geduld, schon bei Ihrem nächsten Besuch wird es ihnen mit Sicherheit vergönnt sein, die grandios im Sonnenlicht leuchtenden, steil abfallenden Felswände in ihrer vollständigen Pracht atemlos zu bewundern. Denn das sind Sie uns als Buchungskunden wert!
Und nach so viel Positivem an einem Tag frage ich Sie jetzt: Kann es da für uns nichts Schöneres geben, als sich nun gemeinsam zur Aussichtsplattform zu bege-ben, um unseren beiden sympathischen Freunden vor lauter Freude jubelnd zu-rückzuwinken: „Ja, Arizona, das ist er! Und er wird noch 1000 mal schöner!“
Sobald Danny Brown während der daraufhin wild erfolgenden Wink- und Jubel-orgien von den fröhlichen Gesichtern präzise ablesen kann, dass sich auch der traumatisierteste Reisende trotz hinzunehmender Seheinschränkungen wieder ein-deutig in der gesundheitlichen Lage befindet, erwartungshungrig noch vielen wei-teren grandiosen Sensationserlebnissen entgegenzufiebern, lässt er die Gelegen- heit nicht ungenutzt, den wiederbelebten touristischen Optimismus schnell auch noch für ausdrückliche finanzielle Verzichtserklärungen zu nutzen.
Ich bitte Sie jetzt alle noch einmal um ihre werte Aufmerksamkeit, denn es folgen wichtige Hinweise zum weiteren Programmablauf. Wenn wir gleich durch die Wildnis zur eben erwähnten verwegenen Raffinesse junger, ungestümer Avant-gardisten wandern, werden wir unterwegs an den Stromtrassen einen kurzen Zwischenstop einlegen, wo Sie von mir ausreichend Zeit für erste traumhafte Er- innerungsfotos bekommen.
Aus Erfahrung weiß ich jedoch, dass dabei Touristen immer wieder gerne die gi- gantischen Masten hinaufklettern, um hoch oben von deren Querstangen aus das atemberaubende Panorama mit die lieben Daheimgebliebenen noch sprachloser machenden Fotos einfangen zu können. Nicht selten sind auch frisch verliebte Paare in verrenktesten Posen im glitzernden Stahlgewirr zu beobachten, wie sie Selfies schießen und sich auf diese Weise todesmutig ihre ewige Liebe gestehen. Seit ein paar Monaten schleichen sich sogar immer öfter als harmlose Touristen getarnte Blogger oder andere in Sozialen Netzwerken Postende in unsere Reise-busse ein, die dann waghalsig bis ganz auf die zugigen Spitzen kraxeln und dort angesichts des ihnen dabei zuteil werdenden gewaltigen Adrenalinschubs vor lauter Entzückung auf einem Bein hüpfend ihren Followern oder Profilbesu- chern über eine von ihnen gerade entdeckte neueste Trendsportart berichten, die die Welt noch nicht gesehen hat.
Ich weise Sie alle hiermit ausdrücklich auf ein Verbot zur Besteigung der Leitungs-masten hin, denn wenn ich beim ein oder anderen von Ihnen mit meinen gold- prämiierten Fangkünsten für ein sicheres Ende seiner Extratour in nicht nur spekta-kuläre sondern auch schwindelerregende Höhen sorgen muss, so ist das nicht im Reisepreis inbegriffen. Und Heldentaten sind in Arizona teuer.
Ähnliches gilt, wenn wir später das krönende Ziel unseres heutigen gemeinsamen Spaziergangs erreicht haben werden: die Canyonbrücke. Beachten Sie bitte jetzt schon, dass Sie dort bei der Ankunft einem sofortigen Zwang zum Fotografieren und Staunen ausgesetzt sein werden, wie Sie ihn sich in diesem Moment selbst ansatzweise kaum vorstellen können. Trotz des enormen Hochwassers sind die Blicke von dort auf die Klippen und in die Tiefen der Schlucht nämlich weiterhin als ungebrochen phänomenal zu bezeichnen, und sie erzeugen daher an vielen Stellen oft nicht zu unterschätzende Schwindelanfälle. Beugen Sie sich deshalb unter gar keinen Umständen zu weit über das Geländer, denn wenn ich den einen oder anderen Neugierigen wegen allzu vorwitziger Staunerei mit meinen goldprämiierten Schwimmkünsten aus den alles mitreißenden Wasserfluten des Colorado River retten muss, so ist das nicht im Reisepreis inbegriffen. Und Hel-dentaten sind in Arizona teuer.
Noch etwas: Weil etwa 99% der hier von mir durchzuführenden halsbrecherisch- en und todesverachtenden Rettungsaktionen auf erwähnte Blogger, Poster oder von deren größenwahnsinnigen Posen zur körperlichen Nachahmung animierten Personen zurückgehen, ist in den Reiseverträgen unter Hochstellzeichen 465 als AGB zudem klar geregelt, dass zur Vermeidung solcher lebensrettenden Maß-nahmen live vom Grand Canyon aus erfolgendes Bloggen und Posten strikt unter- sagt ist. Das gilt übrigens auch schon hier für den Busparkplatz.
Zum Abschluss erklärt jetzt bitte jeder von Ihnen per Unterschrift, dass er von mir über die soeben geschilderten Staungefahren belehrt wurde und diese auch ver-standen hat, weshalb sämtliche Rettungskosten bei etwaigem Fehlverhalten selbst zu tragen sind. Ganz wichtig: Mit Ihrer Signatur erhält zugleich die in Ihren Rei-severträgen unter Hochstellzeichen 121y aufgrund knapper Kassen extrem klein gedruckte Staungarantie ihre volle Rechtsgültigkeit. Eventuelle Forderungen nach Reisepreisminderungen werden somit bei Gericht keinerlei Aussicht auf Erfolg haben. Danke für ihre Kooperation!
Man kann sich nur zu gut vorstellen, wie sehr es Danny Brown missfiel, als eines Tages eine noch ziemlich junge, aus Hessen stammende Touristin seinen profes-sionell eingeübten Beschönigungformeln, die er wie immer von der ersten vorde-ren Bustürstufe vor ihm neugierig lauschenden Reisenden zum Besten gab, nach-dem seine huldvoll winkende Hand die äußerst aufgewühlt wirkenden Rückkehrer freundlich, aber bestimmt in die übrige Gruppe wieder eingliedern konnte, unge-fragt widersprach.
Obwohl sie nicht zu denjenigen gehört hatte, welche nach dem erfolgreichen Be-zwingen gerade aufgehender Bustüren mehr stolpernd als rennend sowie dabei teure Kamerausrüstungen wild schwenkend als erste zum nahen Aussichtspunkt gestürzt waren, und ihr deshalb noch kein persönliches Bild vom Ernst der Lage vorlag, hielt die Jugendliche sich dennoch für kompetent genug, mit eigenen, spe-ziellen Interpretationen zum Sachverhalt den aufrund höherer Gewalt ohnehin be-reits gedämpften Erwartungshorizont weiter zu reduzieren.
Gerade als sich Danny Brown nämlich auf besagter ersten Stufe der vorderen Bustür vor Elan sprühend in den Höhepunkt seiner väterlichen Fürsorgepflichten hineinsteigerte, trat das Mädchen plötzlich aus der versammelten Zuhörermenge hervor, zog einen völlig perplexen Reiseleiter einfach so mir nichts dir nichts von dieser herunter und nahm kurzentschlossen selbst dessen Platz auf dem Redner-podest ein; und noch ehe Danny Brown die Lage überhaupt richtig begreifen konnte, trommelten schon zwei geballte Fäuste wie Hammerschläge laut gegen die nach innen geöffnete Tür, um für ihre Thesen hinsichtlich möglicher Ursachen des hohen Pegelstandes allgemeine Aufmerksamkeit zu erlangen.
Liebe Mitreisende, hört mich an! Meiner Meinung nach kommen als Ursachen für das, was Ihnen unser Resieleiter eben gerade etwas umständlich erläutert hat, keine starken regionalen Niederschläge, sondern ausschließlich die gefährlichen vulkanischen Aktivitäten auf dem mittelamerikanischen Kontinent in Betracht. Wis-sen Sie, trotz meines jungen Alters bin ich schon viel in der Welt herumgekom- men, und dabei fiel mir vor drei Jahren während unseres Costa Rica-Urlaubs auf, dass der Rio Colorado erstaunlicherweise nicht nur durch den Grand Canyon, sondern auch über eine unter dem von Vulkanismus geprägten Nationalpark Rin-cón de la Vieja verlaufende tektonische Verwerfungslinie hinwegfließt, berichtete sie ihrem sprachlos dreinschauenden Publikum stolz über ein in diesem Kontext aufschlussreiches früheres Ferienerlebnis, an das sich die eifrige Erzählerin an-scheinend immer noch gerne zurückerinnerte.
Meine Theorie lautet daher, sprudelte es belehrend weiter aus ihrem Mund her-vor, dass im unergründlichen Inneren unseres Planeten unterhalb Costa Ricas tek-tonische Verschiebungen stattfinden, welche infolge immenser Kräfte den Grund-wasserspiegel immer mehr ins Flussbett hineindrücken. Somit reichen leichteste Erdbeben, deren Epizentren direkt unter dem Nationalpark liegen, bereits aus, um die ja ohnehin schon angestiegenen Wassermengen des Colorado River nun als ruckartige Schockwellen Richtung Arizona zu schieben. Mit solchen simplen geologischen Abläufen lässt sich sein gewaltiger Pegelanstieg ganz einfach er-klären.
Mulmige Gefühle überkamen Danny Brown bei solch einer unerwarteten, unlieb-samen Konfrontation mit der Tatsache, dass hier plötzlich Touristen wohl offen- bar etwas von Geographie sowie Geologie verstanden, wodurch sie mittels fun-dierter Widerworten nun imstande waren, jahrelang perfekt funktionierende Be-schwichtigungskonzepte binnen Sekunden zum Einsturz bringen zu lassen. Und tatsächlich, noch ehe er seine düsteren Vorahnungen weiterdenken konnte, mus-ste der König auf dem Gebiet charmant plaudernder Reisebusunterhaltung bereits hilflos mitansehen, wie jene noch ziemlich junge Hessin zunächst erst zögerli- chen, dann aber immer stärker werdenden Applaus für ihr aufklärerisches Enga-gement erntete, weshalb Fachmann Danny Brown schlagartig realisierte: Diese neue Lehre musste von ihm umgehend eingedämmt werden, bevor anfangs nur wenige Funken sich wie ein Flächenbrand zu Ungunsten künftiger Buchungszah- len rasend schnell ausbreiten konnten.
Bevor der unangefochtene Superstar am Reiseleiterhimmel jedoch einen seiner insgesamt 8 speziell für derart unvorhergesehene Pannen entwickelten, von Bran-chenkennern als „legendär“ bejubelten Notfallsprüche einzusetzen vermochte, hatte der geologische Thesenanschlag an der Bustür wie befürchtet schon erste bekennende Anhänger gefunden. Gottgütiger, die Kleine hat vollkommen Recht! So wie Doktor Martin Luther damals an der Tür der Schlosskirche zu Wittenberg!, rief en sichtlich erschüttertes älteres Ehepaar voller Angst aus. Wir waren nämlich vor drei Jahren ebenfalls in diesem Nationalpark, wo der Colorado River als rei-ßender Fluss die Hänge des Rincón de la Vieja hinabstürzt. Nicht auszudenken: Sollte dort jetzt der Vulkan ausbrechen oder wie damals ein schweres Erdbeben die tekronische Verwerfungslinie aufreißen, als wir beim leckeren Mittagsbüffet im plötzlich heftig schwankenden Restaurant dachten, das Jüngste Gericht sei an-gebrochen, dann ergießen sich binnen weniger Minuten oder auch nur Sekunden megatonnenweise gewaltige Schlammassen von Costa Rica bis hierher und ver-wandeln ganz Arizona die in ein grau gefärbtes Massengrab; oder heftigste Erd-stöße pressen das Grundwasser dermaßen ruckartig ins Flussbett hinein, dass der Rio Colorado den Bundesstaat kurze Zeit später mit brausenden Flutwellen über-rollt. Aber das ist dann letztlich auch egal, denn auf jeden Fall werden wir hier alle umkommen. Ja, keiner aus unserem Bus kehrt jemals wieder nach Deutsch-land zu seinen Lieben daheim zurück. Ach, es erbarme sich unser der Herr!
Während die noch ziemlich junge Touristin aus Hessen nun von allen Seiten mit ängstlichen Fragen bestürmt wurde, ob sie denn aufgrund ihrer in Costa Rica ge-sammelten Erfahrungen auch wissenschaftlich fundierte Prognosen über in den nächsten Minuten bestehende Wahrscheinlichkeiten einer Eruption des Rincón de la Vieja beziehungsweise dort tief unter ihm abprupt einsetzenden heftigen seis-mologischen Aktivität treffen könne, begab sich Danny Brown mit seinem Dienst-handy am Ohr etwas abseits der verunsicherten Gruppe, um ungehört der Reise-veranstalterzentrale vorschriftsmäßig im Fall unerwartet eintretender Vorkommnis- se umgehend Meldung zu machen.
Aufgrund der brisanten aktuellen Situation zog er es nämlich lieber vor, strikt Arti-kel III des 2014 auf einem Kongress in Neu Dehli von allen im Tourismussektor agierenden großen Marktriesen verabschiedeten standardisierten Richtlinienkata- logs International regulations concerning Cruisade directors and Touristguides during unexpected irregular situations einzuhalten, statt durch leichtfertige ei-genmächtige Entscheidungen den steilen Sinkflug seines mühsam erarbeiteteten Reiseleitersterns vom Himmel herab zur Erde einzuleiten. Besagter Artikel III regelt nämlich in den Abschnitten 1 bis 3 ganz klar folgende Sachverhalte:
(1) Jeder Reiseleiter besitzt für den Fall sich unerwartet ereignender, mit äußerster Heftigkeit über regulär angedachte Abläufe toutistischer Maßnahmen hereinbre-chender, von ihm jedoch in keinster Weise selbst zu verantwortender Ereignisse jeglicher Art, etwa ein aufgrund versagender Weltraumteleskope aus heiterem Himmel erfolgendes Eindringen gefährlicher Meteoriten in die Erdatmossphäre, im tropischen Regenwald ihr Erscheinen verweigernde, jedoch zuvor lautstark an-gepriesene exotische Tiere, zu niedrige Brückenkonstruktionen, welche geplante, von Kreuzfahrtpassagieren fieberhaft herbeigesehnte Hafeneinfahrten unmöglich machen oder andere Eventualitäten gravierender Tragweite, grundsätzlich freien Handlungsspielraum zum Einleiten deeskalierender, berechtigte Minderungs- oder Rückerstattuungsforderungen überflüssig erscheinen lassender Maßnahmen.
(2) Im Sinne kundenfreundlich gewährleisteter Ausführungen sämtlicher in Reise-programmabläufen enthaltenen touristischen Diensteistungen besitzen reibungslos von statten gehende Umsetzungen angebotener Vergnügungsamüsements oberste Priorität. Aus diesem Grund dürfen von lokalen Reiseleitern vor Ort gemäß Ab-schnitt 1 als dringendst notwendig erachtete Notfallmaßnahmen, beispielsweise vorzeitige Reiseabbrüche, Programmausfälle, Streckenänderungen, Verweigerun-gen gebuchter Zusatzangebote wie das Essen in Restaurants à la carte oder gar Maßregelungen ungebührlich auftretender Reisegäste, etwa durch Erteilung sofor-tigen Zimmerarrests oder gar Ausschließen vom weiteren Reiseverlauf nur nach ausdrücklicher Absegnung von höchster zuständiger Stelle eingeleitet werden.
(3) Zur absoluten reiseleiterischen Gewissheitserlangung, ob konstatierte, situativ vorliegende Notfallsmaßnahmen nach sich ziehen müssende Ereignisse objektiv vorliegen oder eher subjektiv übereilte, nicht verallgemeinerbare Einschätzungen darstellen, erhalten von höchster zuständiger Stelle genehmigte freie Handlungs- spielräume erst dann ihre Gültigkeit, nachdem der Bittsteller binnen Frist von 60 Minuten ab positiv beschiedener Erstantragsstellung dreimal beim selben Autori-tätsinhaber Erkundigungen eingeholt hat, ob die ihm gemachten Zugeständnisse weiterhin gelten.
Uns Karussellpferde erreichten kritische Meinungen, welche sich nach Veröffentli- chung der Fotogeschichte sofort dahingehend äußerten, die im Zusammenhang mit den Vorgängen am Grand Canyon erwähnten Reiseleiterdienstvorschriften, insbesondere Aritkel III, seien künstlich übertrieben, maßlos aufgebauscht, an den Haaren herbeigezogen und dienten alleine zum Füllen leerer Seiten. Gegen sol-che Vermutungen müssen wir vehement Widerspruch einlegen! Um die Relevanz oben genannter Regelungen in ihrer ganzen Tragweite für Leser besser vertänd-lich zu machen, haben Helanchri und Simon daher Alessa Marie an dieser Stelle zunächst eine kurze Unterbechung ihrer aufrichtigen Berichterstattung aus Arizo-na angeraten. Die Künstlerin wendet daher zunächst den Geschehensblick vom Grand Canyon ab in Richtung Japans Hafenmetropole Yokohama, erschütternden Ereignissen entgegen, weshalb auch nur nervenstarken Seitenbesuchern ein konti-nuierliches Weiterlesen empfehlenswert ist. Wir bitten um Ihr Verständnis!
Mit jenen auch als New Dehli Tourism Act bekannt gewordenen Maßnahmenre- gelungen reagierte die Branche nämlich zwangsweise auf einen schweren Kreuz- fahrtschiff-Zwischenfall, der sich am 26. Oktober 2000 in der Bay of Tokyo im Rahmen eines Vorgangs zum Austendern der Tagesausflügler an furchtbaren Din-gen zugetragen hatte. Bitte halten Sie für das nun Folgende genügend Taschen-tücher parat.
Damals lag die Having Fun Forever auf ihrer Jungernfahrt rund um Japans Küsten für zwei Tage in der Tokio-Bucht vor Anker, ihrerzeit der gewaltigste, gigantisch- ste, phänomenalste, modernste und verständlicherweise teuerste Luxusliner, den die Welt bis anno 2000 sowie danach je zu Gesicht bekommen hatte. Ja, seine Ausmaße waren derart ins Superlative gesteigert worden, dass Papenburgs Inge-nieure ernsthafte Zweifel hegten, ob spekaktuläre Schiffe solcher Größenordnun-gen es überhaupt jemals bis zur Emsmündung schaffen könnten.
Angesichts solcher Hybris war man beim Auswählen leitenden Peronals beson-ders sorgfältig vorgegegangen und hatte die Meßlatten während des Auswahl-verfahrens dermaßen willkürlich hochgeschraubt, dass die verantwortungsvolle Stelle des Kreuzfahrtdirektors keinem anderen als Mister Joe Baker aus Ohio zu-fallen konnte. Niemand außer ihm wäre vom kritischen Veranstaltergremium samt Reederei jemals für würdiger befunden worden, urlaubskonsumfreudige, gut zah-lende Gäste besser bei Laune halten zu können. Branchenkenner nannten ihn gar einen nautischen Gaius Julius Cäsar. Ein Alleskönner. Ein Macher. Hans Dampf auf sämtlichen Decks. Ein echter Gewinnerkerl, der Vercingetorix damals binnen zwei Wochen besiegt hätte. Immer lustig drauf. Immer fröhlich am Lachen. Stets für ein munteres Schwätzchen bereit. Er, welcher stark mobilitätseingeschränkten Senioren Hochleistungsfitnesskurse des Schwierigkeitsgrades 9 von 10 andrehen konnte. Er, den sie beim Betreten eines jeden Kreuzfahrtschiffes mit Pfeifentönen ehrfurchtsvoll grüßten, obwohl ihm das dafür benötige Dienstabzeichen fehlte. Er, dem die Bordkapelle auf seinem vom Konfettiregen gesäumten Weg zur extra frei gemachten Kapitänskajüte voranschritt, während abkommandierte Bordoffiziere als Lakaien das Gepäck hinterhertrugen. Ein antiker Triumphzug erfolgreich nach Rom zurückgekehter Feldherren hätte wahrlich nicht ruhmreicher ausfallen können … ja … bis zu jenem Tag, an dem die stets unberechenbar bleibende Fortuna ihm schlagartig alles nahm und Joe Baker mit einem einzigen Tritt der Bordrei- nigungsmannschaft zukickte.
Nachdem die Having Fun Forever ihre Kreuzfahrttour im südjapanischen Fukuoka begonnen hatte, geriet sie nordöstlich von Osaka in ungemütliche Vorboten eines Taifuns, welcher sich mit hoher Geschwindigkeit westwärts auf das Festland zube-wegte, sodass vor Nippons Uferlinien bereits erste schwere Brecher anbrandeten. Wegen dieser prekären Wetterlage gingen auf der Brücke entsprechend alarmie-rende Funksprüche von Japans Küstenwache ein, nach dem Einfahren in die Bay of Tokyo unter keinen Umständen irgendeinen Befehl zum Austendern zu geben; andernfalls könne bei solch rauher See niemand während des lebensgefährlichen Pendelvorgangs für Menschenleben garantieren.
Imperator Joe Baker schenkte allerdings der ihm vom russischen Kapitän Igor mit- geteilten Nachricht über die weise ausgesprochenen Warnungen keineswegs je-nes aufmerksame Gehör, das ihnen eigentlich zum Passagierwohl hätte zukom-men müssen. Nein, vielmehr kommentierte Julius Caesar sie mit Kopfschütteln und Fingertippen an seine Stirn, verstand er doch nicht den Sinn ständig durchs Funk-gerät schallender Mahnungen Don’t tender in the Bay of Tokio! Over! angesichts Yokohamas modernem Fährterminal.
Umso ungläubiger starrte daher Joe Baker samt Kapitän Igor und den Offizieren kurze Zeit später vom Brückenstand Richtung Landmark Tower, mussten sie doch fassungslos realisieren, dass die vor Erreichen des Hafens noch zu passierende, 1989 eingeweihte Yokohama Bay Bridge von ihren damaligen Konstrukteuren mit stolzen 55 Metern lichte Höhe für eine Queen Elizabeth 2 tatsächlich perfekt erbaut worden war, schwimmenden Städtegiganten wie der Having Fun Forever hingegen das als absolut sicher geglaubte, locker bewältigbare Einlaufen katego- risch verwehrte. Nach längerem Funkkontakt mit der Hafenverwaltung kam man deshalb zähneknirschend zum kundenunfreundlichen Entschluss, die Anker notge-drungen mitten in der heftig aufgewühlten Tokio-Bucht statt wie geplant direkt am bequemen Pier werfen zu lassen.
Auf diese Weise vor vollendete architektonische wie metereologische Tatsachen gestellt, sah sich Kreuzfahrtdirektor Baker urplötzlich mit diversen unerwartet ein-tretenden Problemkonstellationen konfrontiert, deren hochkomplizerteste Dichte in der gesamten bisherigen Branchengeschichte noch keine vergleichbaren Gradstu-fen vorweisen konnte. Einerseits lag bei solchem Wellengang selbst jener überdi-mensionierte Titan namens Having Fun Forever unangenehm unruhig im Wasser, was irgendwelche Austenderungsaktionen tatsächlich höchst unratsam erscheinen ließ. Andererseits hatte der gewiefte, raffinierte Verkaufsstratege seit Fukuoka an Bord seine Runden gedreht und das im Reiseprogramm versprochene absolute Highlight überall lautstark angepriesen, als ob es alle 7 Weltwunder zusammen überträfe. Wo auch immer er Passagieren habhaft werden konnte wurden sie mit strahlendem Lachen wortwörtlich angequatscht, um ihnen den bald anstehenden Landgang nach Tokio beziehungsweise Yokohama unter die Nase zu binden. Ja, selbst ins abendlich laufende Showprogramm kam Julius Caesar mit gellendem Schlachtruf und lärmender Bimmelglocke unversehens hereingeplatzt: Toooooook-kkyyyooooooooooo!!!!!!!!! Visit Tooooooooookkyyyyyyyyyoooooooooooo!!!!!!!!! And Yokohaaaaaaaaaaammmmmaaaaaaaaaaa!!!!!!!! So erschien Japans größ-ter Ballungsraum quasi in der Rolle einer reißerisch geschickt angepriesene Jahr-marktsensation, deren damit aufgebaute Erwartungshaltungen selbstverständlich auch bedient werden wollten. Anders ausgedrückt: Joe musste in der stürmischen Tokio-Bucht liefern. Als verantwortungsvoller Realist blieb ihm angesichts gefährli- cher Wogen jedoch keine andere Wahl, als 4085 Vorfreuden zerstörend mit sei-ner tönenden Bimmelglocke jetzt etwas bescheidener umherzuschreiten: I’m so sorry, no day’s excursions. I’m so sorry! Our next stop will be Sapporo.
Joe Baker hatte mit dem Verteilen deftiger Erwartungsdämpfer an fröhlich gestim-mte Sensationsgierige kaum begonnen, durftte er in seiner langjährigen Karriere als Kreuzfahrtdirektor erstmals die recht verstörende Erfahung machen, dass kurz-fristige Hiobsbotschaften beim Publikum über das gängige meckernde, aber letzt-lich dennoch akzeptable Unverständnis hinaus manchmal leider auch radikalere Reaktionen erzeugen können.
Mosambik, Usbekistan sowie Spanien rekrutiert hatte und auf der Having Fun Forever erst-mals als Teil der Unterhaltungscrew mitfuhr. Ein Novum. Die Brancheninnovation. Extra aufgestellt für haarige Situationen, in denen engelhaftes Zureden mit Inaus-sichtstellung saftiger Reisepreisminderungen selten weiterhilft.
Hiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii there!, rief der Oberclown vergnügt, als sei nichts geschehen, der Menge zu, während die übrigen 27 Possenreißer mit den Händen ihre Bäuche fassten, als ob sie sich vor lauter Lachen kaum halten könnten. Are you happyyy- yyyyyyyyy? Kaltes Schweigen. Yeeeesssssssss, I can see it in your eyes, you are happyyyyyyyyyyyyyyy!, startete Pompilino rasch Versuch Nummer 2, Menschen von ihrer eigenen Lustigkeit zu überzeugen. Frostige Mimik. Ok, now we have got a special happy song for you. It’s very easy. So the clowns sing it first, and then we sing all together. You’re ready? Antarktische Eisestemperaturen. Spätes-tens hier hätte es wahre Könner nachdenklich stimmen sollen, doch routiniert un-beirrt erhielten seine witzigen Gesellen fingerschnipsend das Singsignal:
We love holidays,
We love sun,
We love cruisades,
Fun, fun, fun!
Climb up to the hills?
No, no, no!
A beach hotel that fills?
Never, never!
(nun folgt die ulimative Interaktion mit der zu bespaßenden Menge)
SO WHAT DO WE WANT?
HAVING FUN FOREVER!
Ok, my dear good friends, strahlte der Oberclown über sein ganzes geschmink-tes Gesicht, this is the song. And now we sing it all togetheeeeeeeeeeeeeerrrr!!!! One. Two. One, two, three, fo… — Du, Papiiiii, diese Clowns sind ja voll doooof, sag ihnen, sie sollen gefälligst aufhören!, unterbrach ihn jäh eine freche Zehnjäh-rige lauthals. Ja, voll uncool, die sollen hier abhauen, denn ich habe trotz lecke- rem Frühstücksbüffet schon wieder Riesenhunger und will endlich zum Chinesen abdüsen! Auf meiner genialen App steht, dass es in der „China Town“ heute für Familien überall billige „all you can eat Angebote“ gibt. Boooaaaaaaahh ey…im „Nanking Dragon“ können wir sogar g***e 70% sparen!, mischte sich ihr zwei Jahre ältere Bruder daraufhin nicht minder unverschämt ein – obwohl ihm dabei vom dauerginsenden Pompilino mit ständig komisch an seine Lippen gehaltenen Zeigefingern witzig angedeutet wurde, bitte jetzt um alles in der Welt mal gefäl- ligst die Klappe zu halten.
Bravo, mein Sohn! Je billiger desto besser, wir sind schließlich keine Lottomillio-näre!, klopfte ihm gleich sein Vater kumpelhaft auf die Schulter. Und von SOL-CHEN CLOWNS lässt du dir erst recht nichts gefallen! Deshalb gehst du jetzt mit Pia schnell nochmal ins Restaurant und schaust, ob von vorhin noch genügend Ei-er vorhanden sind!
Um das traute Familienglück perfekt zu machen, durften hierbei selbstverständlich auch mütterliche Ratschläge keinesfalls fehlen, und mit dem fürsorglichen, gutge-meinten, sozial orientierten Hinweis Leon! Pia! Nehmt vor allem noch andere Kin-der mit, gemeinsam könnt ihr doch viel mehr tragen! für den etwas längeren Fuß-weg bestens gestärkt, liefen beide folgsam los, zielstrebig dem Verköstigungstem- pel Happy Eating entgegen.
Als einige Zeit später 21, zu allem entschlosssen dreinschauende Kids mit lecke-ren Legeprodukten soviel ihre kleinen Hände fassen konnten sich wieder auf dem Rückweg befanden, schnappten sie schon von ferne einen ihnen vertraut vorkom-menden Wortfetzen auf, schmetterte doch der Chefbelustiger gerade zum elften Mal sein Kreuzfahrttouristen stimmungmäßig mitreißen sollendes togetheeeeeeee-eeeeeeeeeerrr!!! ins Publikum. Und sich daran wie gewohnt anschließende Toten-tille überbrachte den jetzt nicht mehr allzu weit entferten Heranwachsenden die frohe Kunde, dass sie zwischenzeitlich vom laufenden Bordanimationsprogramm zum Glück nicht viel versäumt hatten.
Look there, look there, the kids are back!, rief eine Neuseeländerin aufgeregt, welche von den Umstehenden die sehnsüchtig erwartete Kinderschar zuerst sah. Und kaum eingetroffen, begann das Team auch schon ohne Zögern mit dem arti-gen Verteilen kleiner aber feiner Mitbringsel vom Morgenbüffet.
Los, ihr albernen Deppen, hört mit diesem Gejaule auf und lasst die Tenderboote runter, sonst machen wir das!, gröhlte der bereits an anderer Stelle unrühmlich erwähnte Familienvater, während aus der kochend aufgeheizten Masse die ers-ten Hühnerprodukte zielsicher ihre Bestimmungsorte anflogen. Yes, now you can see it in our eyes: we are happyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyyy!, spottete dazu sein griechischer Stehnachbar, und zur Demonstration abgrundtiefster Verachtung ge-genüber dem Happy-Team zeigte er diesem dazu mit herausgestreckter Zunge wedelnde Eselsohren. Allerspätestens hier gab es auf Deck 4 kein Halten mehr. Holaaaa, que passa aquí? Una revolución?, schrie eine Gruppe kolumbianischer Passagiere begeistert. Vom wild um sich greifenden Bordwiderstandsgeist spon-tan ergriffen, erfanden sie gleich kreative Variationen zum gerade zur Stärkung der Armmuskulatur erweiterten Fitnessangebotes. Fünf reaktionsschnelle Harlekine stürzten verweifelt herbei, wollten eingreifen, doch die tobende Menge versperrte ihnen den Weg. Daher konnten sie lediglich über johlende Köpfe hinweg hören, wie herbeigeschleppte Sonnenliegen, Restaurantstühle, ja sogar sperrige Bühnen- dekoration krachend auf dem Deckboden landeten. Rápido, rápido, la gasolina por las barricadas!, tönte da auch schon das Trainerkommando, und Joe Baker musste käsebleich mitansehen, wie im selben Augenblick die Clowntruppe ange- sichts brandgefährlich werdender Auftrittsbedingungen überstürztes Fliehen in al-le Richtungen bevorzugte.
Never again „Santa Teresa do Sul“!, fuhr Joe Baker der blanke Angstschweiß in den Nacken. Nein! Für keine Handvoll Dollars der Welt würde er freiwillig noch-mals Zeuge jener Art von Bildern werden, wie sie sich am 20. August 2005 im Amazonasgebiet tief ins Bewusstein eingebrannt hatten. Damals, 2 Kilometer vor Santa Teresa do Sul, als der von ihm geleitete Luxusreisebus infolge durch Protes-tierende errichtete brennende Straßenbarrikaden stoppen musste. Aus dem entste-henden Megastau gab es trotz bester Fahrerkünste kein Entrinnen, und weil un-glückerlichweise die Klimaanlage ausgefallen war, mussten sie drei Tage auf der Überlandstraße in tropischer Hitze ausharren, bis endlich Militärpolizei anrückte, welche den Feuerspuk rasch beendete. Seither wusste Joe Baker aus eigener Le-benserfahrung, wie unvermittelt in südamerikanischen Ländern gefährliche Lagen entstehen können, weshalb angesichts fieberhaft Benzin suchender Kolumbianer nur ein einziger, hämmernder, das Gehirn vor Schmerz fast betäubender Gedan-kenhagel seinen Kopf zermarterte: No second „Santa Teresa do Sul“ on board! Koste es, was es wolle.
The bridge! Yes, I must enter the bridge! durchzuckten rasende Geistersblitz Joe Bakers panische Gedankenkonfusion. Yeah, God is good!, stieß er dankbar über diesen himmlischen Wink mit dem Zaunpfahl hervor und rannte los, beide Augen erleichtert emporgerichtet, als er neben Rettungsboot 24A unversehens mit Danny Brown zusammenstieß. Zu diesem Zeitpunkt war Danny Brown nur ein kleiner, un-bedeutender Reiseleiter, der sein Geld damit verdiente, indem er selbst noch während gerade laufender Austenderungsvorgänge möglichst viele Last Minute Interessenten für die anstehenden Landausflüge gewinnen sollte. Ein undankbarer Job auf Provisionsbasis, denn am 26. Oktober 2000 durfte Danny Brown wegen des extrem hohen Wellengangs keine realistischen Hoffnungen hegen, von Gott Neptun auch nur einen müden US-Dollar zu erhalten. So befand sich der Schnell-verkäufer traurigen Herzens auf dem Weg zurück ins Büro, um die unzähligen nicht mehr benötigten Buchungsformulare wieder ihrem angestammten Regalplatz zuzuführen, als es zur folgenschweren Karambolage kam.
The tendering order, Danny boy! The tendering order! I must give it right now, otherwise all is lost! The clowns…they’re fleeing…Santa Teresa do Sul…don’t you understand, Danny?, keuchte der Superstar mit gehetzter, tränenerstickter Stimm-lage. Obwohl Danny Brown von den dramatischen Bordvorgängen nichts mitbe-kommen hatte, ahnte er dennoch intuitiv, dass derart wirr sprudelnde Gedanken- gänge mit Sicherheit keine optimale Lösung bestehender Probleme darstellten und versuchte auf den Imperator mäßigend einzuwirken: Joe, great Caesar, for God’s sake, don’t do that! Can’t you see the horrible waves around the ship? Every passenger is a bad sailor after having done the first step into the boat, and I swear to you: all of them will sue us for smart-money immediately. So better cal-ling Dick in Miami first!
Eigentlich wollte er noch flehentlich hinzufügen: Oh my God, Joe, you’re a profi. You know all about people’s mentality on cruisides looking for every little chance to become rich!, doch Mister Baker stürmte bereits mit rasender Geschwindigkeit dem Treppenaufstieg zur Brücke entgegen, enterte diese bravourös, stieß Deng, den chinesischen Ersten Offizier beiseite, riss gierig wie kurz vor dem Verdursten Stehende das Bordmikrofon an sich, drückte den Knopf für das nun überall auf dem Schiffskoloss grün aufleuchtende Hinweissignal READY FOR TENDER! und brüllte mit letzten Kräften zunächst TENDERING OUT NOW! TENDERING OUT NOW! sowie anschließend auf unüberhörbar texanisch gefärbtem Deutsch AUS–TÖNDÖÄRN! AUSTÖNDÖÄRN! ins Stimmenverstärkungssystem hinein. Danach brach Julius Cäsar unter unzähligen Erinnerungsstichen, die ihm schwerbewaffne- te Militärpolizisten, kreisende Hubschrauber, beißendes Tränengas, haarscharfe Steinwürfe, eindeutige Warnschüsse und zahllose Festnahmen heimtückisch zu-fügten, zusammen, worauf ihn, welch übler Witz der Geschichte, vier brasiliani- sche Offiziersanwärter schleunigst zum nahen Bordkrankenhaus tragen mussten. Mit einem markerschütternden NJET!!! NJET!!! hatte Kapitän Igor zwar pflichtbe-wusst noch versucht, die soeben in Gang gesetzten Austenderungsmechanismen unterbrechen zu können, bevor allerdings Joe Bakers Nervensystem endgültig kol-labierte, konnte dieser das Bordmikrophon rechtzeitig im letzten Augenblick mit gekonnten Bewegungen vor dem heranstürzenden Russen ins wellengepeitschte Meer in Sicherheit bringen. Ein wahrlich exzellenter Wurf, wie sich herausstellte, denn bis Deng endlich das Ersatzmikrophon einsatzbereit in der Hand hielt, war viel wertvolle Zeit verstrichen, ja, eigentlich zuviel Zeit, als dass Kapitän Igor den Kreuzfahrtdirektorbefehl zurücknehmen konnte ohne Gefahr zu laufen, dass da-raufhin unter dem Eindruck lodernder Sonnenliegen das gesamte Bordleben im revolutionären Chaos versinken würde.
Nach einigem Schwanken entschied er sich dennoch für die Erteilung der Ge-genorder und wollte seinen Ersten Offizier Deng gerade diesbezüglich anweisen, als ihm der malaysische Leitende Ingenieur Najib als einziger Vorgangsbefürwor-ter auf der Brücke beherzt in die Arme fiel und mit klug gewählten Worten Fol-gendes zu bedenken gab: Angesichts auf Deck 4 irrsinnig schnell um sich grei-fender lateinamerikanischer Verhältnisse sei es taktisch ungeschickt, so Najibs Argumentation, den bereits „offiziell getroffenen“ Austenderungsbefehl postwen-dend wieder rückgängig zu machen, ansonsten stünde gleich das ganze Schiff in Flammen, sobald auch nur einem Kolumbianer die Benzinbeschaffung gelänge. Vielmehr solle man dem Aufstand wohlwollend passiv zusehen, denn im Fall ein-gehender Klagen könne der Schwarze Peter relativ leicht den Reiseveranstaltern in die Schuhe geschoben werden. Schließlich hätten weder Igor noch andere be-fehlsberechtigte Offiziere gehandelt, sondern ein stümperhafter, nicht beim Ree-der angestellter, unbefugter, skrupelloser Veranstaltungsmanager.
Najibs Rede bestach durch verblüffend simple Logik. Kaum war sie beendet, klat-schten alle Zuhörer stürmisch Beifall, und Theaterbesuchern gleichend begab sich die Brückenbesatzung erwartungsvoll zur der Yokohama Bay Bridge zugewand-ten Seite, um vom teuren Logenplatz aus das Tenderschauspiel zu verfolgen.
Einem militanten Minikern Kreuzfahrer, dem sich grob geschätzt 400 weitere Pas-sagiere spontan anschlossen, war es also auf diese Weise tatsächlich gelungen, eigentlich längst abgesagte Landausflüge unter rohem Gewalteinsatz doch noch zu erzwingen. Hastig strömten nun von überall mit Rucksäcken, Fotoausrüstungen und Taschen bepackte, unerschrockene, die Revolution enthusiastisch begrüßende Tagesausflügler krakehlend zum vorgesehenen Ausgang.
Puuuuuuuuuuuuhhh, sind das aber Wellen!, rief eine Frau, die mit zu den ersten Einsteigenden gehörte, ängstlich ihrem nachkommenden Verlobten entgegen. Da wird man ja richtig seekrank! Schatz, ich will sofort wieder raus! — Genau, die junge Dame hat Recht, empörten sich zwei ältere Herren, welche trotz Gehstocks größte Mühe hatten, auf dem Sitz die Balance zu behalten, beipflichtend, das ist doch Wahnsinn, was sie hier mit uns anstellen! Schnell, alle zurück auf’s rettende Schiff! Doch leider gehört es auch zum Tatsachenbereich, dass einmal erteilte, Menschenmassen in Bewegung setzende Befehle oft unumkehrbar sind. SIT ALL DOWN THERE! lautete daher die energisch ausfallende Reaktion eines vietname-sischen Crewmitgliedes. LOOK AT THE WAVES! OR YOU WANT TO DIE IN THE BAY OF TOKYO?
Genau in diesem Moment wurde das Beiboot von einer größeren Welle erfasst, schauriges Vorgeplänkel dessen, was circa 400 Revolutionären nach Ablegen vom Schiff noch bevorstehen sollte. Wie steil bergauf fahrende Achterbahnzüge emporgehoben, ging es nach Meisterung der Kuppe ohne Vorwarnung derma-ßen brutal abwärts, dass alle engstens aneinander gedrückt im Chor kreischten. Bei solch einem Vorgeschmack vermochten auch zwar aufmunternd gemeinte, in konkreten Extremsituationen aufgrund mangelnder lokaler Ortskenntnisse jedoch eher kontraproduktive Sprüche des aus Boliviens Bergwerksstadt Potosi stammen-den Bootslenkers Ramón keinerlei Heiterkeit zu verbreiten, als er lachend meinte: Don’t worry, amigos. In Bolivia all mining workers say: In the tunnel, Jesus Christ protects to the statue of El dio de las minas, but after that: the devil.
Gerade eben wirklich nur äußerst haarscharf dem Untergang durch Kentern ent-ronnen, blieb – menschlich betrachtet verständlich – primär Ramóns letzte Englisch-vokabel als Wortfetzen im Gehörgang stecken. Und in Anbetracht ihrer gerade auszustehenden Höllenängste erschien es keineswegs verwunderlich, dass sie die sich vor ihrer heftig schwankenden Nussschale im Hintergrund über dem gebirg-sähnlichen Meeresspiegel auftuende Yokohama Bay Bridge gleichsam einer ge-waltigen Pforte realisierten. Bei deren Anblick glaubte nun jeder Tourist entsetzt, statt ins Hafengebiet führe ihn seine Fahrt als Todsünder unweigerlich in die Hölle hinein, weil er verblendet, verstockt, vermessen, stolz und hochmütig das Schick-sal herausgefordert hatte.
Unter den im Anschluss wartenden Folgependlern, welche die Vorgänge auf Ten-derboot 1 direkt miterleben konnten, kam umgehend panikartige Stimmung auf, als Ramón, einem gerissenen karibischen Freibeuter nicht unähnlich, mit Vollgas losbrauste, und sich jetzt Tenderboot 2 pfeilschnell der Anlegeplattform zielgenau näherte. Einer der ersten, die einsteigen mussten, war Signore Francesco di Au-gustini, Professor für Romanistik an der Pariser Sorbonne. Er hielt Lehrveranstal-tungen ausschließlich über Dante Alighieris La Commedia ab und galt Kollegen sowie Studenten als eher seltsamer Kauz, den keiner richtig ernstnahm, behaup-tete der Literaturwissenschaftler doch in Vorlesungen, Seminaren und auf Fachta-gungen, Dantes Gesänge beruhten, wie alle uns überlieferten alten Epen, an je-der einzelnen Versstelle auf realen Begebenheiten, welche sich zudem in regel-mäßig wiederkehrenden Abschnitten über die Epochen hinweg phänomenolo-gisch wiederholten.
Als junger Hippie 1969 auf der Suche nach Bewusstseinserweiterung zugedröhnt von einem indischen Ashram zum anderen tingelnd, ließ er sich dort von weisen Sadhus in der vom Hinduismus gelehrten Reinkarnationslehre unterweisen. Beflü-gelt von jener faszinierenden Idee, eventuell nach seinem zeitlichen Ableben als schillernder Krabbelkäfer auf einem Lotusblatt wiedergeboren zu werden, über-trug er 1988 in seiner damals als häretisch verurteilten Kölner Antrittsvorlesung Über die Lehre des praepostepischen Realismusgedankens derartige Glaubens-vorstellungen auf sämtliche altepischen Werke, verknüpfte sie mit Luthers Grund-satz sola scriptura und leitete aus dieser Kombination drei wissenschaftliche Pos-tulate ab, welche in etwa so lauten:
- Weder der überlieferte traditionelle Konsens der Fachdisziplin noch die Lehr-gewalt des Professorentums, sondern alleine das buchstabengetreue epische Wort können dem Leser, direkte, unverfälschte Zugänge zum Wirklichkeitsge- halt des jeweiligen Epostextes vermitteln. Vom Dichter beschriebene Ereig-nisse sind demzufolge in jedem Einzelvers als wortwörtliche Schilderung aut-hentischer Handlungsabäufe zu verstehen, welche als poetische Uroffenba-rung bezeichnet werden.
- Wie wir auf irgendeine Art und Weise in diese Welt „hineinentstanden“, un-terliegen sämtliche Uroffenbarungsprotagonisten, selbst Götter, ebenfalls dem ewigen kosmischen Kreislauf von Werden und Vergehen, weshalb im Epos auftetende Haupt- und Nebendarsteller allesamt nach Handlungsschluss wie-dergeboren werden und die Geschehnisse in exakt derselben Figurenkonstel- lation von Neuem beginnen. Während Akteure bzw. Orte dabei den Jahr-hunderten angepasst lediglich ihre Erscheinungsformen verändern, bleibt der Grundablauf des Epos als Wesenskern davon unberührt.
- Als in hinduistische Mysterien Eingeweihte verpflichten sich Anhänger mit An-nehmen der Lehre per heiligem Eid vor einer Statue von Brahma, Vishnu und Shiwa auf die ethische Maxime, beim Erkennen vor ihren Augen gerade ab-laufender, für ahnungslose Durchschnittsbürger gefährlich werden könnender epischer Reinkarnationsszenen unter Einsatz aller zu Gebote stehenden Mit-tel Schaden von den bedauernswerten Unwissenden abzuwenden.
Als Signore di Augustini nun sah, wie Tenderboot 2 mit rasanter Fahrt auf sie zu-steuerte und Patrick, der stets um zügigen Einstieg bemühte irische Lenker, dabei Hurry up, hurry up! schrie, erblasste sein bärtiges Professorenesicht, denn er ver-stand jenen grässlichen Zuruf aus Canto VIII, 18: Or se‘ giunta, anima fella! Nein, diese Tenderfahrten würde keinen der umstehenden Ahnungslosen je nach Yokohama tranportieren. Bei Gott: Niemals würde man Yokohamas Fährterminal erreichen, denn Dis war das eigentliche Ziel ihrer Bestimmung, jene vom Höllen-feuer glutrot leuchtende Stadt auf der anderen Seite des toten Sumpfes!
Tenderboot 1 war unwiderbinglich verloren. Für doch für die restlichen sieben be-stand Hoffnung, wenn jetzt wahrlich mannhaft gehandelt würde. Mit ausgebrei- teten Armen, mit denen die Mitreisenden irgendwie vor Patrick Schutz finden sol-lten, schrie er diesem tapfer Canto VIII, 19 entgegen: Flegias, Flegias, tu gridi a voto. Zu spät. Aus der hinter ihm unablässig drängelnden Menge erhielt Signore di Augustini einen unbeabsichtigten Stoß, sodass sich unser heldenhafter Roma-nist unversehens mit 53 anderen Tagesausflüglern im gerade festmachenden Pen-delschiffchen wiederfand. Und das, was er gelangweilt gähnenden Studenten als historische Fakten lehrte, erschien nun tatsächlich als detailgetreue Wirklichkeit, weil es in Canto VIII, 67-69 heißt:
Lo buon maestro disse: Omai, figliuolo,
s‘ appressa la città c‘ ha nome Dite,
coi gravi cittadin, col grande stuolo.
Tja, liebe Kreuzfahrtteilnehmer in spe, von dieser Höllenfahrt gab es keine Reise-rücktrittsmöglichkeit. Phlegyas sowie nach ihm alle anderen Fährleute vertrauten nämlich Südamerikas abgebrühtestem Kahnlenker, der achtmal Kap Horn im Ab-stand von 1700 Metern ohne Neoprenanzug umschwommen hatte und bibbern-de Landratten nur höhnische verachtete, bedingungslos, während er das zuguns-ten optimaler Urlaubsfotos rundum offen gebaute Beförderungsmittel mit heraus-holbarer Maxigeschwindigkeit Welle um Welle vom Mutterschiff fortsteuerte. So schaukelte bald darauf eine Streichholzschachteln gleichende Bootsperlenschnur unter mühsamer Bewältigung extremster Höhenunterschiede auf und ab und ab und auf und von links nach rechts und von rechts nach links durch gischtgekrönte, weiß schäumende Wogen dem Eingang zum Herrschaftsbereich von Gottes fins-terem Gegenspieler entgegen.
Dramatische, unbeschreibliche Szenen spielten sich ab. Das ist unser aller Ende, prophezeite jemand voller Verzeiflung, wir fahren in unseren eigenen Särgen! — AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHH!!!!!!!!!!!!!!, zeriss daraufhin infernalisches Brüllen die vom Taifunausläufer getriebenen, pfeifenden Windmas-sen. Als Ramóns zusammenfahrende Anvertraute ihre Köpfe herumrissen, blickten zwei am Heck sitzende 17 jährige Mädchen mit zu hässlich verzerrten Fratzen erstarrten Gesichtszügen auf das Menschen verschlingen wollende Wasser. Bei-den hatte gerade Gevatter Tod einen üblen Streich gespielt, als er plötzlich aus den unergründlichen Tiefen der Bay of Tokyo, ihnen dabei hämisch zugrinsend, emporzutauchen schien. Plötzlich jedoch wurde der Blick bitterböse, und kurz vor Erreichen der Wasserlinie hielt das Totengerippe den auf dem Schulhof stets auf-gestylt umherstolzierenden Oberstufenköniginnen, Demütigerinnen ungezählter Jungenherzen, mit einer Hand die rieselnde Sanduhr entgegen. Mit der anderen hingegen holte es ohne jede Vorwarnung aus, und drei Zentimeter vor ihren bild-hübschen Gesichtern zerschnitt rasiermesserscharfer Stahl die Luft: NEEEEEEEEE-EEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNN!!!!!!!!!!!! BITTE, BITTE NIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII-CCCHHHHHHHTTTTTTTTTTTTT!!!!!!!!!!!!!, bettelten die Cheerleaderinnen fest um-schlungen verzweifelt um ihr junges Leben. Doch da schnellte das Erntegerät be-reits peitschenartig knallend wieder ins Wasser, und mit dem Ausruf Ich wünsche euch noch eine schöne Kreuzfahrt, Mädels! tauchte der Sensenmann, so mysteri-ös wie er gekommen war, auf den Grund des Buchtareals zurück.
Angesichts zweier mit dem Tod feilschenden Jugendlichen verkrallte sich die jun-ge Verlobte in den bergenden Schoß ihres Liebsten. Du, Putzelihaseli, ist es jetzt soweit? Sterben wir nun?, fragte sie ängstlich. Florian wollte antworten, doch der Pazifische Ozean kam ihm dabei zuvor, als er, der seine Jennymaus über alles liebte, just in dieser Sekunde von einer auftreffenden Bugwelle mehrere Liter salzi- ger Brühe ins Gesicht geschüttet bekam. Und während Putzelihaseli ungenießba-res Nass spuckte sowie hustend nach Luft japste, deuteten manche Bibelfeste sol-che Bilder als klare Bewahrheitung von Mt. 25,13, wo Jesus seinen Jüngern er-klärt: Wachet also, denn ihr wißt weder den Tag noch die Stunde!; schien offen- sichtlich doch der Allmächtige selbst in dieser Situation bestimmte Fragestellun-gen nicht zu dulden. Zuversicht kam auf.
Statt ihm nämlich für so viel umsichtiges Sicherheitsdenken an Bord mit einem auf-richtigen Thank you very much, Sir. God bless you! zu antworten, verzogen sich vielmehr prompt mürrisch sämtliche Mienen, und auch die charmant formulierte Durchsage vom Käpt’n persönlich, jeder Landgänger bekäme gegen Ticketvorla- ge anstandslos den Ausflugspreis voll zurückerstattet, rettete Joe Baker nicht vor der bitteren Erkenntnis, wozu ungehaltene, sich um viel Spaß betrogen fühlende Massen trotz kulanter Ausgleichsregelungengsangebote fähig sind.
Um die inzwischen explosive Stimmung mit dem innovativen Zaubertrick schnell unter Kontrolle zu bekommen, rief der Kaiser aller Kreuzfahrtdirektoren sofort sei-ne Kollegin Linda an: The Happy-Team, cuty! The Happy-Team must come immedi-ately to deck 4 near the Happy Eating! There’s damned moodiness here! — Oh my God! What’s going on there, Joe? You need 8? Or 14?, wollte daraufhin die Managerin für Bordanimation mit niederländischem Akzent wissen. Gimme all you have, sweety!!!, lautete die Antwort. Und Julius Cäsars Diensthandy steckte anschließend keine fünf Minuten wieder im echt ledernen Etui, als sich vom Heck 28 kunterbunte Clowns im Entengang watschelnd und mit hochgestreckten Armen herumfuchtelnd ihrem von Linda angewiesenen Einsatzort näherten.
Endlich! Das Happy-Team war da! Profis. Absolventen weltweit renommiertester Clownschulen. Eine Bordeingreiftruppe, die man in Australien, Chile,
In der Tat: Während Piratenchef Ramón ohne jegliche emotionale Regung als ers-ter fest auf das Höllentor zuhielt, verbreitete sich bei den vollkommen verstörten, im Gesicht grüngefärbten, durchnässten, triefenden Insassen die physikalische Er-kenntnis, dass sie nach Erreichen des geschützten Hafenbeckenn wegen dort zu erwartenden anders gelagerten Kräftewirkungen logischerweise bald von wohltu- endreen Wellen freundlich mit Konnichi-wa! begrüßt würden.
Innerlich felsenfest davon überzeugt, das Schlimmste sei überstanden, blickten 43 Gezeichnete hoffnungsfroh auf … da tat des Bolivianers schaukelnder Fingerhut zwei heftige Ruckbewegungen. Yokohamas berüchtigte, von allen Hafenmeistern gefürchtete Beckenzirkulationsströmung hatte zugeschlagen. Dieses Begleitphäno-men Richtung Landesinnere ziehender Taifune (bzw. deren Ausläufer) ensteht im Zusammenhang mit dann stark veränderten Strömungsbedingungen in der Bay of Tokyo, hervorgerufen durch vom Pazifik unaufhörlich hineingepresste Wassermas- sen. Unter immensen Druckverhältnissen bildet sich ein von der versus Tokio flie-ßenden Hauptströmung unabhängiger Arm, welcher als eigenständige Strömung Yokohamas Hafeninnere erfasst und dort im Becken aufgrund mangelnder Ab-flusskapazitäten kreisförmig rotiert. Die starken Rotationskräfte bergen für kleinere Wasserfahrzeuge erhebliche Gefahren, kein Verantwortlicher käm jemals auf die wahnwitzige Idee, bei auftretenden Beckenzirkulationsströmungen auch nur einer einzigen Barkasse Ein- oder Ausfahrten zu gestatten.
Exakt jene wirkende Naturgewalt bekamen nun aber alle acht Tenderboote mit voller Wucht zu spüren. Boliviens nautischer Draufgänger dachte nämlich über-haupt nicht daran, sich vom Kapitän jenes Hafenschiffes, welches man verweifelt den Verrückten entgegengeschickt hatte, Vorschriften machen zu lassen. Vielmehr beantwortete er Aufforderungen nach sofortiger Umkehr lieber folgendermaßen: I’ve taken my orders directly from the glorious Julius Caesar. So beat it, nobody! Doch Ramóns Repertoire für solche Fälle bestand aus mehr als markiges Sprüche-klopfen, denn obwohl ja bereits mit machbarem Höchsttempo fahrend, röhrte da-zu, begleitet von einem eindeutigen Schuss mit der Leuchtpistole in die Luft, der Motor dermaßen bekräftigend laut auf, dass Tenderboot 2 von dichten Auspuff- schwaden eingehüllt wurde. Nachdem sich die dunklen Schleier endlich gelüftet hatten, erwartete 52 Rußgestalten Grauenvolles. Auf dem Sitzplatz kauerte Sig-nore di Augustini, beide Knie angehoben, und starren Blickes malträtierte er mit klappernden Zähnen hungrig sämtliche Fingerkuppen, aber, oh, welch Albtraum, ohne den beißenden Schmerz im Geringsten zu spüren. Warum auch? Denn was konnte ihm jetzt noch menschliche Gefühle vermitteln, egal ob Freude, Kummer, Glück oder Qual, glaubte der Gelehrte doch vorhin trotz Dieseldunstes am eiser-nen Brückengebilde hoch über ihnen Dantes ermutigende Torinschrift, Canto III, 9 deutlich gelesen zu haben: LASCIATE OGNI SPERANZA, VOI CH‘ ENTRATE. Was? Was? Was?
Vom starken Sog unentrinnbar gepackt wurde also jetzt ein Pendelboot nach dem anderen wie von unsichtbaren, unheimlichen Händen ins Hafeninnere hineinge-zogen, wo sie das beschriebene Rotationsphänomen zum hilflosen Befahren gro-ßer kreisförmiger Bahnen nötigte. Selbst Ramón, dem alten Haudegen aus Potosi, gelang es angesichts solcher Kräfte nicht, mit einem seiner kühnen, waghalsigen Tricks den Teufelskreis zu durchbrechen. So drehte die Bootsperlenkette insgesamt 87, letzte vorhandene Ressourcen auffressende Runden, bis etwa 400 hochgra-dig Wassergestörte gegen 15.30 Uhr endlich Japans Boden unter den Füßen spürten. Einzig und allein der Universitätsdozent verweigerte aus gutem Grund beharrlich das Aussteigen. Er zog es beim Vernehmen des ihnen zur Vermeidung weiterer Zeitverluste rauh zugeworfenen Rufes Davai, davai, get out of the boat, terminal entry is right over there! vor, auf seiner sich am Pier Gott sei Dank nur noch sanft bewegenden harten Sitzbank lieber Finger beißend die Rückkehr aller übrigen aus den Pendelbooten torkelnden Landgänger abzuwarten statt törichter-weise immer tiefer ins höllische Inferno hinunterzusteigen. Ein klug gefasster Ent-schluss, professore, denn Canto VIII, 79-81 besingt ja bekanntlich, wie Vergil und Dante, nach langer Ruderfahrt endlich in Dis angekommen, dort vom Fährmann barschen Tones der Weiterweg angezeigt wird; und ernsthaft, wer möchte seine Hände dafür ins Feuer legen, am 26. Oktober 2000 hätte das zum zügigen Ver-lassen mahnende italienische Crewmitglied nicht dieselben Worte gefaucht:
Non sanza prima far grande aggirata,
venimmo in parte dove il nocchier forte
Usciteci gridò: qui è l’entrata.
Doch selbst wenn dem nicht so gewesen sein sollte … Dantes Experte hätte kaum Nenneswertes versäumt, denn ausgelassene touristische Aufbruchsstimmung sieht erfahrungsgemäß anders aus. Statt am Fährterminal auf längst abfahrbereite Bus-se zueilende Menschenströme, schleppte sich unter den Augen verwunderter Ja-paner ein müder Pulk seekranker, halbtoter Jammerfiguren schnurstracks Yokoha-mas Corniche entgegen. Niemandem war mehr nach neuerlichen Einsteigeproze-duren zumute, alle hatten nur noch einen einzigen brennenden Herzenswunsch: irgendwo entlang der Promenade in Ruhe gelassen zu werden.
Lediglich der freche Knirps samt vorlauter Schwester dachte trotz Magenkrämp-fen und Brechattacken im Traum nicht ans vorschnelle Aufgeben, nein, niemals wollte das Geschwisterpaar nach erlittener Tortur auf Yokohamas China Town gänzlich verzichten. Leon hatte nämlich kurz vor Ferienbeginn als zukünftiger Kreuzfahrer neidischen Mitschülern, ja, sogar missgünstigen Lehrern gegenüber angeberisch geprahlt, ER werde das markante Eingangstor selbst ohne spätere Bildbearbeitungen 100.000 Mal bunter fotografieren als es im Reiseführer oder auf Webseiten abgebildet sei. Und weil jenes Zielobjekt zufällig nur 30 Meter entfernt lag, durften sie mit ihren Brechtüten in der Hand, welche zuvorkommend denkende Verkäufer eines Pommes Frites Wagens höflicherweise gleich für die ungefähr 400 anwankenden Fremden aus dem nahen Vorratslager holen ließen, kurz gemeinsam dorthin gehen. Ach, du armer, armer Leon! Infolge gravierender Zeitverluste entsprach der aktuelle Sonnenstand kaum noch dessen anspruchsvol-len Erwartungen als baldiger Instagram-Trendsetter aus dem Rhein-Main Gebiet, was auch seine auserkorene Managerin Pia missmutig erkannte: Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott! Leon! In der Klasse werden sie dich für immer aus-lachen! Du bist voll blamiert, Leon! Und peinlich! Oh mein Gott, oh mein Gott, oh ein Gott! Alle auf dem Leibniz Gymnasium wissen doch, dass ich dummer-weise deine Schwester bin! Such dir bitte sofort eine neue Schule, Leon!
Um seinem Schwesterherzchen eindrucksvoll zu demonstrieren, dass sie keinen Verlierertyp als Bruder hatte, drehte sich der Herr Siebtklässler zur Corniche um, zeigte mit müdem Arm auf die irgendwo hinter Yokohamas Bay Bridge ankernde Having Fun Forever und zischte rachedurstig (obwohl Leon Superstar vor Bauch-schmerzen kaum aufrecht stehen konnte): Du, ich schwör’s, dir, Pia, das wird Joe mir büßen! Ja, ich schwör’s dir! Und megastolz über ihren endlich wieder coolen Internetstar, dem die Zukunft gehörte, ermutigte ihn das Mädchen auf seinem stei-len Karriereweg: Super, Leon, los, mach ihn fertig! Ich hasse Joe für das, was er Mama, Papa und dir angetan hat!!!!
Mit solchen Plänen im Kopf schleppte sich das Geschwisterpaar jene 30 Meter sterbenselend wieder zur Uferpromenade zurück, wo aufgrund fortgeschrittener Tageszeit (es war bereits 17.15 Uhr) mehrere Bootsführer mit ohrenbetäubendem Megafonkrach unerbittlich planmäßiges Wiedereinsteigen forderten. Ohje, ohje! Wie gerne hätten alle jetzt viel lieber in Yokohama übernachtet und nach ent-spannendem Badegenuss im kuscheligen Hotelbett auf Veranstalterkosten Erho-lung vom strapaziösen Reisetag gefunden, aber die Antreiber zeigten keinerlei Mitgefühl. Vielmehr hallte es als Antwort aus ihren Sprechgeräten unwirsch die Corniche entlang: OK FOLKS. THERE’S NO TIME FOR SILLY JOKES. YOU HAVE EXACTLY TWO POSSIBILITIES RIGHT NOW: ENTERING THE BOAT OR STAY HERE! Da fiel keinem das richtige Auswählen schwer, und professionell wurden die armen Teufel wieder auf jenes Wasser gejagt, über das sie einst angetendert kamen, bis zum erlösenden Anlegen am Kreuzfahrtschiff jede Sekunde den stets eine Handbreit unter ihren Pendelbooten mitschwimmenden Tod vor Augen. Der einzige in ihren späteren Reiseerinnerungen positiv aufleuchtende Unterschied im Vergleich zur Hinfahrt bestand darin, dass sie Dank schwächer gewordener Bec-kenzirkulationsströmungsverhältnisse diesmal zum Durchfahren des Höllentores le-diglich 55 Ehrenrunden benötigten.
Als man die Tagesausflüger endlich peu à peu an der Having Fun Forever auslud, wurden alle Ausflugsrückkehrer von fassungslos ihre Hände an den Mund pres-senden Zurückgebliebenen längst sehnsüchtigst erwartet, allen voran Joe Baker, dem es Jesus! stammelnd wie Schuppen von den Augen fiel, auf was für ein Him-melfahrtskommando er am Vormittag die gierigen Erlebnishungrigen geschickt hatte. Da war es auch kein richtiger Trost mehr, dass niemand unterwegs von der gefräßigen Tokio-Bucht verschluckt worden war, denn als sich Leon und Pia unter Krämpfen windend an seinen Gesichtsausdrücken vorbeischleppten fuhr ihn der Bub, bevor er zur Reeling sprang, um sich zum inzwischen ungezählten Male zu übergeben, mit letztem Aufbäumen an: Joe!!! For these thing will my father you behind swedish gardines bring! Fünftklässlerin Pia krönte sogar noch seine Dro-hung mit fremsprachlich ebenso talentierten Worten Oooooohh yes, Joe. Therefor will you in Sweden bepay!!!!, bevor sie mit ihren Eltern schleunigst Leons vorge-gebener Richtung folgte.
Danny Brown, der neben Joe Baker stand und diese dreisten Kinderbemerkungen mitanhörte, klopfte dem abstürzenden Kometen leutselig auf dessen Schultern und sprach mitleidig: Don’t worry, Julius, just kids. However, but you know the rules, and Sing from Mumbai is waitng for you in the dry cleaners. I’m sure that you’ll do a great job at the flat-machine. Bye, Joe. Resignierend senkte der sterbende Imperator den Kopf, und so als ob er sich von der ganzen Welt verraten fühlte erklangen abschließend leise hauchend jene berühmten Worte aus William Sha-kespaers Drama Julius Caeser, III,1: Et tu, Brute?, woraufhin sein Adoptivsohn, ebenfalls im Text bewandert, zitierte: Than fall, Caesar!
Und seit diesem Tag wird alljährlich am 26. Oktober vom Stadtmagistrat eine Pe-tition beim Regierungsparlament eingereicht mit der Bitte um wohlwollende politi-sche Prüfung, ob Shogun Tokugawa Japan 1603 eventuell doch nicht ganz zu Unrecht vom Rest der Welt abgeschottet hätte, denn Touristenauftritte solcher Art werde man in Yokohama kein zweites Mal hinnehmen.
Wie aber ging es auf der Having Fun Forever weiter?
Obgleich in grottosbadem Schulenglisch vorgetragen, hatte Brutus als Mutterspra-chler die sich zwischen den Zeilen befindliche Kernbotschaft deutlich herausge-hört, weshalb er pflichtbewusst umgehend der allerhöchsten Bordinstanz darüber Meldung machte. Reaktionsschnell leitete Kapitän Igor deren hochbrisasnten In-halt wiederum an Dick Springletown in Miami weiter, welcher sofort den für sol-che Fälle vorgesehenen Krisenstab tagen ließ.
Um jene bedenkliche Eventualitäten, welche von Najib, dem Leitenden Ingenieur aus Kuala Lumpur, auf der Brücke genannt worden war, gleich kategorisch auszu-schließen, beschloss man auf Anraten versierter Anwälte, die Having Fun Forever nach erfolgreich beendeter Umrundung Japans unter dem Vorwand dringender Reparaturarbeiten erneut aus Fukuoka auslaufen zu lassen. Als die letzten Passa-giere dort frühmorgens von Bord gegangen waren, schickte man sie am Mittag noch Volldampf voraus nach Usubalkusafulien, jenem damals wohl gefährlichsten Krisenherd weltweit, wo infolge höherer Gewalt verschwundene potentielle Spu-ren etwaigen Klagen keine Angriffsflächen bieten sollten.
Im Werftarbeiten günstiger als Papenburg anbieten könnenden Atlantikhafen Port Belike kaum eingelaufen, machte sich Danny Brown, perfekt getarnt als einfacher Schiffsarbeiter, auch schon eifrig ans Werk und begann zuverlässig mit dem Aus-führen jenes ihm auf Dick Springletowns Luxusyacht zwischen Miami und den Ba-hamas übertragenen Spezialauftrags. Mit Pinsel und Leuchtfarbe gut ausgestattet übertünchte er flink den ruhmvollen Schiffsnamen, um ihn durch einen glorreiche-ren zu ersetzen: D A L I B A L U. Drei Tage später erreichten im bürgerkriegsge-schüttelten Land operierende Söldner beim Vormarsch auf das Präsidentenpalais Port Belike, und als ihr Anführer den in gewaltigen Lettern glänzenden Schrifftzug erspähte, sprach er freudig: Stopp, Jungs! Schaut euch mal den Pott dort an. Irre ich mich, oder ist das nicht das Privatschiff dieses dekadenten, Zigarre rauchen-den Fettsacks? — Klar, Heiner, du hast Recht! Hahahahaha, aber verlass dich da-rauf, nicht mehr lange!, kam von seinen wackeren Mannen wie aus einem Mund die Antwort, woraufhin innerhalb weniger Minuten der Abendhimmel nicht nur im orangefarbenen Sonnenuntergangslicht über dem Ozean erstrahlte.
Somit vollendete im Hafen von Port Belike Kommandant Heiners bunt zusammen- gewürfelter Landsknechtshaufen, was Bewohnern Bogotás an Bord vor Yokohama nicht vergönnt war. Zwei Stunden lang brannte das Präsidentenschiff DALIBALU lichterloh, bis mehrere schwere Explosionen den internationalen Branchenstolz schließlich unter dem Gejohle sich dabei zuprostender Kämpfer in die Luft fliegen ließen. Mit ihren Trümmern versanken außerdem sämtliche für Richter bei ange-setzten Ortsterminen eventuell verwertbare juristische Anhaltspunkte, weshalb tat-sächlich alle eingehenden Klagen aufgrund eines bedauerlicherweise durch vor-rückende, 62%ig whiskeybenebelte Rebellen vernichteten eindeutigen Beweisob-jektes abgewiesen wurden; wie es jemand auf der Brücke präzise orakelt hatte.
Nach diesem zugegebenemaßen am Ende wesentlich länger als ursprünglich ge-plant ausgefallenen Einschub schweift unser Blick von Nippon wieder hinüber zu den Vereinigten Staaten, und durch ihn ist es für Sie, liebe treue Seitenbesucher, nun sicherlich viel nachvollziehbarer geworden, welche ungeheure Brisanz jenem künstlerisch erwähnten Artikel III zugunde liegt. Nur wenn man die dramtischen, Herzen rührenden Ereignisse, welche sich im Oktober 2000 vor sowie in Yoko-hama zutrugen, in ihrem ganzen schonungslosen Ausmaß Revue passieren lässt, ist zumindest ansatzweise erahnbar, warum Danny Brown an den zum Bestaunen vom Colorado River gnädigerweise übriggelassenen Steilabhängen des Grand Canyon alles, wir Karussellpferde betonen: alles, tat, um niemals Joe Bakers Los teilen zu müssen; war Brutus doch nach Caesars jähem Ende von dem in jenem marktbehrrschenden Konzern, für den beide arbeiteten, zuständigen obersten Ko-ordinationsamanager im Bereich Kreuzfahrten/Überlandbusreisen Dick Springle-town, auf oben genannter Yacht mit allen Champagner-, Hummer- und Kaviareh- ren empfangen worden. Verlässliche Crewmitglieder konnten nämlich bestätigen, dass der 26. Oktober 2000 angenehmer verlaufen wäre, wenn, tja, wenn Julius Brutus‘ mahnenden Worten etwas mehr Beachtung geschenkt hätte. So wurden sie im Vorstand auf Danny Browns außergewöhnliche Fähigkeiten bei unerwartet eintretenden, unerfreulichen Situationen aufmerksam, und auf dieser Minikreuz-fahrt, zu der Dick Springletown normalerweise nur Vorstandsmitglieder sowie al-te Schulfreunde einlud, wurde der Last Minute Schnellverkäufer etwa 10 Seemei-len östlich Miamis zum Nachfolger Caesars ausgerufen.
Octavian, der das Attentat selbst miterlebt hatte, wusste allerdings durch dieses nun aus persönlicher Anschauung, wie in Haifischbecken hart erkämpfte Posten wieder verloren gehen. Welchen honoren Treueeidleister auf der Big Deal Lady 1 verwunderte es daher dass, Danny Brown den angetragenen loorbeerbekränzten Ehrentitel Augustus nur unter bestimmten Bedingungen anzunehmen gedachte: Er bäte sich aus, auch weiterhin seiner gewohnten Tätigkeit als kleiner, unbedeuten-der Reiseleiter nachgehen zu dürfen, wenn möglich allerdings fortan auf den be-gehrten großen Rundreisen in vollklimatisierten modernen Komfortbussen. Seinem Herzensanliegen wurde applaudierend entsprochen, und als die Jubelrufe Hail to you, greatest and best Caesar! auf des Atlantiks unendlichen Weiten verklungen waren, beschloss das illustre Völkchen, zudem auf dem nächsten internationalen Branchenkongress jenen einst erfolglos ausgesprochenen Tipp zum allgemeinen Gesetz zu erheben. Und wie hätte Caesar Augustus als Feldherr auf dem Bus-parkplatz in Arizona gegen geltende Kriegsbestimmungen versoßen können, die auf eigenen Eingreifmut zurückgingen?
Wie, fragen wir Karussellpferde daher mit ernsthafter Miene, könnten seriöse Kri-tiker nach den dankbarerweise von der Künstlerin nachträglich eingefügten erklä-renden Erläuterungen jetzt noch weiterhin ernsthaft argwöhnen, es handele sich bei den beanstandeten Passagen um irgendwelche zweitklassige literarische Ab-scheifungen ohne Sinn, allein aus dem Zweck geboren, dem Publikum überhaupt etwas anbieten zu können? Sind Sie nach allem, was Ihnen hier detailliert über den schrecklichen 26. Oktober 2000 an Wissen zugetragen wurde, wirklich wei-terhin felsenfest davon überzeugt, Alessa Marie gehe es um das Füllen leerer Flä-chen, wenn sie jene dramatischen Augenblicke beschreibt, wie Danny Brown mit seinem Diensthandy am Ohr hektisch auf und ab gehend eine aus seiner Sicht ohne eigenes Verschulden irregulär eingetretene Situation zur Sicherung seines Throns es gemäß Artikel III buchstabengetreu abzuwickeln? Kannte er doch jenes eherne machtpolitische Gesetz nur zu genau, welches besagt, dass man sich als Imperator dem loyalen Wohlwollen der Prätorianergarde nie gänzlich sicher sein darf – unter gar keinen Umständen! Ja, Augustus wusste instinktiv, wie bereits die nächsten Kaiseranwärter auf ihren Startpostitionen mit den Hufen scharrten, DEN Fehler herbeilechzend, weshalb bange Unsicherheit Danny Brown umhertrieb, ob denn nun Dick Springletown jene von ihm als „irregulär“ klassifizierte Situation (inclusive präferierte Lösungsmaßnahme „vorzeitiges Heimschicken“ besagter un-angenehm auffallender Touristin samt Familie) genauso „außerordentlich“ einstu-fen sowie anschließend dreimal bestätigen werde
Weil aber Danny Brown vor lauter Diensteifer während des Telefonats mit Miami beim schnellen auf und Ab gehen sowie dabei wild mit dem freien Arm hin und her gestikulierend immer mehr die stark schwindelig machenden Rotationsbewe-gungen von Yokohamas Beckenzirkulationsströmung imitierte, entging ihm völlig, dass sich einer seiner Touristen ebenfalls von den anderen absonderte und ver-stohlen zum hinteren Busteil schlich. Dort angelangt öffnete dieser unter vorsichti- gem Blick Richtung eines glücklicherweise derzeit sehr rotierenden Reiseleiters La-deklappe H, zog ihren schweren Koffer heraus, entnahm ihm diverse Utensilien, und ein jetzt zufällig dorthin schauender Danny Brown hätte sicherlich gedacht, ein Reisender wolle im letzten Moment noch passenderes Schuhwerk für die be-vorstehende anstrengende Wanderung zu den Stromleitungen (beziehungsweise zur Canyonbrücke) anziehen.
Aber gerade weil Danny Brown, im Kreis gefangen, vor lauter dienstlicher Erge-benheit während des Telefonats immer noch schnellen Schrittes sowie dabei wild mit dem freien Arm hin und her fuchtelnd wie ein aufgescheuchtes Huhn umher-eilte, entging ihm ferner, dass jener Tourist anstatt perfekt sitzender Wanderstiefel vielmehr altertümliche Kleidungsstücke im etwa um 1560 in Europa vorherrschen-den Stil angezogen hatte und mit einem zur damaligen Mode passenden ange-klebten langen Spitzenart zurückkkehrte
Hey, was soll das? Lassen Sie mich gefälligst los!, störte plötzlich empörtes Rufen Danny Brown im Ziehen seiner beckenzirkulationsströmungsförmigartigen Kreis-bahnen, der daraufhin kurz anhielt und zum Luxusreisebus schaute. Anschließend setzte er in immer hektischerer Aufregung seine Runden weiter fort, unterbrochen durch regelmäßig eingelegte Zwischenstopps, um Dick Springletown mittels thea-tralischer Armbewegungen, kombiniert mit noch dramatischer wirkenden Finger-zeigen auf die Vordertür eine Erlaubnisertreilung abringen zu können.
Zwischenzeitlich hatte nämlich die lutherische Reformatorin eher unfreiwillig ihren Kanzelplatz räumen müssen. Über ihren Zuhörern ragte stattdessen nun der Kopf jener historisch gekleideten Person hervor. Mit funkelnden Augen, todernstem Ge-sichtsausdruck sowie Augustus bei weitem übertreffenden Armgestikulationen be-gann sie, sehr zum Unwillen des Imperators selber rhetorisch tätig zu werden. Da aber Joe Bakers lorbeerbekränztem Nachfolger noch kein grünes Singallicht aus Florida entgegenleuchtete (ganz abgesehen von den drei anschließend erforderli-chen zermürbenden bittstellerischen Rückversicherungsgesuchen) konnte er dem-nach weder aktiv ins Geschehen eingreifen noch andersweitig tatkräftig reagie-ren. So blieb Danny Brown nichts anderes übrig, als sich weiterhin geduldig mit Unterbrechungen kreisförmig drehend anzuhören, was der neue Redner an wich-tigen Dingen dem Volk entgegenrief.
Ooohh, du sündhaftes, verderbtes Menschengeschlecht, dreimal WEHE DIR!, ließ eine Stimme, messerscharf wie frisch geschliffene Schwerter, die ohnehin durch düstere vulkanologische und seismologische Prognosen der Vorrednerin kurz vor einer Panik stehenden Reisegruppe noch mehr vor Angst zusammenfahren. Sag! Sprich! Rede zu mir! Wie lange noch willst du deine verblendeten, verkommenen Augen von dem gerechten Strafgericht unseres geliebten Herrn abwenden, wel-ches doch schon längst über dich gekommen ist?
Sind hier alle taub oder hört bloß keiner aus Costa Rica das dumpfe Rumoren im Rincón de la Vieja bis hierher nach Arizona dringen? Los, heraus mit der Spra-che, ihr erbärmlichen Sünder, spürt niemand unter seinen sterblichen Füßen ent-setzliches Knirschen aneinander reibender, sich grausam ineinander verhakender Erdplatten? Oder tut ihr alle nur so dumm? Genau, auch DICH meine ich, kleines vorwitziges Lausemädchen! Kannst du bereits diese unerträglichen tektonischen Spannungen, welche sich längst tief unten im Gestein aufgebaut haben, ringshe-rum in der vibireenden Luft fühlen? Ja, es ist eure widerliche Reisegier, die euch inzwischen so verstockt, dass eure stets auf sensationelle Fotomotive schielenden verdorbenen Augen, PFUI ÜBER SIE!, selbst einfachste Zeichen des berechtigten Zornes Gottes nicht mehr richtig erkennen.
Nach diesen Worten legte die historisch gekleidete Person eine kurze Pause ein, zog unter dem Gewand ein dickes Buch hervor, blätterte eifrig darin und setzte dann das Predigen fort, nachdem sie ihre bis ins Mark erschütterte Zuhörerschaft tadelnd angeschaut hatte. Blinde Toren!!! Narren!!! Versteht ihr beim Anblick der angeschwollen Fluten des Colorado River noch immer nicht, was Moses uns sagt, wenn er selbst in 1 Moses 6,5f. spricht: Der Herr sah, wie groß die menschliche Bosheit asuf Erden war, und daß jegliches Gebilde ihrer Herzensgedanken allzeit nur böse war. Es reute ihn, den Menschen gemacht zu haben auf Erden, und er bekam Kummer in seinem Herzen. Und weiter lese ich entsetzt in Vers 7 … auch der aufgeregte Zappelphilipp dahinten mit dem Handy am Ohr hört jetzt gut zu: Der Herr sprach: „Ich will den Menschen, den ich geschaffen habe, vom Erdbo-den vertilgen, vom Menschen bis zum Vieh und zum Kriechtier und zu den Him-melsvöglen. Denn es reut mich, sie gemacht zu haben.“
Ja, Herr, es reicht dir nun endgültig mit der Sünde, das Maß ist voll! Ja, Herr, das musst du dir wirklich nicht länger bieten lassen! Und deshalb geschieht direkt vor euren lasterhaften Augen jetzt genau das, wozu sich Gott in unendlicher Enttäu-schung über die böse Menschheit vor langer Zeit schon einmal entschloss. Ich le-se weiter in 1 Moses 7,19f.: Und die Wasser nahmen immer mehr zu; alle ho-hen Berge unter dem ganzen Himmel wurden bedeckt. Fünfzehn Ellen darüber stiegen die Wasser; so wurden die Berge bedeckt. Zorngericht Gottes, oh komm nun schnell herbei und mach dieser undankbaren Welt ein Ende!
Plötzlich fuhr der Blick des Predigers wie auf geheime Befehle reagierend zum Himmel empor, und gellende Jammerklagen versetzten die durch das bisher Ver-nommene beim lauschenden Kirchenpublikum ohnehin blank liegenden Nerven in noch heftigere Schwingungen. Nein, oh Herr, bitte lass ab von meinen Augen, nein, nicht wieder diese schrecklichen Visionen!!!!, flehte es eindringlich Richtung höhrerer Sphären. Doch diese zeigten sich davon gänzlich unbeeindruckt, denn der schockierte Seher bedeckte kurz darauf verzweifelt mit beiden Händen sein vom visuellen Horror gezeichnetes Gesicht: Nein, nein, nein, nicht solche Bilder! Oh Herr, erwähle andere, um diesen bemitleidenswerten Kreaturen solche grau-envollen Mitteilungen machen zu müssen!!! Oh Herr, nein, ich will nicht, zwinge mich jetzt niaaaaaaaaaaaaaahhh, ich sehe im Nationalpartk Rincón de la Vieja mit grummelndem Donnergetöse 73 Erdspalten aufreißen, alle etwa 300 Meter tief, und 246 zischende Wasserfontänen, jede von ihnen dreimal höher als der Eiffelturm, jede von ihnen weit über 800°C heiß, schießen nach oben. Durch ihre gewaltigen Dampfschwaden kommt binnen weniger Minuten der Schiffsverkehr auf dem Panamkanal vollständig zum Erliegen.
Und jene mit Urgewalt aus dem Schlund des Nationalparks tretenden kochenden Wassermassen ergießen sich … neeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiinnnnnnnnnnnn, oh Herr, bitte nicht dorthin!!!!, in den Rio Colorado, der sich nun als alles fressendes, alles zerfleischendes, mörderisches Flussmonster, im Kopf vollkommen wahnsinnig, sei-nen Weg nach Arizona bahnt. ZU EUCH! Deshalb dreimal WEHE DIR!, du sünd-haftes, verderbtes Menschengeschlecht, dort wo das Ungeheuer vorbei rast, wird ihm nämlich eine gurgelnde Flutwelle auf den Klauen folgen und alles um ihn he-rum unaufhörlich unter siedendheißes Wasser setzen; bis Gott den Mount Everest mit seinen Blicken endlich vergeblich sucht.
Als auf diese düsteren Ankündigungen hin tumultartige Szenen ausbrachen, die ersten schluchzend auf die Kniee sanken und anfingen, dem Endzeitvisionär ihre ellenlangen Sündenregister aufzuzählen, lenkte der Himmel aber schließlich doch noch ein. Mit huldvollen Winkbewegungen, welche denen von Danny Brown ver-blüffend ähnelten, gebot das Gewehr Gottes gönnerhaft Einhalt, änderte Stimme sowie Wortwahl, sodass nur kurze Zeit später für alle Reiseteilnehmer wieder be-rechtigter Optimismus bestand.
Doch auch angesichts der unabwandbaren Apokalypse gilt glücklicherweise das, was so tröstlich stehet bei 1 Petrus 1,25: Das Wort des Herrn aber bleibt in Ewig- keit. Und Gott persönlich wünscht ausdrücklich, dass seine wunderbare Verhei-ßung hier, im US-Bundestaat Arizona, am Grand Canyon an euch, geliebte Brü-der und Schwestern, weitergegeben wird. Hat er doch mich (hier an dieser Stelle streckte die historisch gekleidete Person mit verzückten Blicken beide Arme pathe-tisch empor), DIE 11. REINKARNATION VON JOHANNES CALVIN AUS GENF, extra damit beauftragt, euch allen unschlagbare Heilsangebote zu unterbreiten, mit deren Hilfe ihr als automatisch zum Paradies Vorherbestimmte Sintflut Num-mer 2 in einer von meinen strenggläubigsten Mitarbeitern gebauten Arche gelas-sen entgegensehen könnt. Denn es bedenke jeder Mann, jede Frau, jedes Kind: Bald wird überall, wo gerade kamerabehangene Menschen sinn- und nutzlos he-rumstehen, sensationslüstern den Stromtrassen und der Canyonbrücke entgegen- fiebern, selbstverliebt nach schmeichelnden Likes und Honig um’s Maul schmie-renden Claqeuren geifernd, HA, nur noch zischendes, kochendes, dampfendes, brodelndes Urmeer wüten, und weder vom Grand Canyon, von Arizona, Bhutan, Mallorca, Deutschland, Bhutan, den Cayman Inseln, Madagaskar, der Ukraine, Grönland noch Ost-Timor, weder von Accounts, Blogs noch sozialen Netzwerken, wird irgendein Quadratmillimeter mehr zu sehen sein.
Hört jetzt darum bitte genaustens zu!, drang es von der Stufenkanzel ohne Unter-lass an die Ohren angesichts bald zu erwartender Höchstpegelstände ihrer Ret-tung entgegenfiebernder Rundfahrteilnehmer. Gottes großzügige Offerte ist leider streng limitiert, sie gilt ausschießlich hier auf dem hiesigen Parkplatz, und das nur für 60 Minuten – ab jetzt gezählt. UND, ich möchte es an dieser Stelle ganz be-sonders betonen: Sie ist gemäß Gesetzeslage des US-Bundestaates Arizona aus-schließlich Insassen des Busses mit der Nummer 11 vorbehalten.
Darum: Oh! Frohlocket, Auserwählte! Welche große, unverdiente Gnade ist euch heute vom Herrn beschieden worden! Endlich dürft ihr, und nur ihr, wieder neuen Mut fassen sowie gleich mein exklusives „Rundum-sorgolos-in-Heaven“ Paket zum Schnäppchen-Sofortbucherabatt fast geschenkt erwerben, welches allein seinen Käufern erlaubt, bald, wenn unsere Erdkugel nur noch von blubbernden, heißen, schweflig riechenden Fluten bedeckt sein wird, als prädestinierte Kinder Gottes die komfortablen First Class Außenkabinen der Arche wie den Garten Eden ver-schwenderisch genießen zu können. Genau das ist jene Mitteilung, über die ich erneut bei 1 Petrus 1,25 erquickend lese: Dieses „Wort“ ist die Frohbotschaft, die an euch erging.
Busnummer 11? Oh, das sind ja wir!, rief jenes ältere Ehepaar, welches vorhin die noch ziemlich junge Touristin aus Hessen als neuen Luther gefeiert hatte, und dessen angesichts drohender ewiger Verdammnis fast vollständig erstarrte Mimik schnell glücklichen, zuversichtlichen Zügen gewichen war. Sagen Sie, was erwar-tet uns denn bei Ihrem Reiseangebot?
Mit sanfter, überzeugneder, tiefes Vertrauen erweckender Tonlage entgegnete da-raufhin Johannes Calvins 11. Reinkarnation: Ich bin wirklich zutiefst gerührt, und meine Seele jubelt dem Herrn Zabaoth immerdar ein Lied vor unsagbarer Freude, dass im vom Teufel beherrschten finsteren Weltenlauf noch einzelne Lichtpunkte glänzen, die mit unverwüstlich kindlichem Glauben Gottes rettender Liebe ihren reinen Herzen Einlass gewähren. Amen, Amen, ich sage euch, es soll euer Scha-de nicht sein! Wir unternehmen nämlich eine siebentägige Pilgertour nach Israel, wo nach Ankunft in Tel Aviv Ihr Weg gleich weiter zum Jordan führt, biblisch be-rühmt als Wirkstätte Johannes des Täufers. Aus organisatorischen Gründen muss unser Bustransfer vom Flughafen schnellstmöglich erfolgen, um seine Quelle recht-zeitig vor den setig steigenden Ufern des Mittelmeeres zu erreichen, weshalb Fo-tostopps unterwegs leider nicht möglich sind. Als Ausgleich steht jedoch für sämt-liche Teilnehmer bald schon der krönende Höhepunkt dieser Reise auf dem Pro-gramm, ihre Taufe! Bleiben Sie einfach entspannt, alles ist vom Presbyterium be-reits wunderbar vorbereitet, und ich persönlich werde nun die Zeremonie an je-dem einzelnen vornehmen. Sämtliche Taufabsolventen erhalten auf Althebräisch, Altgriechisch sowie Latein abgefasste Urkunden ausgehändigt, die sie beim Be-treten der Arche den Kontrolleuren bitte u n a u f g e f o r d e r t vorzeigen. Nur so kann Prädestinationsmissbrauch vermieden werden.
Und wenn Sie dann nach der ergreifenden Handlungsakt endlich zu den vorher-bestimmten Erwählten zählen, erfuhr das gebannt an den Lippen des offenkundig vom Himmel gekommenen Heilsbringers hängende ältere Ehepaar weiter, dürfen sich anschließend alle auf einer nahe der Jordanquelle liegenden großen Wiese gemütlich niederlassen, wo ich auf Französisch predigen und gar höchst erstaun-liche Wunderwerke vollbringen werde, sodass keiner dort jemals seine getätigte Buchung bereut.
Nachdem Sie aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen sind, erhält jeder von Ihnen selbstverständlich ausreichend Zeit zur freien Besichtigung des Jordan-Quellgebietes mit seinen zahlreichen Heilbornen, und wer weiß, vielleicht begeg-net an einen von diesen dem werten Herrn oder der gnädigen Frau ja gleich das nächste Wundererlebnis. Oder gehen Sie einfach ein Stück am jungen Flüsschen spazieren und schöpfen dabei ausreichend Kraft für die anstrengenden kommen-den Tage auf dem kochend anschwellenden Mittelmeer, sobald wir uns im Hafen von Haifa eingearcht haben.
Selbstverständlich hat mein exklusiv für Sie beide zusammengestelltes Reisepaket darüber hinaus zusätzliche Highlights zu bieten. Damit nämlich auch der kulturel-le Aspekt nicht zu kurz kommt, werden wir unterwegs zahllose Monumente unter-schiedlicher Epochen besichtigen, wo, und dafür verbirge ich mich, Gelegenheit genug zum Kauf von Souvenirs und regionalen Produkten besteht.
Um späteren Reisepreisminderungsansprüchen jedoch gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen, erkläre ich vorsichtshalber rechtsverbindlich, dass sowohl er-wähnte freie Zeitgewährungen, kulturelle Besichtigungen als auch Kaufgelegen-heiten unter strengem Verbehalt erfolgen. Im Fall erster Warnzeichen verdächtig weit überspülter Strände werden wir selbstverständlich schnurstracks nach Haifa aufbrechen, weil nun die Einarchung zu Ihrer eigenen Sicherheit oberste Priorität besitzt.
Ähm, Herr Calvin, angenommen das klappt mit dem guten Wetter, was gibt es denn da genau zu sehen?, wollten daraufhin mehrere neugierig aufhorchende Reisende interessiert wissen. Auf solche nicht unberechtigten Fragestellungen bes-tens vorbereitet, so als ob sie erwartet worden wären, antwortete die historisch gekleidete Person schlagfertig: Danke für Ihr Nachhaken! Unter anderem werden wir unter fachkundiger Führung einer als Römerin verkleideten hübschen Latein-studentin vollständig erhaltene römische Thermenbecken aus dem 3. Jahrhundert nach Christus besichtigen und uns anschließend von ihr nach dem Kochbuch des Apicius zubereitete Speisen schmecken lassen. Bringen Sie daher herzhaften Ap-petit mit! Ich weise jedoch an dieser Stelle die Männerwelt darauf hin, folgendes bitte zu beachten: Die junge Dame ist glücklich vergeben und wünscht keine Flirt-versuche! Auch nicht auf Lateinisch!
Frisch gestärkt setzen wir unsere Fahrt fort, denn wahre architektonische Juwel-schätze brennen förmlich darauf, nach so vielen Jahrhunderten endlich von Ihnen entdeckt zu werden. Kommen Sie beim Erkundigen der als Burgruine erhaltenen, ehemals mächtigsten Kreuzritterfestung mit dem Fotografieren nicht mehr zur Ru-he. Schwören Sie allerspätestens während des Betretens im eigentümlichen roma- nisch-gotischen Kreuzfahrerbaustil erbauter Kirchen und Klosteranlagen, dass die Existenz jene Epoche niemals aufgehört, anders als es einschlägige Mittelalter-märkte Ihnen vorgaukeln. Zumal der Freund der Lateinstudentin, ein angehender Historiker, während des abendlichen Hotelanimationsprogramms mit dem Sketch „Ich bin Robin Hood!“ noch für zusätzlichen Realismus sorgen wird.
Ei, weil sie eben die Hotels erwähnen tun … sind die bei Ihnen all inclusive, und hat die Bar dann auch wirklich 24 Stunden rund um die Uhr geöffnet?, wollten zwei befreundete Urlaubsfamilien daraufhin kritisch wissen. Nicht dass wir wie in unserem letzten Urlaub … äh … wo wo war das nochmal 2017 … Djerba oder Varna? … egal, schon um 20.30 Uhr keinen Gin Tonic mehr bekommen!
Auf solche berechtigten, misstrauischen Fragestellungen ebenfalls optimal vorbe-reitet, so als ob sie erst recht erwartet worden wären, öffnete Johannes Calvins 11. Reinkarnation sogleich ihre große Tasche, holte fix einen Stoß Reiseunterla-gen hervor, lächelte gütigst und winkte mit ihm die Busgruppe freundlich etwas weiter heran: Kommen Sie, kommen Sie, treten Sie näher! Haben Sie vor jenen bitteren Urlaubsenttäuschungen, wie sie bei betrügerischen Konkurrenzunterneh- men buchende Ahnungslose leider tagtäglich erleben, keine Angst! Überzeugen Sie sich persönlich von meinem seriösen Exklusivangebot. Es verspricht nicht nur jedem Anwesenden 100%ige Zufriedenheit, nein, sondern garantiert sie auch. Und wie schon einst Paulus zu seinen Zeitgenossen, flehe ich ebenfalls inständig unter flehenden Tränen: Keiner versäume nach dem Durchlesen mit seiner binden-den Vertragsunterschrift die ihm am Grand Canyon von Gott geschenkte Gnade der Buchungschance dankbar strahlend anzunehmen! Und wenn Sie den Reise-kontrakt nicht für mich Unwürdigen unterzeichnen möchten, dann haben Sie bitte ein Herz: Tun sie es für unseren Luther, er soll sein bahnbrechendes „sola gratia“ damals nicht umsonst gelehrt haben.
Doch merken Sie wohl: Egal wie Ihre Entscheidungen ausfallen mögen, seien Sie sich über eine Tatsache fest im klaren: Erdeben und Vulkanausbrüche warten nur ungern darauf, dass man höflich fragt, ob sie nicht die sintflutartigen Wassermas-sen des Colorado River vielleicht jetzt gerne weiter ansteigen lassen möchten!!!! Wer von Ihnen allen möchte also gleich bei mir buchen?
HEY, WAS SOLL DAS? LASS MICH GEFÄLLIGST LOS!!!!!!!!!, störte wiederum ein empörter Ausruf Danny Brown, der immer noch mit Imitation uns hinlänglich be-kannter Strömungsverhältnisse in Yokohamas Hafenbecken beschäftigt war, uner-schütterlich darauf vertrauend, bald aus Miami grünes Licht zur Ausübung eigen-mächtiger Entscheidungen zu erhalten. Nichts war ihm inzwischen unerträglicher und verhasster geworden als jenes sich permanent wiederholende kreisförmige Rotieren, jene auf seine Mentalverfassung allmählich schwer wie Blei drückende situative Monotonie, in die selbst kunstvolle Gestikulationsvarianten dauerhaft kei-ne wirkliche Abwechslung hineinzubringen vermochten.
Als er auf den Lärm hin erneut kurz anhielt, beide Augen fest in Richtung des gro-ßen Luxusreisebusses gerichtet, setzte der Zarathustra im globalen Reiseleiterge- schäft prompt umso schnelleren Fußes seine Runden fort, war Danny Brown doch gerade gemeinsam mit den übrigen Reisenden schon wieder Zeuge eines an Dra-maturgie kaum zu überbietenden Predigerwechsels geworden. Johannes Calvins 11. Reinkarnation hatte nämlich inzwischen die erste Stufe der vorderen Bustür nicht ganz freiwillig wieder räumen müssen, war es der noch ziemlich jungen hessischen Touristin durch entschlossenes, mutig durchgeführtes ruckhaftes Zerren am edlen Gewande doch tatsächlich gelungen, sich ihre von allen längst verlo-ren geglaubte Kanzel im Handstreich zurückzuerobern.
Über das Ausmaß dieser Abläufe voll und ganz im Bilde, beschleunigte Danny Brown daraufhin nochmals seine Kreisgeschwindigkeit, erreichte rasch Vmax und zirkulierte anschießend in einem konstant beiberhaltenen Radius von 2,5 Metern jetzt quasi rennend umher, wobei die regelmäßig eingelegten Zwischenstops nun-mehr auch dazu dienten, Kaiser Augustus‘ Diensthandy wirklich soweit wie es nur irgendwie ging, dem Bus entgegenzuhalten. Dick must hear it all! Yes, he must hear it!, schoss es ihm dabei wild durch den Kopf. Ja, Dick Springletown musste unbedingt durch optimalste akustische Verbindungen über den aktuellen Stand unglaublicher Vorgänge auf dem Laufenden gehalten werden, welche von ihren Dimensionen inzwischen weit über einen bloß soeben vollzogenen Redner-tausch hinausgingen.
Denn zu des großen Imperators Bestürzung war im Rahmen seiner aufrichtigen Berichterstattung nach Miami der für ihn äußerst erschwerende Umstand hinzuge-kommen, dass bei etlichen Touristen zeitgleich mit dem Signieren ihrer Reisever-träge abprupte Stimmungsschwankungen einsetzten. Der gebürtige Franzose aus Noyon hatte sich nämlich als reformierter Prediger im Eifer des Gefechts unglück-licherweise zu einer sehr folgenschweren Fehleinschätzung des gläubigen Volkes verleiten lassen. Vom süßen Duft verlockender, vertraglich garantierter Verheißun-gen betört, übersahen diese Reisenden vollkommen das uns bei Mt. 26,41 über-lieferte mahende Wort des Herrn an Petrus: Wachet und betet, damit ihr nicht Versuch fallet! Der Geist ist zwar willig, das Fleisch aber ist schwach.
Angesichts eben gebuchter komfortabler First Class Außenkabinen mit Blick auf das kochende Mittelmeer sorglos geworden, geriet bei ihnen das charismatische Auftreten des Sohns eines Bischofsbeamten schnell in Vergessenheit. Wie Men-schen auftretend, die sich alles erlauben können, wie Leute, die sich ihrer Sache absolut sicher sind, wie Personen, die genau wissen, dass ihnen jetzt keiner mehr etwas kann, hielten sie vielmehr ihre Buchungsunterlagen dem Himmel entgegen, so von deren Macht überzeugt, dass sich zwei ältere Damen aus der Gruppe bei solchen Bildern spontan an jene, inzwischen lange zurückliegende Wallfahrt nach Santiago de Compostela erinnert fühlten, als sie einst im kühlenden Schat-ten der mächtigen Kathedrale staunend bemerkten, wie zahllose erschöpft an-kommende Pilger gleich zum Kirchenbüro stürmten, um wenige Momente später der Öffentlichkeit freudetrahlend ihre dort erhaltene, Petrus am Himmelstor vorzu-zeigende Einlassurkunde zum Paradies präsentieren zu können.
Verflogen war also dank des Genfer Reformators 11. Reinkarnation lähmende Angst, vorbei bibberndes Zittern, vorüber panische Schweißausbrüche, an deren Stelle nun bedenklich leichtfertige Umgangsweisen bezüglich ihrer strengen Mah-nung zur rettenden Taufe im Heiligen Land traten, welche das Auditorium noch vor wenigen Minuten Hals über Kopf zum freundlich entgegengehaltenen Kugel-schreiber greifen ließ. Und nachdem sie also die Pflicht fürs Seelenheil buchungs-technisch absoviert hatten, verstaute ein jeder siegesgewiß seine käuflich erwor-bene Prädestination fein säuberlich im Gepäck, um sogleich zur Kür, dem gemüt-lichen Teil des Tagesprogramms überzugehen. Anstatt nämlich per Samrtphone oder Notebook für die bevorstehende Pilgerreise gleich vor Ort passende Bußge-wänder kostengünstig bei amazon zu bestellen, nutzte besagter Personenkreis eiskalt die durch Johannes Calvins Geschäftsgeschick gekommene Chance zum Fallenlassen bislang geschickt getragender harmloser Touristenmasken, wodurch schlagartig ihre wahren, hässlichen Fratzen als von Danny Brown so dermaßen gefürchtete Nutzer Sozialer Netzwerke sichtbar wurden. Selbst dem Theologen dämmerte es angesichts eines sich mit der Faust an den Kopf klopfenden, ihm dabei wütende Dankesblicke für erwiesene Bärendienste zuwerfenden Reiselei-ters allmählich, dass er mit seiner Prädestinationslehre wohl eher ein dickes Ei-gentor geschossen hatte. Zu spät. Keinen Gläubigen kümmerten jetzt irgendwel-che mahnenden Prophzeiungen, die Tage der Welt und des Internets seien was-sertechnisch gezählt. Niemand zerbrach sich mehr über bevorstehende Sintfluten den Kopf. Doch wir Karussellpferde fragen ganz ehrlich: Weshalb hättet ihr auch anders reagieren sollen, Auserwählte? Sich anscheinend genau derselben Über-legung bewusst ließen sie den lieben Gott einen guten Mann sein, zückten Foto-kameras, Smartphones, Notebooks, iPhones oder Videokameras und verstießen mit dem Equipment unverfroren gegen den von Kaiser Augustus vorhin erteilten Befehle, indem jene spannenden Live-Geschehnisse als qualitativ hochwertiges Bildmaterial dank erstaunlich hervorragender WLAN-Bedingungen vor Ort zeit-nah auf unterschiedlichsten Portalen erschienen. Und eine Aura ausgelassener Fröhlichkeit umgab bald schon den Busparkplatz, verwandelte seine breitflächige Anlage in ein Elysium unbeschwerter Heiterkeit. Selbst Zeitgenossen, denen akti-ve Internetpräsenz bislang stets höchstgradig suspekt erschienen war, ließen sich von den alten Hasen auf Blogger, Facebook, Intagram & Co urplötzlich anstec-ken und bereitwillig fachliche Unterstützung beim unstillbaren Wunsch nach eige-nen Accounts gewähren. Jeder wollte dabei sein, keiner etwas verpassen, alle wollten wie einst Leon in Yokohama zu Internetstars avancieren, sobald jene prophezeite Naturkatastrophe von Costa Rica aus endlich die weite Welt fluten würde. Selbst abgebrühteste Twitterprofis, lärmten erfasst vom Rausch wallender Glücksgefühle gemeinsam mit ihren gerade frisch angelernten Anfängerkollegen geschwisterlich im Chor, huldigten, applaudierten dem drastisch geschilderten, sehnsüchtig erwarteten Szenario, riefen „Wow, gerade erst meinen Account ge-macht und schon drei Likes für’s erste Busparkpklatzfoto bekommen“, „Heyyyy, zwei neue Follower, jetzt sind es 28“, „Boah, was geht denn hier gleich ab, Leu-te?“ , vor allem jedoch „Und? Steigt das Pegel schon weiter an?“, eine Frage, welche hier jeden momentan wirklich am brennendsten interessierte.
Doch mit dem durch harten körperlichen Einsatz erwungenen, gänzlich unvorher-gesehenen Wiederauftritt der Hessin auf der Geschehensbühne trat jäh Totenstil- le unter den Glückseligen ein, erstarben unvermittelt deren vor Sekunden noch so vital agierende Lippen, ach, denn sie alle mussten wie einst Knirps Leon in Yoko-hamas China Town vor den Augen seiner Schwester Pia ihre jungen Internetträu- me begraben, welche ihnen gerade das rauschenden Festbanketten gleichende worldwide web als Lebenschance erscheinen ließen. Ach, Ironie des Schicksals, denn du wolltest es, dass ausgerechnet zwei altmodische, grundsätzlich Schreib-msaschinen benutzende Anglistikdozenten für Altenglisch an einer deutschen Fa-kultät, unwissend, was „Login“ beziehungsweise „Logout“ bedeutet, Zeuge des für die Ahnungslosen aufkommenden Unheils wurden. Als Nummer 13 beschil-dert stand ihr Reisebus zufällig nur wenige Meter von Danny Browns Transport-vehikel entfernt, sodass sich sämltliche dort abspielenden Szenen quasi hautnah mitverfolgen ließen. Und mit wachsender Beunruhigung beobachtete das Wis-senschaftlerduo jene von dort ausgehende Transformation ursprünglich rein funk-tional angelegter Parklfächen in einen blühenden hortus deliciarum.
Ihres Zeichens zwar international ausgewiesene Beowulf-Experten, teilten beide dennoch mit Professor di Augustini dasselbe Los, von Studenten wie auch Kolle-gen als seltsame Käuze verspottet zu werden. Verschrobenen Eigenbrötlern glei-chend hatten sie sich nämlich als einzige deutsche Hochschuldozenten Signore di Augustinis gewagter literaraturhistorischen Lehre vom praepostepischen Realis-mus bedingungslos angeschlossen, nach der jeder einzelne Vers uns überlieferter alter Epen buchstabengetreu wahre Geschehnisse schildert, ja, aufgrund der zeit- losen Natur epischer Texte weisen darüber hinaus alle der in ihnen vom Dichter beschriebenen Begebenheiten über die Epochen hinweg zyklische Wiederholun-gen auf, für Eingeweihte klar erkennbar an inhaltlich ähnlichen Phänomenen mo-dernen Lebens.
Kein Wunder also, dass die Hochgelehrten jene von Busnummer 11 um sich grei-fende gute Laune mit ernsten Mienen beargwöhnten, hatten sie doch das alteng-lische Epos derart tief verinnerlicht, dass ihnen gehöriger Sicherheitsabstand zu Danny Browns Luxusreisebus ratsam erschien, nein, niemals würden Professor Dr. Dr. Dr. Honorius Agricola und Professor Dr. Dr. Dr. Dr. hon.caus. Irenäus Poimén den inzwischen von allen Seiten neugierig herbeiströmenden Grand Canyon Be-suchern in Richtung ohrenschmeichelnder Klänge folgen.
Herr Kollege, Herr Kollege, mich dünkt gar Schröckliches an diesem vom Unheil bedrohten Ort, begann Herr Agricola (den wahren, nicht seinem hohen Bildungs- grad angemessenen Nachnamen hatte er humanistischer Tradition entsprechend latinisieren lassen, um nicht fälschlicherweise als ungebildeter Bauer zu gelten) ihren wissenschaftlichen Disput, exakt so müssen wir uns das heitere Lärmen vor-stellen und die Jubelrufe, jenen überbordenden Frohsinn, wie der anonyme Dich-ter es uns kündet von Heorot, König Hrothgars berühmter Methalle.
Trefflich gesprochen, teuerster Freund, antwortete daraufhin Herr Poimén (auch er schämte sich zutiefst seiner offensichtlich früher mit Schafen durch die Gegenden gezogenen Vorfahren, bevorzugte allerdings Philipp Melanchton folgend lieber gräzisierende Übersetzungen). Heorots Lage erscheint auch mir recht besorgnis-erregend, denn das ist gewisslich wahr, um einmal Luther zu zitieren, des Königs prächtiges Gebäude, erbaut wie von Dänen kein anderes jemals zuvor, schwebt akut in horribler Gefahr. Meine Theorie lautet daher, dass Grendel, der Fröhlich-keit hassende Unhold, bereits aus seiner elenden Behausung zornig grollend he-rannaht, gelockt durch den vom langspitzbärtigen Skopen angestimmten, Herzen erquickenden Sintflut-Gesang.
Chapeau, mon ami, chapeau, welch wissenschaftlicher Geist doch dem Gemüte edelgesinnter Männer innewohnt. Erlaube mir jedoch, geschätzter Weggefährte, hierzu anmerkungshalber präzisierendes Fortführen deiner löblichen Annahme. Denn bei König Artus und seiner Tafelrunde, ich könnte schwören, dass Grendel, oh Unheil!, vermutlich längere Zeit schon in Heorot weilt. Sag, siehst du die jun-ge Maid da drüben, welche sich voller Arglist an der jubelnden Dänenschar ent-lang zum Skopen schleicht? Beim Allmächtigen, welch teuflische Verkleidung des Dämons! Niemals hätte ich diesem tumben Sumpfbeherrscher solch süperb voll-führte Verwandlungskünste zugetraut. Verwerfliche Bestie, wie lange muss König Hrothgar dich noch erdulden, bis du, Beowulf, wackerer Sohn Ecgtheows, nahst und dem Todbringer unerschrocken mannhaft sein Ende bereitest?
Bonfortionös resümiert. Kombiniere wie Sherlock Holmes, mein lieber Agricola, du hast meine soeben im Selbstverlag veröffentlichte neuste wissenschaftliche Pu-blikation Grendel. Wie ein Ungeheuer aus längst vergangenen Tagen noch im-mer allgegenwärtig unsere zivilisatorische Gegenwart bedroht bereits eingehend studiert. Wie ich gleich auf Seite 1 als zentrale These anführe, müssen wir leider davon ausgehen, dass Grendel inzwischen mit Vorliebe veränderte Taktiken an- wendet und jeweils situativ imitierend auf König Hrothgars Abwehrmaßnahmen reagiert. Grendel scheint mir entgegen vorherrschender Lehrmeinungen doch ein vernunftbegabtes Wesen zu sein, das wechselnde Umgebungen geschickt zum eigenen Vorteil nutzt. In seiner unermesslichen Not befahl der Dänenherrscher of-fenkundig Heorots rettende Verlegung hierher nach Arizona, ein unglaublich ge-schickter Schachzug Hrothgars, darauf hoffend Grendel werde seine Residenz selbst im Traum nicht in den Vereinigten Staaten von Amerika suchen. Vergeblich, das Dunkelwesen nimmt wider Erwarten die Herausforderung an, agiert bewusst, zeigt ausgeprägteste Lust am Verkleiden, wird zum anpassungsfähigen Verwand-lungskünstler, zum kreativen Akteur, zum die USA bereisenden Weltenbummler, täuscht als junge, attraktive Touristin brillant kostümierter Schauspieler den König, welcher sich im perfekt als Busparkplatz getarnten Metsaal nahe des Grand Can-yon vor jeglichen Heimsuchungen sicher wähnt wie in Abrahams Schoß und dort vorne gerade dank moderner Handytechnik telefonisch über die aktuelle Lage in Dänemark informiert wird. Schnell, mein Gutester, nimm geschwind deine Spie-gelreflexkamera, denn nun existieren handfeste Beweise für meine Theorie, dass wir uns heutzutage Grendel äußerlich unter keinen Umständen mehr nur als das vom anonymen Dichter beschriebene Monstrum vorstellen dürfen, nein, potentiell lauert der böse Geist vielmehr hinter jedem scheinbar menschlich aussehenden Antlitz. Oh, glanzvolle Sternstunde forschender Wissenschaft, rasch, mon coeur, drücke furchtlos den Auslöser, mit diesen Bildern kann ich sechs Wochen nach Er-scheinen jedes behauptete Wort einzeln belegen, ja, und darüber hinaus endlich meine bereits vor 35 Jahren aufgestellte, von der banausenhaften Fachwelt belä- chelte, zugegebenermaßen damals auf wackligem Grund stehende Hypothese, bei Vers 1 des fragmentarischen Finnsburg-Liedes, übersetzbar mit die Giebel ver-brennen niemals, handele es sich zweifelsfrei um den Abschluß ausführlicher Be-schreibungen über eine von König Hrothgar an vermeintlich sichererem Ort ver-anlasste neue Methalle.
So disputierten also beide Professoren gelehrt miteinander, einsamer Seher kom-menden Unheils, während der arglosen Dänen Freudenschall quer durch Heorot hallte. Grendel, unselige Kreatur, weh, deinen Schlag gegen König Hrothgars Re-sidenz hattest du wahrhaft vortreffllich geplant. In Gestalt einer 16jährige hessi- schen Touristin trieb es dich aus düsterer Wohnstatt hierher, dein verderbliches Tun fest im Visier. Weh, und kein Däne bemerkte das Kommen, schlimmer noch, denn ausgerechnet jene, welche dich durchschauten, verspottete man.
Als nämlich Herr Agricola und Herr Poimén den hohen ethischen Maßstäben des praepostepischen Realismus folgend mit weit ausgebreiteten Armen tapfer die an-gesteckt von der an Busnummer 11 durch vortreffliche Skopenkunst erzeugte ver-gnügte Stimmung dorthin eilenden Unglücklichen am Erreichen derselbigen unter allen Umständen hindern wollten, mussten auch sie, wie einst sein Begründer auf der Having Fun Forever, schnell ernüchtert feststellen, dass edle Handlungen zum Wohl unwissender Mitmenschen nicht unbedingt von Erfolg gekrönt sein müssen. Bei zahllosen Dänen stießen solch humanitäre Rettungsaktionen auf völliges Un-verständnis, weshalb unseren unerschrockenen Heroen prompt wirschester Unmut statt dankbar klatschender Beifall entgegenschlug. Beiseite, ihr Opas, riefen dro-hend drei von König Hrothgars tapfersten Kriegern sogar, zieht Leine, aber pron-to pronto!, untrügliches Zeichen gemeiner menschlicher Undankbarkeit im Ange-sicht praktisch gelebten Heldentums zweier leidenschaftlicher Menschenfreunde, sie nicht unschuldige Opfer einer just in diesem Moment heimtückisch durchge-führten Attacke werden zu lassen.
Denn fürwahr: Das Grendelmädchen verstand sein blutiges Handwerk. Katzen-gleich schlich es zunächst lautlos am Rand des vom Skopen erfreuten Dänenvolks entlang bis zur hinteren Busseite. Mit eng an deren sonnengewärmtes Metall ge-presstem Rücken und angespannten Atem pirschte sich Heorots Geißel auf Zehen-spitzen Zentimeter um Zentimeter dem Skopen entgegen, ihre vorsichtig vortas-tenden Bewegungen dabei denen eines Chamäleons gleichend, zähnefletschend vor wütender Beutegier stets zum entscheidenden Sprung bereit, bis nur noch gut zwei Meter zwischen dem Unhold seinem völlig arglosen Zielobjekt lagen. Zwei Meter. Eine todsichere Angriffsdistanz.
HAAAAAAAAAAA!!!! ließ markerschütterndes Gebrüll plötzlich König Hrothgars prachtvolle Methalle erzittern, als Grendel mit lang ausgestreckten Händen auf den Skopen zu sprang, ihn unbarmherzig packte und grob vom Sängerpodest zerrte. Daraufhin dessen laut ertönenden Ruf vernehmend schlug Professor Agri-cola zunächst Kniee schotternd drei Kreuzzeichen, bemerkte jedoch mit rasch zu-rückkehrender wissenschaftlich nüchterner Sicht tapfer gefasst: Kombiniere erneut wie Sherlock Holmes, mein lieber Poimén, Grendels Schlag gegen Heorot scheint geglückt. Sein erstes wehrloses Opfer hat sich das Scheusal gerade geholt, denn ich sehe des Skopen edles Sängerhaupt nicht mehr über die Dänenschar ragen. Doch beim Allmächtigen, es wird weiterwüten!
Beim Odin und beim Thor, wie sollte diese Prophezeiung bereits Sekunden später grausame Wahrheit werden! Kurz nachdem sich Grendel nämlich auf der ersten Stufe der vorderen Bustür triumphierend dem Volk gezeigt hatte, stürzte er seine verfluchte Leibesgestalt vor nach Menschenfleisch dürstender Raffgier rasend auf der Suche nach weiteren Unglücklichen in die Menge hinein. HEEEE,WAS SOLL DAS???? HÖR GEFÄLLIGST AUF, MICH ANZUPACKEN, DU FRECHE LIESE!!!! … schepperndes Metall … Schaut euch das an, Leute!, rief eine zweite Stimme auf-gebracht. Sie sie hat seine Videkamera auf den Boden geschmissen. Ey, die Klei-ne hat nicht mehr alle Tassen im Schrank! Doch letztere Worte bekamen die bei-den Gelehrten bereits akustisch nur noch äußerst vage mit, denn just im Moment als der arme Skop ergriffen ward, nahmen Herr Agricola und Herr Poimén ihre Beine in die Hand und flohen so schnell sie von ihnen getragen wurden auf dem Richtung des Grand Canyon führenden Weges; hoffend dass es von diesem viel-leicht einen Abzweig in dessen Tiefen hinab geben könnte, um dort vor Grendel sichere Verstecke zu finden. Reflexartiges Rennen erschien angesichts Heorots La-ge jedenfalls klüger als Ausharren, keuchte Professor Poimén während des hasti-gen Fliehens doch wohl durchdacht jene Worte: Vermessen wäre es, in epische Gesänge eingreifen zu wollen. Dreißig Dänen tötete Grendel beim ersten Angriff, wie der Poet es besingt, zwei hat er bereits vor unseren Augen mordend ergrif-fen. Wahrlich, besser ist Flucht, bevor wir als neunundwanzigstes und dreißigstes Opfer in seinen Mädchenhänden enden, trotz des bei ihm anzunehmenden au-ßerordentlich hohen IQs.
Analysieren wir Karussellpferde das soeben Geschilderte etwas näher, erscheint uns die Reaktion beider Literaturwissenschaftler im Sinn intuitiven Fluchtverhaltens einerseits verständlich, und als Akt menschlichen Selbsterhaltungstriebes verdient sie sogar höchste Anerkennung. Andererseits könnte man ihrem hastigen Losspur-ten unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten jedoch auch unreflektiert vorausei-lenden Gehorsamskniefall gegenüber dem Diktat der Gene vorwerfen. Für letzte- re Annahme spricht unserer Meinung nach vor allem die Tatsache, dass Grendel, obwohl er sein zweites Opfer bereits erbeutet hatte, danach merkwürdigerweise innehielt, um erneut das Skopenpodest zu erklimmen. Heorots Feind stoppte näm-lich gänzlich unerwartet weiteres wütendes Rasen gegen Heorot und beabsichtig-te von der Gestik her zu beurteilen dafür ganz offenkundig von der ersten Stufe der vorderen Bustür herab eine Art Kommunique, wollte scheinbar dort oben per Proklamation sich sowie sein Handeln in König Hrothgars als Busparkplatz ver-geblich getarnten prächtigen Methalle erklären. Ja, das Mädchen schien aus tief-stem Mitteilungsbedürfnis heraus etwas sagen zu wollen, weshalb es forschenden Professoren besser angestanden hätte, zuerst diese mündliche Quelle genaustens auszuwerten, bevor auch ein wissenschaftliches Gesamtbild sie im sich ihnen in-nerlich aufdrängenden Fluchtreflex bestärken konnte. Daher bekamen bedauerli- cherweise weder Herr Agricola noch Herr Poimén mit, wie Grendel in einer per-sönlichlichen Verlautbarung den laufenden Angriff auf Heorot aus seiner Sicht be-schrieb.
Sie haben auf der Hinfahrt zu ihrem Schmierentheater unterwegs im Wuppertaler Brauhaus wohl ein paar Bier zu viel über den Durst getrunken!!!!!!!, herrschte die Sechzehnjährige ihren völlig perplex wirkenden Vorredner vorwurfsvoll an, wäh-rend Danny Brown aufgrund bei Dick Springletown vorliegenden akuten Entschei-dungsblockaden weiterhin hilfloser Reaktionsunfähigkeit ausgeliefert war und da- her nichts anderes tun konnte, als weiterhin sein schnmuckes Diensthandy weit-möglichst dem komfortablen Luxusreisebus entgegenzuhalten, verbunden mit Hof-fnungsgedanken auf eine positiv beschleunigende Wirkung akustischer Eindrücke hinsichtlich der momentan obsoleten Entschlusskraft seines Chefs. Und wären sie an Busnummer 11 nicht allesamt 100% davon überzeugt gewsen, sich hier nahe des infolge willkürlicher Naturlaunen fast komplett unter Wasser stehenden, selbst für gewiefteste Reiseleiter kaum wiederzuerkennenden Grand Canyon und nicht irgendeinem trockenen Gerichtsaal zu befinden, hätte jeder Anwesende schwö-ren können, die Kulisse wandele sich und eine Staatsanwältin begänne mit dem strengen Verlesen der Anklageschrift, als nämlich das Mädchen sein Gegenüber scharf anging.
Wusste ich’s doch! Sie haben vorhin ihre Reiseverträge leichtfertigerweise beim größten Trickbetrüger unterschrieben, den die Welt jemals ertragen musste, eben-so gut hätten Sie ihr teures Geld auch drüben in den Grand Canyon werfen, ha-haha, oder besser noch besser: gleich mir schenken können!, klangen tadelnde Worte den ziemlich verwirrt dreinschauenden Neureisekunden entgegen. Nach-dem das Mädchen nämlich endlich selbst eine der Broschüren ergattern konnte, kamen in ihm beim längeren Betrachten des werbewirksam platzierten Bildmateri-als umgehend schwerwiegende Verdachtsmomente auf, ähnelten doch sämtliche werbewirksam platzierten Fotos auffälligerweise genau jenen Sehenswürdigkei-ten, denen die 7c im Jahr 2014 auf ihrer Klassenfahrt begegnet war.
Und als demonstratives Zeichen, dass die Machenschaften der historisch geklei-deten Person jetzt durch die Jurisprudenz ihr endgültiges Ende gefunden hatten, zog deren noch recht junge Verfechterin Johannes Calvins 11. Reinkarnation fest am markanten langen Spitzbart, den sie aufgrund offenbar nur mäßig verwende-ten Klebstoffs sofort in beiden Händen hielt und gleichsam einer Jagdtrophäe co-ram publicum präsentierte. Sehen Sie das? Hüten Sie sich vor dem Mann!, öffne-te die Vertretung der Staatsanwaltschaft 72 ungläubigst starrenden Mitreisenden anhand haariger Beweise weiter schonungslos die Augen. Er ist ein Betrüger. ER ist jener von Interpol weltweit zur Fahndung ausgeschriebene Täuscher, über wel-chen fast täglich die Nachrichten berichten, und mit dem ich selbst schon einmal das unangenehme Vergnügen hatte. Schauen Sie sich einmal alle Fotos, die er in seinen tollen Reisebroschüren unglaublich dreist als Bilder aus Israel vorgibt, ge-nau an. Sehen Sie das nicht? Sämtliche Motive sind ausnahmslos in Soest sowie dem Padeborner Land entstanden. Sie fielen mir gleich auf, weil ich zufällig vor vier Jahren eine Woche auf Klassenfahrt in dieser Gegend war.
Kaum ausgesprochen wandte sich die selbstbewusst auftretende junge Dame um-gehend wieder Genfs berühmtem Reformator zu, welcher zum Erstaunen aller un-ter lauten Aua-Rufen, begleitet von mit einem Fuß auf den anderen springenden, recht unterhaltsam anzusehenden Hüpfeinlagen, nunmehr in der rechten Hand seinen langen Spitzbart hielt, während er mit der linken an das offensichtlich äu-ßerst schmerzende Kinn fasste; anscheinend war doch etwas mehr Klebstoff als unbedingt notwendig für die Barthaare verwendet worden als deren Abreißerin ahnen konnte: Tja, Täuscher, damit hast du damals wohl nicht gerechent, dass wir uns nach deinem hinterlistigen Spiel im Seligenstädter Klostergarten jetzt am Rande des Grand Canyons wiederbegegnen würden, rief sie die dem Enttarnten direkt ins Gesicht, aber es ist im Leben nun mal so, wie meine allerbeste Freundin Caislin stets weise zu sagen pflegt: Man sieht sich immer zweimal. Ich habe da-mals meine Hausaufgaben für die vor dem Kirchengremium abzulegende Glau-bensprüfung gemacht und aus dieser Lektion gelernt. Seitdem sitze ich sonntags ohne störende Ablenkung brav freiwillig in der ersten Bank, direkt unter der Kan-zel, deshalb kann mich keiner mehr übers Ohr hauen, so wie du einst.
Hör mir also gut zu, Täuscher: Wenn du schon groß mit Bibelsprüchen glänzen möchtest, dann zitiere gefälligst die von dir willkürlich aus der Luft gegriffenen Stellen schön brav weiter. In 1 Petrus 2,1 steht nämlich anschließend geschrie-ben: Legt daher alles Böse ab, alle Hinterlist, Heuchelei und Missgunst und alles böse Nachreden. Oh, mieser, schäbiger Betrüger!!!!!! Schämst du dich kein biss-chen, gutgläubige Touristen hinters Licht zu führen, von denen jeder einzelne auf seiner mühsam angesparten, teuren USA-Busreise doch wirklich nur ein einziges Herzensanliegen besitzt: wenigstens einmal im Jahr während des Urlaubs glück-lich sein zu dürfen, ein einziges mal nur, mehr verlangen sie nicht, doch selbst diesen bescheidenen Wunsch missgönnst du ihnen.
Nun, haben Sie die angeblich im Heiligen Land fotografierten Sehenwürdigkei- ten inzwischen erkannt?, galt der feurige Frageruf des Mädchens daraufhin wie-dem immer bestürzter dreinblickenden Auditorium, hatte dieses doch seiner Mei-nung nach genügend Zeit gehabt, um mit gesundem Menschenverstand sämtliche in den vorhin ausgehändigten Pilgerpropekten abgebildeten touristischen Höhe-punkte einer jeden Israelreise als eindeutige Manipulationen verlogener Scharla-tanerie zu begreifen. Geht Ihnen allmählich ein Licht auf?, schallte es mit lauter Stimme weiter über den ganzen Busparkplatz, wobei sich immer mehr Account-inhaber, wie auch Nicht-Accountinhaber, misstrauisch geworden die Äuglein rie-ben. Ha, dass ich nicht lache! Bilder vom Paderborner Dom zeigt er Ihnen frech auf den bunten Seiten, in dessen Kreuzgang sich übrigens das berühmte „Drei-Hasen-Fenster“ befindet. Ja, und bei den angeblichen römischen Thermenanla-gen handelt es sich zweifelsfrei um das Quellbecken der Lippe, welche dort vis à vis im Schatten altehrwürdiger Burgruinen als eine der stärksten Quellen Deutsch-lands in Bad Lippspringe entspringt. Pah, von wegen die einst mächtigste Kreuz-fahrerfestung im Heiligen Land! Ach, und besagte Wiese liegt übrigens auf dem Gelände des Jordanparks gleich unmittelbarer daneben; da können Sie sich jetzt an Ihren fünf Fingern ausrechnen, was das für große Wunder sein werden, die der Betrüger dort vollbringen will. Hier, sehen Sie: Ich habe von unserer Klassen- fahrt Erinnerungsfotos auf meinem Smartphone und kann Ihnen daher meine an-klagenden Vorwürfe ausreichend beweisen.
Ab…ab…ab…er, der Jo…Jo…Jordan…, stotterte einer hilflos, offenbar jener Sorte Menschen zugehörig, bei welcher die Hoffnung stets zuletzt stirbt, der fließt doch wirklich dort, das habe ich mal in einer Dokumentationssendung über Israel gese-hen, da bin ich mir sogar 1000%ig sicher.
Sagen Sie mal, wie naiv sind Sie eigentlich sein?, kanzelte die vor Ort tapfer für Recht und Gesetz sorgende hessische Teenagerin den vom Wahrheitsgehalt frü-herer Fernsehbilder absolut überzeugten Mann, der kurz zuvor nach nur kurzem Seitenblättern bedenkenlos den ihm freundlich entgegengehaltenen goldenen Ku-gelscheiber dankbar entgegengenommen hatte, mit oberlehrerhaftem Ton einem dummen Schuljungen gleichend ab. Hierbei rüttelte sie ihn zusätzlich dermaßen stark an beiden Schultern, dass dem Armen vor Schreck das noch in seiner Hand befindliche wertvolle Schreibutensil zu Boden fiel. Ein dort entspringendes Flüss-chen trägt rein zufällig den Namen seines größeren und bekannteren Verwand-ten. Na und??? Zwar konnten wir damals nicht genau eruieren, wie es zu dieser Bezeichnung kam, aber für Bad Lippspringe, das sich gerne „Stadt der Quellen“ nennt, ist „Jordan“ doch ein absolut passender Name; wenn dieses kleine Ge-wässerchen überhaupt noch exisitiert, denn der im Westfalen-Blatt Nr. 216 vom 17.09.2014 abgedruckte Artikel Der Jordan ist trocken berichtete ausführlichst über dessen problematische Wasserstandssituation.
Darum horcht wohl auf, ihr zwei literaturhistorisch-lutherischen Hinduisten: Merkt denn keiner von euch gebildeten Universitätsgelehrten, welch verderblicher Irrleh-re er anhängt? So verblendet ist euer Forscherverstand durch Täuschwerke eines gerissenen Gurus, der jedes Jahr in Kalkutta vor Götterbildern zwar jedem seiner Neu-Jünger viel Erleuchtung auf Erden verspricht, doch nur Irrwahn liefert: Sagt, mutet es nicht mehr als nur seltsam an, dass genau jene Kölner Romanistikfakul-tät, welche sich um ihn buhlerisch reißend aus dem fernen Palermo berufen hatte, bereits einen Tag nach besagter Antrittsvorlesung dessen Büro räumen ließ? Sagt, warum ist es selbst im Kölner Karneval bis zum heutigen Tage unter Androhung sofortigen Vereinsausschlusses strengstens verboten, als Büttenredner auch nur an-deutungsweise Witze über jene Angelegenheit zu machen?
Grendel, den liebenswürdigsten aller Zeitgenossen, stets mutig bestrebt, Lug und Betrug endgültig aus unserer Welt zu verbannen, erkanntest weder du, Agricola, noch du Poimén. Nein, als menschentötendes Ungetüm habt ihr ein unschuldiges, stets unerschrocken im Einkang mit der Bibel argumentierendes Wesen vielmehr verteufelt, hieltet geistig umnachtet einen simplen Busparkplatz nahe des Grand Canyon für Heorot, einen duckmäuserischen Reiseleiter für König Hrothgar, durch wahnwitzige Lehren eines Rattenfängers tragischerweise um Wahrheiterkenntnis betrogen.
Wohlan! Sagt euch furchtlos von Professor di Augustini schleunigst los, schwört ab seinen die Welt ins Unglück stürzenden Hirngespinsten und pilgert alsdann im Büßergewand nach Santiago de Compostela – oder, sollte euch die evangelische Routenvariante eher liegen, nach Trondheim!
Hey, was soll das? Lass mich gefälligst los!, tönte plötzlich erneut eine empörte Stimme über die Köpfe immer noch eifrig fotografierender sowie trotz bestehen-den Verbots unverdrossen fröhlich weiter postender und bloggender Reisender zu Danny Brown herüber. Dieser hatte sich eben endgültig entschlossen, nicht mehr länger äußerst schwammig gehaltenen Vertröstungsfloskeln des großen Dick Spri-ngletown Glauben zu schenken, er werde sich bezüglich ihm vorgetragener An-liegen schon recht bald vom köstlichen wie teuren Hummerfrühstück im Restaurant des Yachtclubs in sein schick eingerichtetes Stadtbüro bequemen. Vielmehr plante der Genius nach Abwägen aller Vor- und Nachteile ungefragtes Zuwiderhandeln entgegen Artikel 3, bevor das hochexplosive, aus religiösem Eifer, jugendlichem Vorwitz sowie medialer Internetrenitenz bestehende Stimmungsgemisch den kläg-lichen Überrest einst spektakulärer Naturkulissen in die Luft fliegen ließ.
Und somit beendete Danny Brown zur Freude seines telefonischen Gegenübers, dem gepflegte junge Damenhände gerade ein Gläschen Champagner zum Preis von 49,50$ kredenzten, freundlich das Gespräch und versuchte, sich mit Hilfe altbewährter Ellenbogentaktiken einen sicheren Weg durch dichgedrängtes Volk zur bei Rednern wohl äußerst beliebten ersten Stufe der vorderen Bustür zu bah-nen. Dort angekommen wollte er weiteren potentiell ambitionierten Sprechanwär- tern umgehend ein für alle Mal klar machen, dass sie sich hier an Amerikas be-kanntester Schlucht und nicht etwa bei Speaker’s Corner in London befänden, je-nem Ort, an dem Kaiser Augustus einst als junger Auszubildender während zwei-wöchiger praktischer Unterrichtseinheiten mit offenem Mund staunend miterlebte, wie dort selbst offenkundigste Traumtänzer geneigten Zuhörern fast alles erzählen konnten, solange es nur nicht gegen die Queen ging; und um nochmal eindeutig das im Reisevertrag aus Kostengründen ebenfalls nur extrem klein lesbare Hoch-stellzeichen 465 in Erinnerung zu rufen, demgemäß Posten und Bloggen live vom Grand Canyon laut AGBs strikt untersgt war, weshalb bereits ins Netz gestellte Fotos entsprechend der in Hochstellzeichen 465a-d klar geregelten Ausführungs-bestimmungen sofort vor den wachsamen Augen des jeweils zuständigen Reise-leiters wieder gelöscht werden mussten.
Doch bevor Danny Brown, charmanter Altmeister perfekt ablaufender USA-Busrei- sen besagten Eingreifversuch eingekeilt zwischen Sensationslustigen, Rucksäcken, Fototaschen und Diskussionsfetzen, wie um alles in der Welt es der Jugendlichen gelingen konnte, dem reformierten Kirchengründer auf so überraschend einfache Weise seinen markanten langen Spitzbart abzureißen, bereits kurz darauf ergeb-nislos abbrechen musste, startete die letzte, ultimative Rettungsaktion. Ein Spon-tanwitz, von Insidern präziser Not-Notfallwitz genannt, sollte das Schicksal doch noch im Sinne Dick Springletowns wenden. Solche Not-Notfallwitze finden An-wendung zur raschen Klärung für Reiseveranstalter spontan entstandener, extrem ungünstiger Situationen. Die eigentliche Witzkunst besteht hierbei darin, aus Sät-zen verhaltensauffälliger Reisender Zentralbegriffe herauszuhören und sie binnen Bruchteilen von Augenblicken mit Nennung eines populären Kommunikationsme-diums freier Wahl zum Scherz zu verbinden. Auf streng geheimen Fortbildungen wird ausgesuchten Teilnehmern diese Fertigkeit mit Stoppuhren knallhart einge-trichtert, Lehrgangsteilnehmer müssen ihre Ausbildung mit „1“ abgeschlossen ha-ben, die spezielle Zulassungsprüfung ebenso brillant bestehen, vor allem aber im Vorauswahlgespräch glaubwürdige Beweise absoluter Loyalität im Einsatz gegen-über dem Unternehmen liefern. Aufgrund verheerendster Wirkungen ist das Ver-wenden von Not-Notfallwitzen übrigens explizit absolut verfahrenen Situationen vorbehalten. Infolge völlig unerwartet ausgelöster heftiger Lachreaktionen bildet sich nämlich bei Zuhörern ein heiter-irritiertes Reaktionsvakuum, welches vom Rei-seleiter umgehend dazu genutzt wird, die Dinge wieder ins rechter Lot zu brin-gen. Versagt er dabei, hält diese humoristische innere Leere weiterhin unvermin-dert an, was im schlimmsten Fall bis zur vollkommenen Orientierungslosigkeit Be-troffener führen kann.
Hahahahahaha, prustete Danny Brown durch seine zum Lautsprecher geformten Hände laut in die Menge hinein, da wollen wir doch den Jordan gleich mal über WhatsApp fragen, ob er dem Colorado River vielleicht ein bisschen Trockenheit abgeben kann. Doch entweder war dieser Gag überhört, schlecht aufgenommen oder einfach nur nicht verstanden worden, jedenfalls musste Julius Caesars ruhm-reicher Nachfolger mehr als ihm lieb sein konnte realisieren, dass sich zu allem Überfluss nun auch noch die bis dahin glücklicherweise ausschließlich passiv tak-tierende Mutter des Mädchens mit ihrer eigenen Vorstellung bühnenreifer Auftritte aktiv ins aktuelle Geschehen einbrachte. Beiden Hände energisch nach denen des Töchterchens ausstreckend gelang es der Frau Mama nämlich nach längerem erbitterten Tauziehen schließlich, vorlaut schwätzenden Nachwuchs vom Podest wieder auf den Boden des Busparkplatzes herunterzuziehen.
Erneut wechselte also die erste Stufe der vorderen Bustür ihren Besitzer, als die Er-ziehunsberechtigte diese nun selbst erklomm und von oben herab ihrer Tochter vor unendlich dankbar lächelndem Publikum, das für seine Accounts mit erwar-tungsvollen Rufen wie Los, Leute! Knipst, was das Zeug hält, jetzt geht’s hier in Arizona vor der Sintflut aber so richtig ab! dem finalen Showdown in einem of-fenbar länger schwelenden Generationenkonflikt entgegenfieberte, eine donnern-de Gardinenpredigt hielt: Alessa Marie! DAS wird für dich noch ein ganz großes Nachspiel haben, sobald wir wieder daheim sind!, schimpfte die Mutter wütend los. Wie oft habe ich es dir schon gesagt: Du sollst dich gegenüber Erwachsenen nicht immer so unglaublich frech, vorwitzig, altklug, besserwisserisch und nase-weis verhalten! Oh, ich flehe dich als meine Tochter unter Tränen an: Sag es mir ehrlich, hier auf der Stelle, was habe ich bloß falsch gemacht, dass du Johannes Calvin, unser großes Familienvorbild, welches glorreich Luthers papistischen Rest beseitigte, vor meinen Augen dermaßen vorführst? Brauchst du vielleicht mehr Ta-schengeld?
Ach, entschuldigen sie bitte vielmals dieses schreckliche Malheur, liebe Mitreisen-de, ergingen ihre anschließenden Worte mit rotem Kopf an die Umstehenden, es ist mir wirklich unendlich peinlich, aber Alessa Marie redet manchmal so unüber-legt, seit sie im Internet eine eigene erfolgreiche Agentur für Städtekurzreisen be-treibt. Nach diesem erklärenden Exkurs wendete sie ihr Gesicht sogleich wieder dem trotzig dreinschauenden Mädchen zu, und ohne weiter Zeit verlieren zu wol-len fuhr die mütterliche Pädagogin – erste laut ertönende, als eindeutige Kompli-mente gedachte Pfiffe männlicher Zeitgenossen dem daraufin eifersüchtig schau-enden Ehemann zuliebe geflissentlich überhörend – mit ihrer begonnen Standpau- ke fort: Und das junge Fräulein braucht gar nicht beleidigt zu tun, denn du wirst dich jetzt augenblicklich beim Herrn Calvin, der mit seiner Prädestinationslehre unendlich viel Gutes den Menschen getan hat, unter Androhung einer erneuten Glaubensprüfung vor dem dir inzwischen ja hinlänglich bekannten Kirchengremi-um reuevoll entschuldigen sowie ihn untertänigst um Vergebung bitten. In franzö- sischer Sprache selbstverständlich. Schließlich will die Partydame bestimmt nicht nochmal abends vor lauter Lernen auf ihr heißgeliebtes Mädchenforum verzich-ten müssen, oder sehe ich das etwa verkehrt? Habe ich mich klar genug ausge- drückt? Und sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!
Als sich die resolute Calvinistin nach diesen Worten jedoch ihrem Vorbild zuwen-den wollte, um die bekannte historische Persönlichkeit eiligst zur großen Entschul-digungszeremonie für infolge pubertärer Leichtfertigkeit erlittene Kränkungen her-beizubitten, musste sie verwundert feststellen, dass Johannes Calvin ihren Blicken entschwunden war. Zunächst dabei freudig an einen möglichen Übergang des er-habenen Meisters in seine 12. Reinkarnation denkend, zeigte jedoch der Ruf Er ist ganz weit da hinten und rennt wie die beiden komischen älteren Herren vor ihm voll panischer Angst auf einen Weg zu, der wohl zum Grand Canyon hinab- führt! eines ganz hinten stehenden Mitreisenden, an dem sich Genfs Reformator vor wenigen Sekunden fluchtartig vorbeigedrängt hatte, allen Anwesenden viel-mehr, wie erdrückend jenes von Alessa Maries Scharfsinn gegen ihn vorgebrach-te Beweismaterial gewesen sein musste.
Ungewollt Zuschauer eines sich in Arizonas Weiten abspielenden, an Dramatik kaum überbietbaren Bühnenstückes geworden, hatte Danny Brown nun endgültig keinerlei Zweifel mehr über die wahre Identität der eben öffentlich zurechtgewie-senen Tochter. Sie war schon seit Beginn ihrer langen Busrundreise durch endlos anhaltendes Geplapper, das auf keinem der komfortablen Sitzplätze des vollkli-matisierten, mit einer stets gut gefüllten Minibar ausgestatteten Luxusbusses über-hörbar war, unangenehm aufgefallen; und sei es während der Fahrt bei inzwi- schen völlig entnervten Mitreisenden oder eines Stopps an den sich von Sensa- tion zu Sensation hangelnden Sehenswürdigkeiten bei anderen, sich dabei eben-falls belästigt fühlenden Touristen, das Mädchen setzte alles daran, um Leute zum Besuch seiner eigenen Internetseite zu animieren.
Als hundertprozentiger Vollblutprofi von Dick Springletown auch zum Aufspüren und Überwachen unliebsamer Internetkonkurrenz eingesetzt, surfte Danny Brown öfters auf ihrer Website und erinnerte sich wieder an das dort lachende Gesicht der jungen Dame. Auf jener Internetseite mit diesen für seine extrem konservative Marketingvorstellung beinahe ekelhaft aufreißerisch daherkommenden Anpreisun-gen. Auf jener Homepage mit dem stets wiederkehrenden Motiv von New Yorks berühmter Freiheitsstatue, welches durch szenische Farbbearbeitungen permanent in den Fokus bestehender Reiseinteressen gerückt wurde.
Schon beim ersten Seitenaufruf besaßen solche auf Kontrast setzenden Werbe-präsentationen in seinen versierten Betrachteraugen aufdringliche, verstörende, den Collagenaufbau trennende, ja, sogar grausam zerreißende Züge. Ferner hat-te man auf Besprechungen stundenlang darüber diskutiert, wie es bei einem so aufgesetzten, so dreisten, so höhnischen Lachen vom unternehmerischen Stand-punkt aus betrachtet überhaupt jemals zu Buchungen kommen könne; und je län-ger Joe Bakers einstiger Bewunderer darüber nachdachte, desto mehr erschau-derte sein sonst allzeit fröhlich schlagendes Resieleiterherz angesichts schreckli-cher Ahnungen, welche Abgebrühte da vor ihm stand.
Sag mal, kenne ich dich nicht irgendwoher aus dem Internet?, begann er vorsich-tig fragend. Bist du nicht jene Kleine, die dort auf ihrer Website leichtgläubigen Zeitgenossen unter anderem maßlos überteuerte Städtetrips nach New York an-bietet, deren in farbigen Ausschmückungen angepriesener absoluter Höhepunkt eine unvergessliche Bootstour auf dem Hudson River zur Freiheitsstatue verspricht, aber von allen deinen Buchungskunden bis zum heutigen Tag kein einziger auch nur im Geringsten ahnt, dass er nach seiner Rückreise neidischen Freunden und Bekannten daheim in Wahrheit Erinnerungsfotos aus Japans Hauptstadt gezeigt hat? Deshalb vermute ich, dass du dieses ständig wiederkehrende, sich aufgrund auffällig abhebender szenischer Farbbearbeitungen stark in das menschliche Ge-dächtnis einprägende Werbefoto mit der Freiheitsstatue deswegen bewusst aus-gewählt hast, damit niemand während des hinzubuchbaren Helikopterrundflugs, der preislich gesehen übrigens in noch viel größerer Unverhältnismäßigkeit steht, beim Blick auf auf den sich durch New Yorks Häusergewirr gemütlich dem offe- nen Atlantik entgegenschlängelnden Hudson River am Ende doch noch misstrau-isch werden könnte, weil ihm dabei der rot-weiß lackierte alte Tokioter Fernseh-turm irgendwie bekannt vorkommt.
Hahahaha, ich merke, dass Sie sich im Reisemetier wirklich super gut auskennen, lachte Alessa Marie daraufhin verschmitzt, denn durch diese äußerst werbewirk-sam platzierten szenischen Farbbearbeitungen sind bislang tatsächlich bei kei-nem einzigen Kunden auch nur leiseste Zweifel aufgekommen, von der künstlich aufgeschütteten Insel Odaiba nicht auf New Yorks Freiheitsstatue und die Skyline Manhattens zu blicken. Doch leider läuf das Geschäft seit Donald Trumps Wahl zum 45. Präsidenten der USA im letzten Jahr gegenläufig. Eigentlich sogar äu-ßerst schlecht, würde ich sagen.
Darüber war der lorbeerbekränzte Imperator als professioneller Fachmann sicht-lich erstaunt, weshalb ihm sogleich die Frage nach möglichen Ursachen derartig massiv zurückgegangener Buchungzahlen auf den Lippen brannte. Nun ja, fuhr das Mädchen fort, eigentlich ist die Nachfrage sogar eher gestiegen, doch sämt-liche Touristen wollen in diesen politischen Zeiten nur noch zum Trump Tower pil-gern. Reisende sind momentan einfach nicht daran interessiert, per Ausflugsschif-fen gemütlich den Hudson River an New Yorks berühmter Skyline entlang in Rich-tung Atlantik zu schippern oder ihre emporragenden Gebäude bequem von Hub-schraubern aus zu bestaunen. Selbst mit Hilfe werbetechnisch gekonnter Hinwei-se, sich die nach umfangreichen Umbaumaßnahmen nun in spektakulärer neuer Erscheinung über den gewaltigen Strom auf Manhattens Wolkenkratzer zuführen- de Hudson Bridge unter gar keinen Umständen entgehen zu lassen, konnte ich das Werberuder bislang nicht wieder zu meinen Gunsten herumdrehen. Denn je-ne 5.000.000$, welche Trump sowie die Präfektur Tokio ursprünglich dafür ver-langten, damit alessamaries-staedtereisen.com Bilder vom Midtown Tower oder Mori Tower als Trump Tower ausgeben darf, hätte ich niemals gezahlt. Aber un-sere zähen Verhandlungen gehen weiter. Die Chance auf weitere Preissenkungen steht beim Midtown Tower momentan sogar ausgesprochen gut. 3.900.000$ hieß es zuletzt, da ist jedoch noch einiges mehr rauszuholen.
Aber als Ausgleich konnte sich dafür mein seit dem Frühjahr 2016 laufendes jüngstes Städtreisekonzept inzwischen zur wahren Goldgrube mausern, führte die Juniorunternehmerin ihren Geschäftsbericht fort, und zwar lasse ich im ge-samten deutschprachigen Raum bunte Flyer mit dem Bild eines Güterzuges als Blickfang verteilen, deren Text folgendermaßen beginnt:
Schon wieder kein passendes Reiseziel für Ihren Urlaub gefunden? Das muss aber wirklich nicht sein! Machen Sie es deshalb wie diese Werbelokomotive hier: Nehmen Sie den Zug und fahren einfach einmal bei herrlichem Wetter durch Hanau, wobei von Ihnen dort unbedingt die sensationelle Gelegenheit zur Besichtigung der weltberühmten CHEOPSPYRAMIDE im Staatspark Wil-helmsbad genutzt werden sollte!
Als erfahrener Profi kann ich es mir ehrlich gesagt kaum vorstellen, dass auch nur eine Person auf der Welt so dumm sein könnte, um auf diesen doch sehr offen-sichtlichen Betrug hereinzufallen; vielmehr werden sämtliche Flyerleser derartige Werbebotschaften sofort für Märchen der Gebüder Grimm halten, versuchte Dan-ny Brown die entstandene touristische Fachsimpelei sichtlich nervös mit rationalen Argumenten schnellstmöglich wieder zu beenden, befürchtete sein scharfer Reise-leiterverstand doch sicher nicht zu Unrecht schon bald ein erneutes Zuschlagen des Täuschers, gegen das er natürlich mit erhöhter Wachsamkeit und Konzentra- tion unter allen Umständen gewappnet sein wollte.
Das Mädchen schien sich allerdings für Danny Browns Anspannungen nicht im Geringsten zu interessieren, plapperte es doch unermüdlich munter weiter drauf los: Gerade im Gegenteil! Denn beim Weiterlesen kann man dem Flyer entneh-men, dass die Cheopspyramide klimatisch bedingt im Lauf der Jahrtausende im-mer stärkeren Erosionsprozessen ausgesetzt war, was bereits Mitglieder der von Napoléon Bonaparte 1798 nach Ägypten mitgenommenen „Commission des sci-ences et des arts“ vor Ort mittels spezieller Untersuchungen eindeutig beweisen konnten. Sofort erging daher vom großen Korsen an Jean-Baptiste Lepère der Be-fehl zur sorgfältigsten Zerlegung des Bauwerks und seiner Ersetzung durch eine vom Original selbst für Fachleute nicht mehr zu unterscheidenden Replik.
Napoléons Rückkehr nach Frankreich 1799 ist deshalb auch historisch gesehen keine Flucht gewesen, wie so manche bösen Zungen hartnäckig bis heute be-haupten. Hahahaha, stellen Sie sich bloß vor: Einige Geschichtsforscher denken sogar immer noch, er sei feige desertiert — so wie später 1812 an der Beresina. Nein, nein, vielmehr war seine heimliche Einschiffung Teil geschickt vor Groß-britanniens Kriegsflotte geheimgehaltener Pläne, die zerlegte Cheopspyramide unter persönlicher kaiserlicher Aufsicht in kühlere Gegenden abzutransportieren, wo sie fortan tief im Erdreich vergraben sowie luftdicht verpackt gegen Sonne, Wind, Regen und Sand geschützt für künftige Generationen erhalten werden kon-nte. Hier…lesen Sie sich bitte in Ruhe alles durch! Rein zufällig hatte ich nämlich daheim extra einige Flyerexemplare für die Reise eingepackt.
Dem späteren Kaiser der Franzosen kam beim Umsetzen seines Vorhabens dann natürlich als allererstes die Stadt Hanau in den Sinn, bemerkte der beste deutsch-prachige Reiseleiter, den die Vereinigten Staaten von Amerika jemals aufbieten konnten, daraufhin mit deutlich ironischem Unterton, um seinen rationalen Beden-ken am geschichtlichen Wahrheitsgehalt solcher Berichte starken Ausdruck zu verleihen. Sie müssen dazu wissen, antwortete das clevere Mädchen jedoch un-beirrt, dass etwa zeitgleich zu Napoléons Ägyptenaufenhalt einige Experten in Wilhelmsbad die Wirkungen des dort sprudelnden Heilwassers anzweifelten. Als daher der hessische Landgraf von den französischen Plänen erfuhr, bot er Napo-léon sofort das Kurgelände zur unterirdischen Lagerung der Cheopspyramide an, um somit einen angemessenen finanziellen Ausgleich für das unausweichlich dro-hende Badefiasko zu erhalten. Und aus Dank dafür, dass er für jenes gewaltige, dem Wohle der Menscheit dienende Projekt die benötigte Fläche zur Verfügung gestellt hatte, wurde Hessens kluger Landesherr 1803 sogar noch in den Kurfür-stenstand erhoben.
Napoléon hat übrigens während der gesamten Vergrabungsmaßnahmen im Co-moedienhaus gewohnt und von der künstlichen Burgruine aus sämtliche Arbeiten geleitet, bis Ägyptens gigantomanischer Gigant schließlich in einem gewaltigen Bauschacht aus den zerlegten Einzelteilen wieder zusammengesetzt war und mit dem Erdaushub zugeschüttet werden konnte.
Das sind also die Gründe, weshalb man Cheops‘ Pyramide bis auf eine weiter-hin sichtbar aus dem Boden ragende kleine Spitze im Erdreich des schönen Hes-senlandes konservierte, deren äußere Form zudem etwas verändert wurde, damit sich ihr Erscheinungsbild besser dem um sie herum im Stil der Zeit etwa zwischen 1777 und 1785 angelegten Parkareals anpasste. Hierbei folgte man übrigens ei-ner Empfehlung Johann Wolfgang von Goethes, der während des großen Einwei- hungsfestes am 24. Juli 1801 den jubelnden Anwesenden vom Schneckenberg herab seinen bekannten Spruch aus Valmy zurief: Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus, und ihr könnt sagen, ihr seid dabei gewe-sen.
Durch diese glücklichen historischen Fügungen sind somit zur großen Freude mo-derner Reiselustiger nach dem Lesen der Flyer endlich keine Urlaubsreisen mehr ins Land der Pharaonen notwendig, weil sie ja nun die Cheopspyramidenspitze wesentlich bequemer und gemütlicher mitten im schattigen Park einer hessischen Stadt bestaunen können. Glauben Sie also bloß nicht jenen offiziellen Märchen, welche Touristenbroschüren oder Internetseiten Ihnen gerne über den Staatspark Wilhelmsbad erzählen möchten!
Es ist wirklich erstaunlich, welchen Humbug man den Leuten heutzutage andre-hen kann!, grinste daraufhin Danny Brown wieder mit diesem spöttischen Unter-ton in seiner Stimme. Und jetzt, wo Hanaus Touristengeschäft dank deines rastlo-sen Einsatzes sicherlich brummt, bist du vom Magistrat als Auszeichnung für sol-che großartigen Verdienste um die Gebrüder Grimm Stadt garantiert auch schon zur Ehrenbürgerin auf Lebenszeit ernannt worden.
Leider noch nicht, klang die die Antwort ein bisschen enttäuscht, vielmehr gab es bis jetzt bereits zehn außerordentliche Dringlichkeitssitzungen im Stadtparlament zur Frage aufgebrachter Bürger, weshalb seit dem Frühjahr 2016 Massen hupen-der Autos und Busse regelmäßig den Verkehr kollabieren lassen…und womit die ständig akute Hotelzimmerknappheit zusammenhängt, wegen der nun überall auf Luftmatrazen oder in Zelten campierende Personen anzutreffen sind.
Innovationsproblemlösungen
~ Ansatz A: Betriebsanweisung Nr. 46 ~
Aufgrund der am Cosmosquare vorhandenen Überschwappungsgefahr durch starken Schiffsverkehr verursachter Wellen über die befestigten Ufermauern hin-weg, besteht dort jederzeit ein Risiko, dass plötzlich auftretende große Wasser-massen ins Innere des Tiefbahnhofs eindringen, von wo aus sie rasch die übrigen unterirdisch verlaufenden Streckenbschnitte des U-Bahnnetzes der Stadt Osaka erreichen können.
Zur Vermeidung eines während der fahrplanmäßigen Stops in den Tiefbahnhöfen möglichen Eintretens schmutziger Wassermengen durch die geöffneten Türen in das Wageninnere infolge bereits bestehender Überschwemmungen bzw. uner-wartet hereinbrechender Fluten sowie damit verbundener exorbitanter Kosten für Reinigungspersonal, gelten im Rahmen kürzlich vom Verkehrsbüro beschlossener restriktiver Sparmaßnahmen beim Anfahren aller unterirdischen Haltestellen seit dem 01.05.2012 folgende Vorschriften:
§1
Beim Erreichen der jeweiligen Station ist nach dem Halten des Zuges ein Öffnen der Wagentüren strikt untersagt, worauf die in den oberirdischen Bahnhöfen ein-gestiegenen Fahrgäste bereits während der Fahrt durch auf Japanisch und Eng-lisch zu erfolgende Lautsprecheransagen höflich, aber dennoch bestimmt, hinzu- weisen sind, um unwillige Unmutsäußerungen unbedingt zu verhindern.
§2
Bereits auf Bahnsteigen Wartende sind mit Verweis auf eine durch die latente Wasserbedrohung nicht mehr gewährleistbare Betriebssicherheit in den gleichen Sprachen ebenso unmissverständlich zum sofortigen Verlassen des Stationsbe-reiches und zur Suche nach anderen Beförderungsmöglichkeiten aufzufordern; dabei ist von besagten Personen an stehenden U-Bahnen weder neugierig interes-siert durch Fenster zu schauen, spaßeshalber gegen Türen zu klopfen noch Fahr-gästen komische Grimassen zu schneiden, um so trotz erfolgter Mitteilung immer noch Aussteigewillige in den Abteilen zur eigenen Belustigung zu ärgern.
~ Ansatz B: Betriebsanweisung Nr. 58 ~
Aufgrund ihrer sehr großen Dimensionen können in Yokohamas Hafengewässern windbedingt jederzeit unruhige Wellenbewegungen entstehen, welche verstärkt durch hohes Schiffs- bzw. Bootsaufkommen erzeugte immensen Wasserverdrän- gungen ab Höhe des Fährterminals plötzlich zu verheerenden Tsunamis anwach-sen und als solche über die Corniche hinweg gewaltige Flutmengen ins Innere des Endhaltepunktes MM06 Motomachi-Chukagai spülen, von wo aus sie sich ra-send schnell über den vollständigen unteridischen Verlauf der von uns mitbedien-ten Minatomirai-Linie ergießen, sowie wildreißenden Sturzbächen gleichend im Bahnhof TY21 Yokohama das Tunnelabschnittssystem unserer eigenen, ruhmrei-chen Tokyu Toyoko-Linie erreichen.
Laut Vorstandsbeschluss vom 23.10.2012 ist Tokyu Kyuko Dentetsu K.K. als dyna-misch expandierendes, börsennotiertes Unternehmen definiert, dessen wirtschaft-liches Ziel primär darin liegt, allen unseren hochgeschätzten Anlegern künftig auf Aktionärsversammlungen ausschließlich Kursverläufe mit eindeutig steigender Ten-denz präsentieren zu dürfen.
Zur unbedingten Vermeidung eines während der fahrplanmäßigen Aufenthalte in den Tiefbahnhöfen möglichen Eintretens schmutziger Wassermengen durch geöf-fnete Türen ins Wageninnere infolge existierender Überschwemmungen bzw. un-erwartet hereinbrechender Springfluten sowie damit verbundener exorbitanter, die Quartalszahlen mindernden und Anleger verprellenden Kosten für teures Reinigungspersonal gelten seit dem 01.11.2012 folgende Vorschriften:
§1
- Nach erfolgter Tunneleinfahrt in den unterirdischen Gleisabschnitt ist beim Er-reichen der Bahnhöfe trotz fahrplanmäßig vorgesehenen Haltens ein Öffnen der Wagentüren strikt untersagt, worauf jene ab Shibuya eingestiegenen Passagiere bereits während des Fahrtablaufs per Lautsprecher durch auf Japanisch und Eng-lisch zu erfolgende Ansagen höflich, aber bestimmt, hinzuweisen sind, um somit vor Ort Unmutsäußerungen Aussteigewilliger vorzubeugen.
- Aufgrund der massiven Gefährdungssituation sind besagte Fahrgäste darüber hinaus am letzten oberirdischen Stop Richtung Motomachi-Chukagai in der glei-chen Durchsageweise zum aus Gründen der Betriebssicherheit zwingend erfor-derlich gewordenen Zugausstieg aufzufordern.
- Umgekehrt ist bereits in Tiefbahnhöfen Wartenden unter Hinweis auf die durch latente Wasserbedrohungen leider nicht garantierbare Sicherheit für Leib und Leben in der bereits erwähnten Form möglichst zügiges Verlassen des Stationsbe- reiches nahezulegen.
§2
- Um unseren Fahrgästen weiterhin erstklassige öffentliche Nahverkehrsdienst-leistungen anbieten zu können, besteht für die unterirdischen Abschnitte ein spe-ziell dafür oberirdisch eingerichteter Schienenersatzverkehr, dessen Benutzung ebenfalls mit Hilfe auf Japanisch und Englisch zu erfolgenden Lautspecherdurch-sagen klar sowie energisch anzuraten ist.
- Im Rahmen dieses Services sind alle am letzten oberirdischen Halt Richtung Motomachi-Chukagai Weiterfahrwillige auf einen am Bahnsteig in auffällig roter Dienstkleidung schon aufbruchsbereit wartenden Zweitzugführer zu verweisen, der sie entsprechend ihres am Ticketautomaten gewählten Fahrtzieles sowohl schnell als auch sicher durch Yokohamas Straßenzüge bis zur jeweils als oberir- discher Sammeltreffpunkt gekennzeichneten Ersatzstation geleiten wird.
- Sich auf den unterirdischen Bahnsteigen aufhaltenden, uninformierten Einstei-gewilligen ist hingegen in verständlichen Worten die exakte Position der sich oberhalb des Tiefbahnhofs befindlichen, jeweils als Sammeltreffpunkt eindeutig gekennzeichneten Ersatzstation, an welcher sie gemäß ihres am Ticketautomaten gewählten Fahrtzieles sowie dort aushängender Abholpläne von einem in mar-kanter, rot leuchtender Dienstuniform gekleideten Zweitzugführer empfangen und anschließend schnell, aber professionell, durch Yokohamas Straßenzüge Richtung Shibuya oder Motomachi-Chukagai geleitet werden, äußerst kundenfreundlich zu bezeichnen.
§3
Zur unbedingten Vermeidung einer Gefährdung einzelner versprengter Fahrgäste, die aufgrund häufigen Gedränges entlang der Corniche den dortigen Bahnhofs-ersatzbereich trotz eindeutig erfolgter Durchsagen nicht ausfindig machen kön-nen und daher panisch desorientiert in die Station Motomachi-Chukagai zurück-ei-len, um von dort aus kopflos auf eigene Faust durch die Tunnel Richtung Shi-buya zu gelangen, sind sämtliche unterirdische Leerfahrten grundsätzlich nur mit Schrittgeschwindigkeit sowie dabei eingeschaltetem Fernlicht erlaubt.
§4
- Als Zweitzugführer eingesetzte Zugführer haben sich auf ihrem Weg durch Yo-kohamas Straßenzüge ausschließlich sowie kritiklos an die von der im obersten Stockwerk des Landmark Tower sitzenden Fahrtdienstleitung vorgegebenen Rou-ten zu halten, weshalb deren eigenmächtiges Verlassen strikt untersagt ist.
- Des Weiteren ist es allerstrengstens verboten, Passagiere außerhalb markierter oberirdischer Ersatzstationen aus der zweitzugführerischen Obhutsfürsorge zu entlassen, da jene Wegstreckenteile als analoge Tunnelabschnitte zwischen den entsprechenden Tiefbahnhöfen definiert sind. Hiervon darf ausdrücklich nur beim Eintreten betrieblicher Sicherheit dienender Ausnahmesituationen, deren eindeu- tiges Vorliegen einzig und allein vom diensthabenden Fahrtdienstleitungssuper- visor festgestellt wird, abgewichen werden, und dies lediglich unter präzisester, gehorsamster Befolgung aller durch ihn angeordneten Anweisungen.
~ Ansatz C: Briefing Nr. 28.2.2.2.1 Version D ~
Vertraulich! Nur für den Dienstgebrauch!
Einleitung
Im Rahmen der am 05.02.2013 durchgeführten großen Betriebsbegehung wurde festgestellt, dass sämtliche Fahrtdienstleiter während ihrer ohnehin sehr mitarbei-terfreundlich bemessenen Pausen mit den speziellen Dienst-Ferngläsern bewaffnet zur Ostseite des Landmark Tower eilten und dort bei wetterbedingt nur einge-schränkt vorhandenen Sichtverhältnissen auf die Silhouette des altehrwürdigen Vulkans quasi in einer Art Sportveranstaltung um das Erhaschen der eindrucksvol-lsten Impressionen wetteiferten. Kurz darauf bezirzt vom magischen Einfluss sich geheimnsivoll abzeichnender, fast geisterhaft im Wolkendunst verschwimmender Schemen steigerten sich die Teilnehmer hierbei in enthusiastische, realitätsfremde, dienstlich inakzeptable Schwärmereien hinein, was zahllose Beanstandungen so-wie negative Vermerke im Begehungsprotokoll zur Folge hatte.
Aus diesem bedauerlicherweise gegebenen Anlass, der unseren hochverehrungs-würdigen Vorstand mit tiefer Trauer, aber auch großem Unmut erfüllte, weisen wir alle im Landmark Tower als Fahrtdienstleiter eingesetzten Angestellten ausdrück-lich und eindringlich auf eine durch visuelle Tücken des heiligen Fuji erzeugte all-gegenwärtige Bedrohungslage für korrektes Umsetzen gültiger Vorschriften hin, weshalb jene bereits in Version A-C ausgeführten Belehrungen leider nochmals unmissverständlich in Erinnerung gerufen werden müssen.
Verbot einer Streckenführung entlang der Corniche
So beobachteten die schier sprachlos wirkenden Kommissionsmitglieder aus ih-rem Versteck heraus bei nicht wenigen der wie benebelt an ihren Beobachtungs- platz zurückgeschlenderten Mitarbeiter bedenklich großzügige Umgangsweisen mit von Zweitzugführern im Linienabschnit Corniche A an sie herangetragenen Routenänderungswünschen, welche unsere Fahrgäste entlang des Promenaden-weges leiten wollten, um ihnen somit während der oberirdischen Ersatzzugfahrt schöne Blicke auf Yokohamas gewaltige Hafenanlagen und das im nahen Ver-gnügungspark stehende Riesenrad zu bieten, anstatt die vom Fahrtdienstleitungs-navigationssystem vorgegebene Strecke auf dem höher gelegenen Uferstraßen-bürgersteig pflichtgemäß umzusetzen.
Derart leichtfertigen, aus einem falschen Verständnis von Kundenfreundlichkeit re-sultierenden Streckenabweichungsvorschlägen ist grundsätzlich nicht zu entspre-chen, weil unberechenbar auftretende Hafenwellenaktivitäten, auch ohne dabei entstehende Tsunamis, jederzeit genügend Wassermengen über die Ufermauern spülen können, welche es für Ersatzzugpassagiere anschließend zwingend erfor-derlich machen, ihre Gehfahrten nassen Fußes fortzusetzen. Vielmehr sind vom Landmark Tower herab die strikten Einhaltungen aller vom Fahrtdienstleitungnavi- gationssystem ausgegebenen Routenpläne mit den dafür vorhandenen speziellen Dienst-Ferngläsern unter geflissentlichem Überhören etwaig nach oben herange-tragener „kundenfreundlicher“ Wegalternativen penibelst genau zu überwachen. Es liegt hierbei zudem im Ermessen des einzelnen Fahrtdienstleiters, anfragende Zweitzugführer streng darüber in Kenntnis zu setzen, dass bestehende Routenvor-gaben stets dem unterirdischen Tunnelverlauf folgen, und theoretische Bahninsas-sen dort in der Tiefe daher logischerweise ebenfalls keine Aussichtsmöglichkeiten auf Yokohamas Hafenpanorama oder das Riesenrad hätten.
Jener besagte Argumentationsspielraum darf jedoch nicht dazu missbraucht wer-den, Zweitzugführern bei sich eventuell stimmlich weiter zuspitzenden Fachdiskus-sionen Anweisungen im Sinne verächtlicher Machtdemonstrationen aus einer hö-heren, vermeintlich besseren Position heraus zu erteilen. Überhebliches, von oben herablassendes Gerede, etwa Ich kann hier bei dem schönen Wetter heute über die Yokohama Bay Bridge bis auf die andere Seite der Tokio-Bucht nach Kisara- zu, ja, sogar Aohori blicken, SIE ganz da unten vom Promenadenweg aus hinge- gen nicht. Also hopp, hopp, tun Sie gefälligst das, was ich Ihnen sage!, will die auf einen auch in angespannten Gesprächssituationen verwendeten höflichen, re-spektvollen Konversationsstil allergrößten Wert legende Abordnung beim ihrem nächsten Begehungstermin unter keinen Umständen mehr hören.
Umgang mit selbsternannten „ortskundigen“ Zweitzugführern
Absolut fassungslos wurde bemängelt, dass aufgrund euphorischer Rauschzustän-de in ihrem Pflichtbewussstein nicht unwesentlich eingeschränkte Fahrtdienstleiter nach den Pausen im kommunikativen Umgang mit jener Sorte Zweitzugführer, die mittels Vorgaukeln außerordentlicher lokaler Ortskenntnisse lediglich auf berufli-che Vorteile spekulieren, erschreckend kurzfristig angelegte Denkweisen erkennen ließen und daher leider nur allzu leicht Opfer raffinierter Einflüsterungen zum Er-teilen kühnster Ausnahmegenehmigungen hinsichtlich der vom Fahrtdiensteitungs-navgationssystem berechneten, alleine maßgeblichen, dem realen unterirdischen Tunnelverlauf folgenden Routen wurden.
In fünf unerträglichen Fällen mussten besagte Zweitzugführer, welche Yokohamas Straßenzüge besser zu kennen glaubten als unsere hochmoderne, computerge-steuerte Navigationstechnik unter schockierten Augen der vom Versteck aus alles mitansehen müssenden Begehungskommission ihre selbstverschuldet fehlgeleite-ten Züge aufgrund einer im Schatten mehrer Hochhäuser völlig unerwartet, wie aus dem Nichts eingerichteten kompletten Fahrbahn- und Gehwegsperrung infol-ge akut notwendig gewordener Brückenbauarbeiten umständlich wieder bis zum oberirdischen Haupttunnel zurücklenken, was Verspätungen von über 45 Minuten sowie empörte Reaktionen wütend auf Armbanduhren klopfender Fahrgäste wie Das nächste Mal fahren wir mit Japan Railways, die haben wenigstens Ahnung! nach sich zog. Internen Ermittlungen der sofort eingeschalteten Dienstaufsicht zu-folge waren die geschickt gewählten zweitzugführerischen Argumente, bei den Abkürzungen handele es sich um betriebliche Nebentunnel, deren Begehen folg-lich vorschriftenkonform sei, allesamt mit Hoffnungen verbunden, letzte noch aus-stehende Punkte bis zur ersten Beförderung durch Überpünktlichkeit rasch errei-chen zu können. Solch vorsätzliches dienstliches Fehlverhaltens ist skandalös und schadet dem erhabenen Börsenruf unseres Unternehmens!
Deshalb erfolgt hier der dringendste Hinweis, dass im Sinne börsenstrategischen Agierens vorausschauende, sich ausschließlich auf fahrtdienstleitungsnavigations- technische Routenvorgaben stützende Anweisungen gegenüber Zweitzugführern hinsichtlich von ihnen einzuschlagender oberirdischer Tunnelwege durch Yokoha-mas Sraßenzüge oberste Priorität besitzen. Ihre gehorsamsten Befolgungen sind hierbei mit den dafür vorhandenen speziellen Dienst-Ferngläsern permanent im Auge zu behalten und dreiste Versuche eines Abschwatzens abkürzender Geher-laubnisse notfalls sogar per Befehl erfolgreich zu unterbinden.
Überwachung von Liebespaaren speziell durch Fahrtdienstleiterinnen
Wahrlich entsetzt zeigte sich die Abordnung angesichts im Zusammenhang mit durch Dienst-Ferngläser erhaschten vergrößerten Blicken auf Japans heiligen Berg bei sämtlichen Fahrtdienstleiterinnen aufgetretenen aphrodisierenden Wirkungen, welche daraufhin im weiteren Verlauf erschütternd wahrnehmungsgestörtes Ver-halten hinsichtlich obliegender Überwachungspflichten an den Tag legten.
Wie bereits bekannt, kommt es im oberiridschen Tunnelabschnitt zwischen Corni-che und Landmark Tower immer wieder zu besonders schweren Zwischenfällen, dass verliebte Pärchen, töricht geworden durch die Machenschaften der Illusion, beim Erblicken des zu heiterem Amüsement animierenden Riesenrades in ihrer spontan aufkommenden emotionalen Gier nach romantischen Drehrunden sich während der Ersatzzugfahrt bei der erstmöglichen Gelegenheit vom ordnungsge- mäß dem Zweitzugführer folgenden Passagierstrom absondern, um das ersehnte Spaß-Objekt schnellstmöglich zu erreichen; obwohl derlei unerlaubtes Entfernen gemäß unseren allgemeinen Beförderungsbedingungen als vorsätzliche, eigen-mächtigem Türenöffnen während unterirdischer Tunnelfahrten mit anschließend unbefugtem Herausspringen aus dem Waggon entsprechende Zuwiderhandlung definiert ist. Anstatt aber nun dem Zweitzugführer sofort den Nothalt und umge-hende Zurückbeorderung jener albern herumturtelnden Betriebsablaufstörer per dafür vorgesehener Trillerpfeife vom oberiridischen Tunnelbereich ins sichere Zug-abteil zu befehlen, kam es seitens der Fahrtdienleiterinnen zu gänzlich konträren Reaktionen: Wie beim Anschauen kitschiger, drittklassiger Hollywoodfilme in völ-lig überzogenen romantischen Vorstellungen über die Liebe schwärmend, sowie absolut unwissend, dass diese stets nur einem schrecklichen Blindflug gleicht, folgten sie mit dem Dienst-Fernglas unter sentimentalen Seufzern oder gar rühr-seligen Kommentaren wie Hach, sie wirkt so unendlich glücklich an seiner Seite! dem Weg der Händchen haltenden – oder noch schlimmer: Arm in Arm gehen-den! – Verliebten bis zum Vergnügungspark.
In einem besonders verantwortungslosen Fall konnte nur durch reaktionsschnelles, energisches Eingreifen des mit dem schallenden Ruf Ich weise Sie hiermit dienst-lich an: Befehlen Sie dem Zweitzugführer jetzt auf der Stelle den Nothalt und so-fortigen Einsatz der Trillerpfeife!!!! beherzt aus seinem gut getarnten Versteck her-vorspringenden Kommissionsvorsitzenden in letzter Sekunde Schlimmstes vereitelt werden.
Wir ermutigen daher alle Damen der Fahrtdienstleitung freundlich, während ihrer Tätigkeitsausübungen frei zu werden von jeglichen Gefühlsanwandlungen, so wie es Buddha die noch unerleuchteten Wesen lehrt, und gemäß des uns durch Pries-ter Rensei im No-Spiel Die Flöte des Atsumori zufliegenden Appells
Die Welt ist nur ein Traum,
Die Welt ist nur ein Traum,
Erst wer sie von sich wirft, erwacht.
sich scheinbar Liebende als sogleich entlarvte wahnhafte Trugbilder besonders gewissenhaft mit den dafür vorhandenen speziellen Dienst-Ferngläsern optisch zu fokussieren.
Schlussausführungen
Aufgrund dieser mit auf solche Weise herbeigeführten vergrößerten Blicken auf Nippons immer schneebedecktes Wahrzeichen verbundenen erheblichen Gefah-ren für eine psychisch stabile Vefassung als Fahrtdienstleiter eingesetzter Mitar-beiter sowie dadurch auftretender eklatanter Betriebssicherheitsrisiken ist dessen staunende Beobachtung durch in den östlichen Bereich des Landmark Tower mit-genommene Dienst-Ferngläser grundsätzlich verboten. Auch zu derartigen Zwe-cken erfolgendes Mitbringen privater Feldstecher, Opernferngläser oder anderer Geräte mit zoomenden Wirkungen zum Dienst wird unter keinen Umständen ge-duldet. Bei Verstößen drohen ausnahmslos disziplinarische Konsequenzen bis hin zum demütigenden Einsatz als einfache Reinigungskraft.
Yokohama, den 28. Februar 2013
i.A.
Motomasa (Fachbereichsdirektor Qualitätssicherung)
Ja, ich habe heute von diesem wichtigen Briefing Kenntnis erhalten:
Datum / Unterschrift (Fahrtdienstleiter/-in)
Divertimento für Fotogeschichten C-Dur Op.1 "La Irreguliosa"
~ Allegro ~
So wie die im Tokioter Daimyo-Garten Koishikawa-Korakuen stehende irreguläre Steinlaterne hinsichtlich Form und Gestalt gegenüber ihrer konservativen Verwandt-schaft abweichende Standpunkte vertritt, verweist das von einer jungen Hanauer Sensationsfotografin im elterlichen Früh-lingsgarten gierig festgehaltene unregel-mäßige Leuchten lebhaft flackernder Kro-kuskerzenflammen auf sich von der bis-lang streng kontrapunktisch ausgerichte-ten Fugentechnik nicht unerheblich unter-scheidende heitere sowie unbeschwerte Elemente, welche in dieser Gattung nun den charakteristischen Schwerpunkt foto-geschichtlicher Komposition bilden.
~ Andante ~
Die folgenden Ansichten aus einem hei-mischen Herbstgarten zeigen Betrachtern klar, dass seine Besitzer während dieser Jahreszeit nicht unbedingt nach Japan reisen müssen, um in dortigen Parkanla- gen gemächlich den rot leuchtenden „Ja-panischen Fächerahorn“ bewundern zu können.
~ Scherzo ~
An einem strahlenden Herbsttag kippte die nahe des Leuchtturms von Enoshima wohnende Katze Neko plötzlich mitten auf dem Weg vor lauter Lachen seitlich um, als sich nämlich 19, vom schweiß-treibenden steilen Treppenaufstieg sicht-lich erschöpfte Austauschschüler und de-ren 2 Lehrer ächzend an ihr vorbei-schleppten, um danach für die ihnen im Reiseführer versprochenen Ausblicke auf den Pazifik sowie Japans Küste mit zu-sammengebissensten Zähnen noch den Anzeiger wichtiger Schiffssignale erklim-men zu müssen.
Und als Neko sah, wie alle bloß mit den Köpfen schüttelten, wütend über die eige-ne Dummheit empört in Richtung des ge-rade bewältigten Stufenweges zurück- blickten, wobei nicht wenige lauthals über die kleine Insel schimpften, miaute sie in ihre Pfote: Tja, schon wieder kom-men Touristen, denen es leider erst hier oben auffällt, dass sie den wirklich äu-ßerst beschwerlichen Aufstieg sehr viel bequemer per Rolltreppe hätten bewälti- gen können!
Einige Zeit darauf fiel Neko plötzlich er-neut vor schallendem Gelächter seitwärts hin, als ihr die gleiche Gruppe, diesmal jedoch im Vegleich zur Begegnung vor-hin körperlich vollkommen verausgabt so-wie klatschnass geschwitzt, aus Richtung der weit unten gelegenen Meereshöhlen mit letzten vereinten Kräften entgegen- schwankte.
Und sofort bemerkte die Katze, wie sich alle dabei an die Stirn tippten, zornig über zu viel Leichtgläubigkeit voller Ver-achtung auf den nun endlich hinter ihnen liegenden stufigen Leidensweg zurück- blickten sowie Enoshima unüberhörbar verwünschten, worauf sie in ihre Pfote miauend sinnierte: Tja, auch sie haben später in den Grotten wohl das Aufsichts- personal gefragt, wo denn die rettende bequeme Rolltreppe nach oben sei!
~ Presto ~
Anders als im 2. Satz führen hingegen folgende Aufnahmen rasch zu der Er-kenntnis, dass Besitzer heimischer „Japa- nischer Fächerahorne“ sich schnellstmög-lich für den Herbst nach günstigen Flü-gen ins Land der aufgehenden Sonne er-kundigen sollten, wenn sie während die-ser Jahreszeit beim Spaziergang durch Tokios Daimyo-Garten Rikugien einer re-gulären Steinlaterne begegnen möchten.
E N D E
Fotogeschichtliche Kontrapunktserie Nr. 8 Das galante Hanau-Münzenberg, nicht Sachsen!
Erzählrunde 1
Karussellpferd Theluma: Jetzt mal diskret unter uns, Freunde, wenn wir die Sache wirklich objektiv analysieren, bringt Corona teils durchaus positive Begleiterscheinungen.
Karussellpferd Helanchri: Wie kannst du so etwas behaupten????? Schäm dich, Theluma!!!!! Nach allem, was seit März 2020 passierte!!!!!
Karussellpferd Helanchri: Und heute, zwölf quälende Monate später, am 03. März 2021, ein erkennbares Ende der Fahnenstange reines Wunschdenken. Lauscht dem Impfstreit zwischen EU und Großbritannien. Scharfe Töne.
Karussellpferd Ingeborg: Deutschland sowie Dennis Kevins vor knapp dreieinhalb Jahren aus geschichtlicher Versenkung hervorgezauberte Grafschaft Hanau-Münzenberg stecken seit November im Lockdown 2 fest. Keine Aufhebung in Sichtweite. Menschen drehen am Rad. Worst-Case-Szenario volle Kraft voraus. Optimisten vollführten letzten Sommer Freudentänze, das Gröbste schien überstanden. Pustekuchen. Und DU laberst was von positiv!
Karussellpferd Leporello: Bergamo. Lockdown 1. Ländergrenzen trotz Schengenabkommen unpassierbar, Maskenpflicht. Abstandsregeln, Kontaktbeschränkungen, verschobene Sommerolympiade, Bundesligaspiele in leeren Stadien. Ein Thermalbad, was ist das?
Karussellpferd Spartacus: Schulschließungen. Home-Schooling. Home-Office. Ausgefallene Weihnachtsmärkte. Silvesterverbot. Keine öffentlichen Gottesdienste. Tourismus und Gastronomie am Boden. Existentiell gefährdete Einzelhändler. Kultur- und Vereinsleben passé.
Karussellpferd Ascana: Gravierende psychische Schäden. Folgen sozialer Isolation, besonders unter Kindern und Jugendlichen, werden uns lange beschäftigen.
Karussellpferd Ingeborg: Kurzum, laut WHO internationaler Gesundheitsnotstand.
Karussellpferd Theluma: Richtig. Ich meine damit auch mehr, dass manche Leute trotz alledem mutig auftreten.
Karussellpferd Leporello: Mutig auftreten?
Karussellpferd Theluma: Mitten im krisenerschütterten Äon begehren Menschen auf, behalten Ansichten keinesfalls für sich.
Karussellpferd Ingeborg: Ach, du meinst diese Querdenkerbewegung.
Karussellpferd Theluma: Erinnert ihr euch an den spektakulären Rechtsstreit wegen dieser Großdemonstration in Berlin? Beim Oberverwaltungsgericht gewannen die Kläger.
Karussellpferd Simon: Obgleich der anschließende Protestspaß relativ kurz ausfiel.
Karussellpferd Hatatitla: Verstöße gegen Coronaauflagen. Dennoch bewies Berlins Richterspruch, dass Meinungsfreiheit in einer funktionierenden Demokratie trotz kritischer Situation weiterhin ein schützenswertes Grundrecht darstellt; und eben keine neuen SED-Verhältnisse hereinbrechen, wie Coronagegner bisweilen vereinzelt behaupten.
Karussellpferd Missi: Wovon Hanau-Münzenberg natürlich meilenweit entfernt liegt. Fängst dir von Mister Universum einen Lettre de cachet ein und ab in die Verbannung. Oder landest neuerdings in den Biebergemünder Bergwerksstollen.
Karussellpferd Leporello: Oder in Villbach, darfst unterhalb der Ruine Beilstein metertief nach jenem sagenumwobenen Schatz graben.
Karussellpferd Simon: Freunde, die Staustufe Großkrotzenburg!
Karussellpferd Theluma: Endlich! Normalerweise liegt Klein-Krotzenburg einen Katzensprung von Hanau entfernt. Eingeführte Grenzkontrollen verwandeln diesen jedoch zur Odyssee. Ohne entsprechende Negativnachweise, entweder vom Testzentrum beziehungsweise direkt vor Ort kommt keiner aus Hanau-Münzenberg raus, geschweige denn rein. Sind derzeit beim Überqueren wichtiger als Ausweisdokumente.
Karussellpferd Spartacus: Überall Testpersonen in beängstigenden Schutzanzügen. Als ob das Weltende bevorstünde. Reale Science Fiction. Gespenstisch.
Karussellpferd Helanchri: Ja, Freunde, wir leben tatsächlich in außergewöhnlichen Zeiten. Da müssen Karussellpferde extra über die Staatsgrenze an einen möglichst unauffälligen Ort, damit Dennis Kevins Untertanen überhaupt aussagebereit sind. Sogar für uns Wilhelmsbader Autoritäten birgt die Fahrt hierher Risiken.
Karussellpferd Simon: Weshalb Schutz und Sicherheit aller Beteiligten oberste Priorität besitzen.
Karussellpferd Hatatitla: Stehen doch seit dem Dreikönigstag per Gesetz zahlreiche Äußerungen, welche unseren Sonnengrafen vom Main inclusive Familie desavouieren, unter Strafe. Ganz ehrlich, niemand riskiert ein Jahr lang Schufterei in finsteren Schächten.
Karussellpferd Missi: Auf diese Weise bestraft Dennis Kevin I. Graf von Hanau-Münzenberg alle Orchestermusiker, die durch unvorsichtige Behauptungen im Konzert vom neuen glanzvollen Versailles, schmuck gelegen an Kesselstadts Mainufer, Misstöne erzeugen.
Karussellpferd Ascana: Spinnst du????? Geht’s noch lauter????? Schleusen besitzen auch Lauschorgane!!!!! Selbst wenn des Herrschers Paragraphen explizit auf Hanau-Münzenberger Gebiet gelten…bei absolutistischen Despoten ist Vorsicht geboten.
Karussellpferd Missi: Zumal im Kontext abstrusester Corona-Verschwörungstheorien das Gerede umgeht, Hanau-Münzenbergs Potentat sei ein raffiniert als feudaler Ausbeuter getarnter Kommunist, von Moskau bezahlt sowie gezielt zum Revolutionsjubiläum 2017 als Marionette installiert, einzig und allein mit dem Ziel, vermittels einer gezielt herbeigeführten Pandemie, ausgebrochen zufälligerweise im Lande Mao Tse Tungs, die 1991 untergegangene Sowjetunion neu zu errichten; und mit ihr den gesamten früheren Ostblock.
Karussellpferd Spartacus: Dem prestigeträchtigen Hofe verständlicherweise höchst unerwünschtes Gemunkel.
Karussellpferd Ascana: Deshalb, Freunde, beschwöre ich euch nochmals eindringlich: Wählt auch abseits der Grenzlinie eure Worte bedachtsam! Lasst stets sprachliche Sorgfalt walten!
Karussellpferd Ingeborg: Sei unbesorgt, sind schließlich nicht blöd.
Karussellpferd Hatatitla: Leporello, hast du zufällig noch den gestrigen Chatverlauf? Sollten kurz vor dem Treffen alles von Neuem sorgfältig prüfen. Am Ende sitzen wir einer Finte auf. Reinlegen will Dennis Kevin uns bekanntlich schon lange, grollend darüber, dass Wilhelmsbads Parkattraktionen sich freies Wiehern niemals verbieten lassen. Dazu blanker Neid, weil Hanau voller Stolz seine Lieblinge verehrt. Im 2016 wiedereröffneten ältesten Karussell der Welt stecken Unmengen Lokalpatriotismus.
Karussellpferd Leporello: Hier, nichts gelöscht.
Karussellpferd Hatatitla: Supi.
Hallo, liebe Karussellpferdchen. Ich bin Carla aus Hanau.
Hi, Carla, herzlich willkommen auf unserem Account. Du schreibst mit Leporello. Wie geht es dir?
Bitte, ihr müsst mir dringend helfen!!!!! Bitte!!!!!
Wow, Leporello, deine Fangfragen, Trick 17. Respekt!
Wie alt bist du denn, Carla, wenn ich fragen darf?
14.
Dann bist du also als Marketenderin mit im Spessart gewesen?
Nein, war erst 11. Oh Gott…aber meine Cousine Marietta, die Arme, ist doch mit den anderen Marketendermädchen stattdessen mit dem Zug in Wächtersbach gestrandet. Warte, schicke grade mal ihr Erinnerungsfoto. Oh Gott…eigentlich darf ich ja gar nicht drüber sprechen.
Karussellpferd Leporello: Musste mich ja vergewissern, dass ich auch wirklich mit einer Carla texte.
Karussellpferd Hatatitla: Der Wächtersbacher Bahnhof. Aufnahmedatum 01. Juli 2018. Sie sendet dir unaufgefordert einen einfachen, unbearbeiteten Schnappschuss als Beweis, erklärt korrekt, aufgrund des zu jungen Alters selbst nicht dabei gewesen zu sein, dafür ihre Cousine. Schlussfolgerung: Marietta damals mindestens 12. Detailkenntnisse sind nachweislich vorhanden. Und angesichts drakonischer Maßnahmen war ohnehin kaum mehr zu entlocken. Denke, diese Carla ist echt. Kein Scherge des Grafen.
Was ist denn passiert, Carla?
Oh Gott! Papa!
Was ist denn mit deinem Vater?
Oh Gooooott, habe so eine Heidenangst!!!!! Bitte, hilf mir, Leporello, bitte, bitte, bitte, hilf mir!!!!!
Zweifellos: Das Flehen einer Verzweifelten.
Gut, Carla, dann komme rasch zum Karussell.
Nein, bloß nicht in Hanau-Münzenberg!!!!! Können wir uns
lieber irgendwo in Deutschland treffen?
Problemlos. Kennst du die Schleuse Großkrotzenburg?
Logisch.
Morgen, 9.30 Uhr, auf der Klein-Krotzenburger Seite vor der
Treppe hoch zur Staustufe? Oder habt ihr Schule?
Perfekt, ne, bei uns ist wegen Corona zur Zeit
Wechselunterricht angesagt. Geht.
Oki, dann bis morgen, Carla. Und hab keine Angst, wir
sind für dich da.
Daaaaaaaannnnnkeeeschön, ihr lieben Karussellpferde.
Bis morgen.
Karussellpferd Leporello: Mit dem zufriedenen Gefühl im
Bauch, meine unbekannte, dennoch seriös wirkende
Chatpartnerin etwas beruhigt zu haben, orderte ich im
Anschluss flugs zwei Pferdetransportwagen, um uns über
die Grenze nach Klein-Krotzenburg zu bringen. Und hier
sind wir jetzt. Gleich 09.30 Uhr. Carla müsste jeden
Moment eintreffen.
Karussellpferd Missi: Öööööhhh…Leporello…Frage…bist
du sicher, dass du nur mit einer Userin geschrieben hast
Karussellpferd Leporello: Hundertpro. Warum fragst du?
Karussellpferd Missi: Da kommen nämlich fünf
Jugendliche auf uns zu.
Karussellpferd Helanchri: In dicken Winterjacken
steckend. Mit Schals. Die Mützen weit ins Gesicht
gezogen.
Karussellpferd Nela: FFP-2-Masken auf. Komisch, hier
besteht doch keine Verpflichtung. Kombiniere: Die wollen
unter keinen Umständen erkannt werden.
Karussellpferd Simon: Sie bleiben stehen.
Karussellpferd Ascana: Wirken ziemlich ängstlich. Treten
nervös auf den Füßen hin und her. Drehen sich ständig um.
Karussellpferd Ingeborg: Observieren unruhig den
Flussweg. Als ob jeder von ihnen rechtzeitig
Scheckgespenster erblicken wollte, welche mit gierigen
Fangklauen zwischen Bäumen und Büschen
hervorspringen, sie fortzuzerren.
Karussellpferd Missi: Seht, ein Mädchen löst sich
zögernd von der Gruppe, kommt vertrauensvoll auf uns zu.
Karussellpferd Leporello: Hallo, du bist bestimmt Carla!
Carla: Hey, und du garantiert Leporello, bist total
freundlich! Echt mega, dass ihr gekommen seid. Und das
sind Melissa, Fabian, Lukas und meine Cousine Marietta.
Ähm…ok für euch?
Karussellpferd Leporello: Kein Problem, Carla.
Carla: Ähm, duuuuuuu, Leporello…dürfen die anderen auch
erzählen?
Karussellpferd Theluma: Meine Güte, seht nur wie die Kleine furchtsam zittert!
Karussellpferd Ingeborg: Und wie leise sie haucht!
Karussellpferd Leporello: Selbstverständlich. Kommt!
Stopp! Schlage wegen der Bestimmungen vor, wir trennen
uns. Unerlaubte größere Gruppe. Braucht nur einer sehen
und ruft an, gibt davon in diesen außergewöhnlichen
Zeiten genug.
Karussellpferd Spartacus: Hast Recht. Deshalb, Freunde:
Theluma, Leporello, ihr bleibt mit Carla, Melissa und Fabian
hier. Hatatitla, Missi, ihr nehmt Lukas und Marietta sicher
ins Schlepptau, begebt euch die Staustufe hinauf, spaziert
zu den Schleusenkammern. Die übrigen verteilen sich,
stehen Schmiere. Man weiß nie.
Karussellpferd Ascana: Genauso läufts ab!
Karussellpferd Spartacus: Einmal lautes Gewieher
bedeutet: Gefahr schwebt in der Luft, Vorsicht! Zweimal
hingegen: Gefahr unmittelbar, abbrechen, abhauen! Ganz
wichtig, aufgrund der Maßnahmen sowie möglicher
gräflicher Spione zu keinem Zeitpunkt unnötig auffallen!
Abstand einhalten! Masken auf, auch wenn hier keine
Tragepflicht besteht! Denkt dran, ihr seid aus purem Zufall
hier, kommt ein bisschen ins Gespräch. So muss es
aussehen. Habt ihr das klar und deutlich verstanden?
Alle: Verstanden!
Karussellpferd Spartacus: Dann los!
Karussellpferd Leporello: Mein Vorschlag: Wir gehen am
besten ein paar Schritte rüber zum Ufergeländer, wo der
Main über das Wehr rauscht. Vor dieser angenehmen
Kulisse fällt es euch dreien bestimmt leichter, in aller Ruhe
darüber zu berichten, was eure Herzen bedrückt.
Einverstanden?
Fabian: Klar, Leporello!
Karussellpferd Theluma: Vergesst nicht, zunächst
unauffällig tun, also, ob wir zufällig gemeinsam die
Schleuse anschauen, dann allmählich miteinander
kommunizieren. Und Abstand!
Carla: Auf jeden Fall!
Karussellpferd Leporello: Okay, ich habe mich positioniert, betrachte nun direkt das Stauwehr. Euer Auftritt!
Karussellpferd Theluma: Das Waaandern ist des
Müüüllers Lust, das Waaaaaandern. Eees muss…nanuuuu!
Ei, gude Leporello, wie?
Karussellpferd Leporello: Ei, Theluma, was’n Zufall.
Schaust dir auch die Staustufe an?
Karussellpferd Theluma: Ei ja, weißt wie’s ist. Kommst ja
in Wilhelmsbad um vor Langeweile. Möcht wissen, wann
der Graf das Karussell wieder aufmacht. Biste schon länger
hier?
Karussellpferd Leporello: Nö, fünf Minuten oder so.
Wetter könnte halt angenehmer sein.
Karussellpferd Theluma: Merklich kühler als die letzten
Tage. Und dieser zähe Hochnebel.
Karussellpferd Leporello: Hartnäckig. Dennoch, immer
aufs Neue imposant. Aaaaaaah…ist das schön hier!!!!!
Melissa: Besser?
Carla: Jaaaaaaa, viiiiieeeeel besser! Perfekter Ort für Selfies!
Fabian: Heeeeyyy, seht mal, da stehen Theluma und Leporello von den Karussellpferden. Cool! Was macht ihr denn in Klein-Krotzenburg?
Karussellpferd Theluma: Och, wir stehen hier gerade so, gaffen die Schleuse an. Tote Hose im Staatspark. Und bei euch dreien? Alles soweit klar in Lockdownzeiten?
Karussellpferd Leporello: Pssssst, jetzt leise sprechen, Carla.
Carla: Oh Gott, es ist so schrecklich!!!!! Papa wurde vorgestern verhaftet und zu einem Jahr in Biebergemünd verurteilt. Weil er gegen das neue Gesetz verstoßen hat!!!!!
Karussellpferd Theluma: Das ist ja schrecklich, Carla! Bin schockiert. Bestürzt. Sprachlos. Hiobsbotschaften solcherart hätten wir nicht erwartet.
Karussellpferd Leporello: Und ich Naivling vermutete während unseres Chats, dein Papa sei an CoVid-19 erkrankt.
Karussellpferd Theluma: Bitte, Carla, nicht weinen. Ich weiß, es fällt dir momentan unendlich schwer, dennoch musst du tapfer sein. Wir dürfen um keinen Preis Aufmerksamkeit erregen.
Carla: Reiß mich zusammen. Gehe immerhin schon in 8. Klasse. Oh Goooott!!!!! Papa rief am 19. Februar ohne Vorwarnung zornig vom Balkon: „Und alles verdanken wir nur unserem Palaststürmer, dem neuen Herrn Lenin!!!!! Ha, da wundert’s euch????? Genosse Generalsekretär hat’s doch 2017 vorgemacht!!!!!“
Karussellpferd Leporello: Ooooooooh Goooooooooooott!!!!! Carla, er darf aber doch auch nicht lautstark die Russische Oktoberrevolution von 1917 zusammen mit dem hundert Jahre später erfolgten ruhmreichen Herrschaftsantritt Seiner Durchlaucht in Zusammenhang bringen!!!!! Jedes Hanau-Münzenberger Kind kennt das am 06. Januar 2021 verfügte Anti-Aurora Gesetz.
Karussellpferd Theluma: Obgleich – nebenbei bemerkt – Grafen traditionsgemäß allenfalls ‚Erlaucht‘ zusteht. Anmaßender Titel-Usurpator!
Carla: Weißt, Leporello, es wurde für ihn abends einfach zu viiiiiieeeeeel. Lockdown 2 macht Papa fertig. Meine Eltern besitzen doch das Geschäft. Und als im November zuerst dieser Lockdown „light“ losging, mussten sie als erste schließen. Laden zu. Wie beim Lockdown 1.
Fabian: Systemirrelevant.
Carla: Vom versprochenen Unterstützungsgeld bis heute kein müder Cent. Obwohl Mama tagtäglich im Schloss anruft. Sie weint. Wenn Papa weg ist. Damit er es nicht mitbekommt. An jenem Abend dann übertrugen die Nachrichten Bilder von der Gedenkveranstaltung. So traurig. So bedrückend. Wir fühlten uns hilflos und wütend wegen des Anschlags. Der ganze Albtraum von 2020 präsent. Papa rastete komplett aus, fuhr vom Fernsehsessel auf. Mama noch: „Was hast du vor, Schatz????? Komm sofort zurück!!!!! Sofort!!!!!“ Vergeblich.
Karussellpferd Leporello: Harter Tobak!
Karussellpferd Theluma: Ich schlucke vor Entsetzen! Ein Jahr Biebergemünd. Wobei im Spessart seit Ewigkeiten nix Ertragreiches mehr lagert. Inmitten von Corona. Unterirdisch keinerlei Covid-19-Regeln.
Karussellpferd Leporello: Schwierig, Carla, deinem Papa zu helfen. Irgendwelche Augen- und Ohrenzeugen, müssen ihn prompt beim Hanauer Bataillon verpfiffen haben.
Carla: Aber das können sie ihm doch nicht antun!!!!! Zumal ich Herrn Kaiser am 30. Oktober 2017 vor der Marienkirche begegnete!!!!! Wegen des großen Reformationsfeiertages bekamen Hanaus Schüler nach der dritten Stunde frei. Und ja, auf dem Nachhauseweg stand da Alessa Maries Vater hinter diesem Baum, exklusiv angezogen wie Adlige früher, gepudertes Gesicht, weiße Zopfperücke. Wie auf seinem erhabenen Youtubekanal, wo Kaisers Versailles aufleben lassen. Ungeduldig irgendein Gerät in der Hand haltend, Smartphone, keine Ahnung, wollte er in Kürze eine Taste oder einen Knopf drücken. Bluetooth-Headset am Ohr. Mit jemandem quatschend. Neugierig ging ich hin, grüßte höflich: „Hallo, Herr Kaiser!“ Er bestens gelaunt: „Ei, gude Carla, wie? Guck emol den Kirchturm enuff, gleich gibt’s was, davon kannste später deinen Kinnern erzählen. Bass nur uff, gleich geht’s ab hier!“ Ich sah hoch. Plötzlich sprang Herr Kaiser an mir vorbei zur Kirche. Dort angekommen rief Alessa Maries Vater voller Freude: „Der Countdown läuft! Heißa, gleich knalle ich dieser Stadt einen gewaltigen Schuss vor den Bug! Merk dir meine Worte, Carla! Uuuuuuuuuuund Action!!!!!“ Ich schrie. Warf mich panisch hin. Fenstergläser klirrten. Irgendein umherwirbelndes Teil landete dicht neben mir auf dem Boden. Seine Stimme jubilierte, dieses Schiff, dieser Pa…Pa…Pan…Mist, komm nicht drauf…
Fabian: Panzerkreuzer Aurora. Mit einem Kanonenschuss wurde von ihm am 25. Oktober 1917, Gregorianischer Kalender, das legendäre Zeichen zum Sturm auf den Winterpalast in St. Petersburg gegeben. Allerdings müssen wir dazu wissen, dass es keine Erstürmung war, wie es uns Sergeji Eisensteins Stummfilm Oktober weisma…
Melissa: Meeeeeennsch, Fabi, du nervst!
Carla: Detonationsartiger Knall, ooooooooooooooooooooooooohreeeeeenbetäubend!!!!! Als ich vorsichtig wieder aufstand, starrten meine Augen ungläubig erneut zur Turmspitze. Der Megaschuss hatte soooooooooooooooooooooooooooo laut gekracht, dass beim Kirchenfenster rechts vom Turm sogar ein Stück Plastikschutz rausgeflogen war!!!!! Jenes Ding, mit dem ich um Haaresbreite körperliche Bekanntschaft geschlossen hätte!!!!!
Karussellpferd Leporello: Fast schon gemeingefährlich.
Carla: Wie ein Gewinnertyp kehrte Herr Kaiser zurück, stellte sich lässig neben mich, sang mit geballter Faust, rühmte irgendwelche Signale, welche alle Völker jetzt hören sollen, wurde mittendrin unterbrochen. Aufgeregtes Reden über Bluetooth. Aufbruchstimmung. Er deutete demonstrativ mit weit ausgestrecktem Zeigefinger Richtung Große Dechaneistraße, posaunte: „Auf nach Moskau!!!!! Wie Wladimir Iljitsch Lenin!!!!!“ Dachte, Herr Kaiser saust zum Flughafen, verpasst ansonsten den Flieger, so wie der in sündhaft teuer aussehenden Klackerschuhen spurtete. Ohne Verabschiedung. Verrückter Vormittag!
Fabian: Krass, er hat öffentlich mit dem Kommunistenzeichen Die Internationale gesungen!!!!! Und nein, ganz und gar nicht verrückt!!!!! Nach dem Umsturz in St. Petersburg übernahmen nämlich am 30. Oktober 1917, Gregorianischer Kalender, Lenins Bolschewiki in Moskau die Macht, steht in Omas zwanzigbändiger Lexikonreihe aus dem Jahr 1972. Apropos Kalender, Russland verwendete 1917 ja den Juliani…
Karussellpferd Theluma: Fabian, bitte! Hör gut zu, Carla! Gottseidank vermagst du dich noch detailliert an sein Auftreten im Zusammenhang mit dem Schuss erinnern. Das ist für deinen Papa jetzt ungeheuer wichtig!
Karussellpferd Leporello: Fallen dir eventuell weitere wichtige Einzelheiten ein?
Carla: Halt nur sein Hessisch, weil Familie Kaiser bekanntlich auf dem Youtubekanal unseren geliebten Heimatdialekt als bäurisch bezeichnet, ausschließlich elegantes Französisch spricht. Und der kalte Wind. Beim Davoneilen hielt er mit linker Hand dauernd die weiße Zopfperücke fest, befürchtete, Böen könnten ihn jederzeit blamieren. Ach, Leporello, vergiss es, bringt doch eh nichts!
Karussellpferd Leporello: Wieso?
Carla: Stell dir vor, als ich Alessa Marie in der Schule drauf ansprach, stritt sie ab, zischte fies: „Lügnerin! Gar nicht wahr! Untersteh dich, du…du…billige B*tch! Sonst sag ich’s nämlich den Lehrern, wenn du heimlich auf dem Smartphone tippst!“
Karussellpferd Theluma: Pfui, was für eine ordinäre Petzliese!
Carla: Glaubst du echt, in Schloss Philippsruhe geben sie das zu? Im Leben nicht!
Fabian: Dabei weiß mittlerweile doch wirklich die ganz Stadt, dass unser Graf 2017 per Fernbedienung vier im Glockenraum montierte, synchron verbundene Tonbandgeräte anschaltete.
Melissa: In jeder Himmelsrichtung eines.
Fabian: Warum also 2021 das Gesetzesdrama? Stand zwar nicht bei der Marienkirche, bestätige aber hiermit ausdrücklich mysteriöseste Vorkommnisse, deren Zeugen meine Mutter und ich am Einkaufszentrum wurden.
Karussellpferd Leporello: Erzähl!
Fabian: Mama holte mich nach dem Unterricht ab, wollte auf dem Rückweg im Forum Hanau für sich noch eine neue Bluse kaufen. Weniger los um diese Zeit. Ok, wurden dann zehn. Und fünf Hosen. Und sieben Paar Schuhe. Egal. Vor dem Eingang hielt sie kurz an, kramte ewig in ihrer Handtasche. Typisch.
Karussellpferd Leporello: Hihihihihi!
Fabian: Ich begutachtete eingeghend das Logo, erwog, auf Instagram umgehend ein cooles Foto zu posten.
Melissa: Hast du?
Fabian: Ne. In dem Augenblick hallte die Fußgängerzone von lautem Trara wider. Sonderbar. Sekunden zuvor in der Nähe eine gewaltige Gasexplosion. „Armes Gebäude! Schlimm, hoffentlich kam niemand zu Schaden!“, meinte Mama besorgt. Daraufhin klackerte Schuhlärm durch die Passage. Ein Kostümierter stürmte vorne seitlich vorbei. Mama verdutzt: „Du, Fabi-Liebling, das ist doch Herr Kaiser in seiner schicken Rokokokleidung. Na, der ist aber mächtig in Eile. Dreht vermutlich am Freiheitsplatz ein neues Youtubevideo. Termindruck.“ Ich haaaaaaaaaaaassseeeeeeeeeeee es, wenn sie mich Fabi-Liebling nennt!!!!!
Karussellpferd Theluma: Du fasst dich so mit deiner Hand an die Schläfe…geht’s dir nicht gut?
Fabian: Fabian, du dummer Esel!!!!! Antwortetest allen Ernstes: „Neeeeeeeeeee, Mami, der kam vielmehr vom Videodreh gerannt. Bei den Aufnahmen muss eben irgendwas explodiert sein, und Herr Kaiser holt unverzüglich Hilfe herbei!“ Boah ey, ich könnte mich ohrfeigen….
Karussellpferd Leporello: Nicht ärgern, Fabian. Bist nicht der einzige. Herr Kaiser hat alle getäuscht.
Fabian: Selbst Mama, stets misstrauisch, peilte null. Egal. Inzwischen schwoll das undefinierbare Stimmengewirr mehr und mehr an. Kurz darauf bogen geschätzt vierzig gröhlende Demonstranten ums Eck, marschierten direkt auf uns zu, angeführt von zwei Karnevalisten, hohe Würdenträger des Elferrates. Nuuuuuuuuuuuur wirkten sie alles andere als lustig, im Gegenteil, ungemein grimmig. Einer ähnelte Terminator. Abgefahrener Typ. Kennt garantiert kein Pardon.
Karussellpferd Theluma: Ex-Söldnerführer Heiner Jawlonskji. Später Lokführer. Schwerstes Offenbacher Stadtgrenzentrauma. Herr Kaiser wurde 2017 durch Alessa Marie auf ihn aufmerksam. Die hanebüchene Sache mit der Wilhelmsbader Eremitage. Um Jahre gealtert, weißer Bart, bekam er freigebig eine militärische Kur in Wilhelmsbad spendiert, fand geschwind zum tüchtig erlernten Kriegshandwerk zurück. Mit dem ist nicht gut Kirschen essen!
Fabian: Daraufhin zog Mama meinen Körper eng schützend an sich, peeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiinnnnnnlich in der fünften Klasse Gymnasium! „Fabi-Liebling, wir gehen besser rein, glaube draußen wird’s ungemütlich!“ Ich haaaaaaaaaaaassseeeeeeeeeeee es, wenn sie mich Fabi-Liebling nennt!!!!! Weil ich aus berechtigtem Protest gegen solcherlei Behandlung bewährte Verzögerungstaktiken wählte, bekamen wir noch einiges mit.
Karussellpferd Leporello: Was denn?
Fabian: Auf Terminators Kommando zückten mehrere Teilnehmer Trillerpfeifen. Unter unerträglichem Getriller sang der Rest zu Karnevalsmelodien die Plakatsprüche.
„Es reicht!“
„Wie lange noch?“
„1733!“
„Schluss mit dem Reichsdeputationshauptschluss!“
Voooooooooooooooooll bekloppt, das letzte Wort kannte ich gar nicht. Mama genauso wenig.
Karussellpferd Theluma: Bin sicher, die Demoteilnehmer mussten unterwegs selber erstmal bei Jawlonskji einen Crashkurs absolvieren, um den Zungenbrecher überhaupt einigermaßen korrekt artikulieren zu können.
Alle: Hahahahahahaha!
Fabian: Plötzlich allseits Begeisterungsblicke auf die Smartphones. Eine junge Frau kreischte hysterisch rum: „Juuuuhuuuuuuuuuuuuuuuu!!!!! Juuuuhuuuuuuuuuuuuuuuu!!!!! Juuuuuhuuuuuuuuuuuuuuuu!!!!! Schnell, schnell, zurück, zurück, zurück!!!!! Wir haben wieder einen richtigen Grafen!!!!! Nun wird endlich alles besser!!!!! Looooooooooooooooooooooooos, Untertanen, voran, voran, wir wollen vor ihm unterm Rathausbalkon auf die Knie fallen und den heiligen Huldigungseid leisten!!!!! Loooooooooooooooooooooooooooooooos!!!!!“
Karussellpferd Leporello: Psycho.
Fabian: Wiiiiiiiiiiieeeeeeeeeee ne Viertklässlerin!!!!! Und voooooooooooooooooooll verrückt, auf sooooooooooooooo einen Ausraster hatten beide Kerle gewartet!!!!! Über Bluetooth-Headsets standen sie mit jemandem in Kontakt. Als wäre alles zeitlich genaaaaaaaaaauuuuuuuuuuuu geplant. Und ja, als diese Durchgeknallte frohlockende Dankgebete zum Himmel ausstieß, beglückwünschten sie sich mit Daumenzeichen. Ey, ich schwöööööööööööööööööööörs, die hatten echt allesamt einen gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaannnnnz gehörigen Hau weg, aber wiiiiiiiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeeeeeeeee!!!!! Puuuuuuuuuuuuuuuuhhhhh!!!!!
Karussellpferd Theluma: Ohje, du bist ja emotional restlos aufgewühlt. Halt inne, atme tief durch und entspann dich!
Fabian: Jaaaa, danke, Theluma!
Karussellpferd Theluma: Wir sollten bei der Gelegenheit ohnehin den Redefluss kurzzeitig unterbrechen, ansonsten erregen wir unnötig Aufmerksamkeit. Wie gesagt, wir sind hier rein zufällig miteinander ins Gespräch gekommen. Small Talk in Ausnahmezeiten, das Nötigste, mehr nicht.
Karussellpferd Leporello: Gute Idee. Verteilt euch. Fünf Minuten. Betrachte wie gehabt vom Geländer die Staustufe.
Karussellpferd Theluma: Ok, bis gleich!
Karussellpferd Leporello: Aaaaaaaaaaaaaaaahhhh…herrlich!!!!! Gib zu, Leporello, diese wohltuende Lockdownruhe gleicht das Manko mangelnder Sonnenkraft mehr als aus. Keine ständigen Fahrräder auf der Brücke, keine unentwegt aufkreuzenden Fußgänger. Umso lieblicher dringt unentwegt rauschendes Mainwasser an deine Pferdeohren. Das Ganze hat hypnotisierende Fähigkeiten. Aaaaaaaaaaaaaahhhhh…ist das schön!!!!!
Karussellpferd Theluma: Huhu, Leporello! Huhu!
Karussellpferd Leporello: ÄhwaswiewojaneindochnatürlichEureDurchlaucht!!!!!
Carla: Hihihihihihihihihi!
Melissa: Eigenartig. Seit Fabi die Jahreszahl 1733 erwähnte, reibe ich mir andauernd die Augen.
Karussellpferd Theluma: Stelle ich auch fest. Hast du irgendetwas reingekriegt? Ein Insekt vielleicht?
Karussellpferd Leporello: Oder bist du erkältet? Hoffentlich kein Corona!
Melissa: Neeeee. Spontanerinnerung. Damals vor dem Rathaus. Puuuuuuuuuuuuuuuuhhhhhh, bin innerlich voll aufgedreht wie Fabi! Erinnerung pur! Möchte unbedingt reden!
Karussellpferd Leporello: Oooooooh, Wahrheit! Oooooooh, Freiheit! Vom Grafen geschmähtes Gut! Oooooooooh, Libertas, Göttin! Zweifelsohne, inmitten des zweiten Lockdowns, im Zeitalter täglich variierender Pandemieregelungen, wo sogar du, kluger Zeus, auf Griechenlands Olymp in planloser Unwissenheit lebst, was morgen verboten, was morgen gestattet, pflügen diverse Botschaften, seien sie aus dem Bewusstsein, seien sie aus dem Unterbewusstsein, stürmisch durch Klein-Krotzenburger Luft, akustisch geschirmt von des Gottes Moenus hinabdonnernden Fluten. Ooooooooooh, Clio, Histories Muse, drei aufrichtigen Achtklässlern gewogen, bereit, frank und frei von eigenen Wahrnehmungen des 30. Oktober 2017 Kunde zu geben. Drei unerschütterliche Heranwachsende, Minderjährige wohlgemerkt, Münder entschlossen, tyrannischen Schweigeerlass zu brechen.
Karussellpferd Theluma: Redest du neuerdings immer so pathetisch geschwollen daher?
Karussellpferd Leporello: Konträr ihr, Erwachsene, seit dem 06. Januar, Tag der Gesetzesbeschlüsse, unwillig „Tut mir leid, hatte es damals ziemlich eilig!“, „Sorry, war damals schon im Büro!“ oder „Lasst mal, will mir kein ‚Corona‘ einfangen!“ nuschelnd dem Karusselle entfleuchend, sobald das Sujet auf menschenverachtendes Komödiantentum gelenkt. Wer will darüber diskutieren mit Schutzmaske im vorgeschriebenen Mindestabstand, bevors mit wackerem „Glück auf!“ im Spessart unter Tage geht, in Ketten, beköstigt von Schmalhans Küchenmeister, für Dennis Kevin I. Graf von Hanau-Münzenberg aus bis 2018 geschlossenen Gruben den unrentablen Rest vom Schützenfest zu fördern? Ooooooooooohhh, Volljährige, hört mich an! Stattdessen hängen eure gierigen Lippen an Verlautbarungen über Infektionszahlen, Regelungen, Impfdesaster, Schnelltests, an offiziellen Pressekonferenzen erfolgter Bund-Länder-Beratungen, deren hessischer Beschlussausführung unser Souverän eins zu eins folgt. Ihr hofft, man kredenzt euch heut Abend heißersehnte Lockerungen, damit zu Ostern überall im Land gute alte Normalität einkehrt. Mallorca wartet. Ihr vergießt Freudentränen, weil seit vorgestern immerhin Coiffeure wieder bedienen. Ihr fürchtet, dass sie bei im Vorfeld geplanten weiteren Öffnungsschritten gleich verzweifelt das Notbremsenruder herumwerfen, damit’s Kähnlein nicht sinkt. Amen, Amen, ich sage euch: Zwei Wochen währt seliger Rausch, dann das Orakel von Delphi: „Verlorene, Apollon heißt euch Retour, ‚Click & Collect‘ anstatt ‚Click & Meet!'“ Ooooooooooooooooooooooooohhh, Krisengebeutelte, nähmt ihr euch lieber neben Carla und Fabian nun auch Melissa zum Vorbild, am 03. März 2021 vis-à-vis zum wirbelnden Mainwasser memorierend, horcht, als Fünftklässlerin am Freiheitsplatz jenen 30. Oktober 2017 sie erlebte. Ooooooooooooooooooooooooohhhh, sehet schäumende Gischt unergründlicher, Schmutz vom Morast des Grundes empor ans Licht hievender Strudel! Puuuuuuuuuuuuuuuuuuuh!!!!! Tut mit leid, ihr Lieben, hab mich zu sehr in Rage geredet, muss mich nochmal hypnotisieren, um runterzukommen.
Karussellpferd Theluma: Tu das.
Karussellpferd Leporello: Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhh…ist das schön!!!!!
Karussellpferd Theluma: Und? Aus der Trance erwacht?
Karussellpferd Leporello: Ja, kann weitergehen.
Melissa: Da hing dieses riiiiiiiiiiieeeeeeseeeennnngroooooooße Tuch hinterm Rathausbalkon, geländerbreit, türhoch, verhüllte alle drei Zugänge! Kanns 2021 immer noch kaum glauben! Also. Mama hatte mich nach Schulschluss ebenfalls abgeholt. Gerade überquerten wir bei dem eklig kalten Wind zügig den Freiheitsplatz zur Bank. Unübersehbar lasen wir in bunten Farben:
BEWEGUNG 1733
Von einem lebensgroß auf den Stoff gedruckten Familienporträt grinsten Kaisers in ihren edlen Kleidern und Perücken, welche sie immer auf Youtube tragen, wie Honigkuchenpferde. Auffällig nur, Alessa Maries Vater hielt sich allein oben auf.
Karussellpferd Theluma: Vorhersehbar. Möchtegernadlige Allüren waren den drei Sternchen irreversibel zu Kopf gestiegen. Zickenkrieg tagein tagaus, tagaus tagein. Selbst Rauhbein Jawlonskji verweigerte den Eltern Garantien, dass sich drei aufeinander eifersüchtige Beauty-Gaken aus boshafter Missgunst nicht öffentlich die extravaganten Turmfrisuren à la Marie Antoinette ruinieren. Auf dessen Ratschlag ließ Herr Kaiser seine übergeschnappten Töchter deshalb daheim zurück. Und ohne mütterliche Anwesenheit hätte es im Haus Mord und Totschlag gegeben.
Melissa: Uuuups, dringende Korrektur erforderlich. Zunächst fehlte er selbst. Man rief ihn erst aus dem Rathauszimmer.
Karussellpferd Leporello: Von wem denn?
Melissa: Gleich. Da befanden sich elf Verkleidete auf dem Balkon. Dachten zuerst, Elferräte übten fleißig für den 11. November. Zwei trugen Bluetooth-Headsets, hundertpro diese Männer, die bei euch auftauchten, Fabi. Und obwohl dauernd unangenehme Böen wehten, hielten mehr und mehr Menschen neugierig an. Doch Mama bekams allmählich mit der Angst zu tun. „Das sind aber unheimliche Gestalten, da schauderts einen richtig. Von denen möchte ich als Frau keinem bei Dunkelheit alleine begegnen! Nie im Leben sind die vom Karneval!“
Karussellpferd Theluma: Herrn Kaisers harter Söldnerkern! Glühende Verehrer von Bob Denard. Mit ihrer Hilfe gründete er tags drauf das historische Hanauer Bataillon neu. Unseres Machthabers Elitetruppe. Uniformen aus dem 18. Jahrhundert. Wüste Spießgesellen. Teils per internationalem Haftbefehl vergebens gesucht. Schloss Philippsruhes schützende Hand deckt sie. Darum mahnen wir derzeit beim Abschied eindringlich: „Und befolgen Sie unbedingt die aktuellen CoVid-19-Maßnahmen! Ganz, ganz, ganz wichtig: Bei Coronakontrollen sich niemals mit dem Hanauer Bataillon anlegen! Niemals! Bitte, bleiben Sie gesund!“
Melissa: Boah, dann gings ab! Unser Schulchor erschien. Eine Karnevalsband tauchte auf. Mädchen aus der 11 kamen als Funkenmariechen, begannen fröhlich zu tanzen, Jungs aus der 12 verteilten in Dienerkostümen becherweise roten Sekt.
Karussellpferd Leporello: Hicks! Auf die Russische Oktoberrevolution von 1917!
Melissa: Mama lehnte dankend ab. Ich durfte nicht. Gemein! Ausgerechnet bei Sascha! Stand ihm voll gut. Egal. Hauptsache ausgelassene närrische Stimmung. Alles sang, schunkelte.
Karussellpferd Theluma: Roter Sekt halt.
Melissa: Traum von Amsterdam verstummte. Ein ausgesprochen furchteinflößender Elferrat bekam Zettel und Mikrophon gereicht, bezog am Geländer Position und – haltet euch fest – fing eine Büttenrede an. Tooootaaaaaaaaaaaaaaaal abgefahren!!!!! Zum Schluss zerknüllte er ihn, warf das Papier achtlos runter. „Helau, jetzt regnets Kamellen!“, juchzte ich. „Aber, kleines Mäuschen Lillifee! Man hebt doch nicht auf, was andere Leute auf die Straße schmeißen!“ Peeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiiiiiinnnnnlich, in der fünften Klasse Gymnasium!!!!! Ich haaaaaaaaaaaassseeeeeeeeeeee es, wenn Mama mich so nennt!!!!! Egal, hobs heimlich auf, vermutete darin eingewickelte Bonbons. In meinem Zimmer Enttäuschung hoch zehn. Keine Ahnung, besitze es aber heute noch. Hier!
Karussellpferd Leporello: Dürfen wir lesen?
Melissa: Klaro! Hab’s aber auch als Tonaufnahme, war so doof, wollte es eigentlich als Video machen, aktivierte jedoch vor lauter Aufregung die Voice-App. Ging ja alles ratzfatz.
Karussellpferd Theluma: Mensch, super, Melissa!
Melissa: Achtung, geht los! Die Stimmen, die ihr zwischendurch hört, sind von Leuten, die direkt neben uns standen. Mama ist ebenfalls drauf. Dreimal.
„Ich grüß die Narren uff der Gass
und sage euch, das ist kein Spaß,
der, nach dem ihr grade seht,
macht, dass nur noch Frischluft weht
quer durch unsre liebe Stadt,
die mehr verdient als sie grad hat.“
(Tusch)
„Er hat Recht!“
„Schaut euch doch mal um! Eine Schande ist das!“
„Huch, was war das? Kam von ‚Marienkirche‘. Hoffentlich keine Gasexplosion!“
„Wenn ich so durch die City geh,
da tun mir beide Äuglein weh,
bin halb blind schon von dem Schrott,
der ganze Schund muss endlich fort!
Versprechs, ich werde Hanau segnen,
auf dich solls rote Rosen regnen.“
(Tusch)
„Bravo! Bravo!“
„Applaus!“
„Genau, klatscht noch viel mehr Beifall! Endlich sagt jemand laut seine Meinung!
„Und so was nennt sich moderne Innenstadtgestaltung, dass ich nicht lache!
„Kein einziges historisches Gebäude originalgetreu rekonstruiert!“
„Das kriegen ja die Frankfurter besser hin, werdets sehen nächstes Jahr!“
„Dafür setzte man uns dieses Einkaufszentrum vor die Nase!“
„Das hats gebraucht!“
„Typisch, für solchen Firlefanz steht immer genug Geld zur Verfügung!“
„Seltsam, nicht wahr? Da sind die Kassen voll!“
„Jakob und Wilhelm würden sich Grabe umdrehen!“
„Eine Zumutung!“
„Hier hilft nur noch eins: wegziehen!“
„Meine Güte, sind die geladen.“
Die zuletzt ist übrigens Mama gewesen.
„Doch nicht nur’s Forum,
nein, kein Stuss,
seh hier noch viel mehr Verdruss,
weiß, Hanau ist ne harte Nuss,
drum hört die Botschaft, klares Muss:
Schluss mit dem Reichsdeputationshauptschluss!“
(Tusch)
„Hört euch den tosenden Beifall an!“
„Recht hat er!“
„So kann das hier nicht weitergehen!“
„Es muss endlich Schluss damit sein!“
„Allmählich reichts mir mit dem Hauptschluss!“
„Wie lange soll der eigentlich noch weitergehen?“
„Vier Jahre, hab ich gehört!“
„Nicht groß fragen, auf, Leute, zum Shoppingcenter!“
„Ja, wir nehmen das jetzt selbst in Hand!“
„Und vergesst an der einen Baustelle die Pflastersteine nicht!“
„Mir ist bange zumute, kleines Mäuschen Lillifee! Wo bleibt nur die Polizei?“
Mama zum Zweiten. Ich haaaaaaaaaaaassseeeeeeeeeeee es, wenn sie mich so nennt!!!!!
„Schluss! Schluss! Schluss! Schluss!“
Darauf formierte sich eine Gruppe, zog unter lauten Schluss!-Rufen entschlossen los. Die zwei Elferräte mit Bluetooth-Headset reagierten blitzschnell. Auf Handzeichen verschwanden sie vom Balkon, stürzten mit Transparenten bepackt aus der Rathaustür dem aufgebrachten Pulk hinterher, bildeten dessen Spitze und führten den Demonstrationszug an.
Karussellpferd Leporello: Eiskalte Vollprofis. Kanalisierung gewaltbereiter Militanter. Deeskalation. Da seht ihr, was passiert, wenn Menschen von einer Sache absolut nichts verstehen, aber trotzdem glauben, Bescheid zu wissen. Dennis Kevins gewiefte Handlanger waren im Drehbuch wirklich auf sämtliche Eventualitäten vorbereitet.
Melissa: Hört euch die Pfiffe an.
„Buuuuuuuhhhhh!“
„Aufhören!“
„Wir wollen Fakten sehen!“
„S’wird brenzlig!
„Glaub, die Menge lässt sich nicht mehr lange hinhalten!“
„Leute, seht ihr die Leiter an dem Gerüst da hinten? Die schnappen wir uns und klettern rauf!“
„Und oben kriegt der Laberfritze dann seine Krawatte abgeschnitten!“
„Heeeeelaaaauuuuuu, heute ist vorgezogene Weiberfastnacht!“
„Heeeeeeelauuuuuuuuu!!!!!“
„Gütiger Gott, kleines Mäuschen Lillifee, wenn jetzt nichts geschieht!“
Mama zum Dritten. Ich haaaaaaaaaaaassseeeeeeeeeeee es, wenn sie mich so nennt!!!!! Manche Elferräte realisierten drohende Gefahren scheinbar selber. Drehe mal diese Stelle lauter. Normalerweise im Geschrei unverständlich, doch so könnt ihr es deutlich heraushören.
„Dawei, dawei, Schluss, Schluss!“
„Komm, Ende, yallah, yallah!“
„Final, companero, final! Kapierst du?“
Karussellpferd Theluma: Söldnersprachen aus aller Herren Länder. Wundert mich, dass sie den radebrechenden Akzent des reimenden Kriegers überhaupt verstanden haben.
Karussellpferd Leporello: Gingen fraglos von einem ulkigen Programmbestandteil aus.
„Drum hört, ihr Leute, seid schön brav,
und klatscht, wenn gleich kommt eurer Graf,
der alles kann, der alles darf,
von Hanau und von Münzenberg,
stets ein Gigant, niemals ein Zwerg,
er weiß, wo hier der Schuh stark drückt,
so manche Frau kreischt bald entzückt.
Ich mach mich fort. Werd sonst verrückt. Helau!“
(Tusch)
„Hör uff zu babbeln, tu was, sonst hol ich dich nunner!“
„Ja, wir haben die Schnauze voll deinem Geschwätz!“
„Unsere Brüder Grimm wollen keine Märchen hören!“
„Immer diese leeren Versprechungen!“
„Die Leiter kommt, die Leiter kommt!“
„Wurde auch Zeit, hattet ihr unterwegs noch einen gekippt?“
„Nur fort von hier, kleines Mäuschen Lillifee schützen! Vielleicht schaffen wir es beide unbeschadet zum Parkhaus!“
Melissa: Upsi, vergaß. Mama zum Vierten. Ich haaaaaaaaaaaassseeeeeeeeeeee es, wenn sie mich so nennt!!!!!
Karussellpferd Leporello: Das Helau fiel offenbar wirklich passgenau im richtigen Augenblick. Da hätte wohl keiner mehr Verantwortung übernommen.
Melissa: Der Büttenredner bekam ein Megafon gereicht, schnippte unserem Schulchor zu. Der nahm fein artig Aufstellung.
„W O L L E M E R I H N E N A U S L A S S E ? ? ? ? „
Karussellpferd Theluma: Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhh, meine Ohren!!!!! Leiser, leiser!!!!! Wie das dröhnt!!!!!
„Worauf wart’st de noch?“
„Mach dich her!“
Melissa: Ihr hörts, die Kapelle spielt den Narhalla-Marsch. Seine acht Elferratskollegen klatschend der mittleren Balkontür zugewandt. Wartet…JETZT! JETZT! JETZT! Aus einem Tuchschlitz tritt Herr Kaiser hervor. In Adelskleidung wie vor 250 Jahren. Dreispitz. Weiße Zopfperücke. Weißes Gesicht. Winkt gnädig herab. Wiiiiiiiiiiieeeeeeeeee von einem anderen Stern!!!!! Toootaaaaaaaaaaaaaaal creepy!!!!!
„Lang lebe Dennis Kevin I. von Gottes Gnaden neuer Graf von Hanau-Münzenberg!!!!!“
Karussellpferd Leporello: Ein Glück, normale Lautstärke! Mir wäre der Kopf weggeflogen!
Karussellpferd Theluma: Frenetisches Tohuwabohu. Irrational.
Karussellpferd Leporello: Die Klausel! Herrn Kaisers fürstlich bezahlte Winkeladvokaten hatten sämtliche Willenserklärungen bezüglich des 1643 zwischen dem Vormund von Friedrich Casimir, späterer Graf von Hanau-Lichtenberg, sowie Landgräfin Amalie Elisabeth geschlossenen Erbvertrages erfolgreich angefochten, wobei das Gericht zur Überzeugung gelangte, die frühere Grafschaft Hanau-Münzenberg existiere auch nach Graf Johann Reinhards III. Tod 1736 als eigenständiger Rechtskörper de facto bis heute fort. Allerdings gestattete es wiederhergestellte staatliche Souveränität nur unter Auflagen. Dies betraf unter anderem Modalitäten der Grafenthronbesteigung. Rechtmäßige Nachfolge ja, sofern ihm bei seiner Ausrufung die Landeshuldigung sicher sei. Dem Umstand geschuldet, dass das Ständewesen längst Schnee von gestern war, erachteten die Richter, umgerechnet auf das 18. Jahrhundert, mindestens 500 rein zufällig vor Ort befindliche volljährige Bürgerinnen und Bürger als Huldigende ausreichend. Laut Presse jubelten dank dieses ausgebufften Tricks tatsächlich ungefähr 800 dem Gekürten enthusiastisch zu. Neutrale Vertreter bezifferten deren Zahl sogar mit geschätzten 1000. Fakt: Von überall strömten Passanten herbei, neugierig angelockt vom unechten Prinzen Karneval. Ahnungslose, morgens gegen 10 Uhr auf ihrem Weg zur Arbeit, zum Shoppen, Arzt oder anserswo hin.
Karussellpferd Theluma: Wen verwundert es daher, dass Karneval vielen Menschen suspekt ist. Dennis Kevin hätte nicht mal Betrugsversuche nötig gehabt, indem er beispielsweise zu diesem Zweck busweise bezahlte Pseudo-Treueschwörer ankarren ließ.
Karussellpferd Leporello: Was von den überall im Stadtgebiet versteckten internationalen Beobachtern sowieso beanstandet worden wäre. Weil aber besagter Prozess aus Angst vor Nachahmern, die liebend gerne auch mal ‚Fürstabt von Fulda‘ spielen würden, medial unter den Teppich gekehrt wurde, dachte natürlich jedermann, jedefrau gutgläubig, einer Probe für den Rathaussturm beizuwohnen. Bis abends Tagesschau und anschließender Brennpunkt, durch welchen sich nachfolgende Sendungen um circa eine Stunde verschoben, die in ihrer Tragweite unabsehbaren Konsequenzen von „Er lebe hoch, hoch, hoch!“, „Lang regiere unser Graf!“, „Vivat!“, „Bester Mann!“ oder „Mögest du 10.000 Jahre herrschen!“ bekanntgaben. Zu spät. Seine Durchlaucht, Graf Dennis Kevin I. von Hanau-Münzenberg, vormals Krankenpfleger auf der Intensivstation, dann mehrfacher Glückspilz, siebenmal in Folge den 90-Millionen-Jackpot abgesahnt, sowie seine holde Gattin Jessica, nunmehr Gräfin Bernardette Constanze Amalia, gelernte Fremdsprachenkorrespondentin für Französisch und Spanisch, regierten bereits seit Stunden gekleidet à Louis XVI. et à la Marie Antoinette legitim die Stadt, ihre gekauften Adelstitel bereits seit 2013 in der Tasche. Man war gegen 10 Uhr morgens einfach zur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen.
Melissa: Deeeeeeeeeeeessshaaalb Mamas Zweifel!!!!! Statt Herrn Kaiser wild zu applaudieren, als er sich umständlich hinter dem Tuch hervorzwängte, nahm sie verängstigt meine Hand, flüsterte ahnungsvoll: „Komm, kleines Mäuschen Lillifee, lass uns besser ganz schnell von hier verschwinden, mir ist das Ganze nicht geheuer!“ Ich haaaaaaaaaaaassseeeeeeeeeeee es, wenn sie mich so nennt!!!!! Egal. Nun danket alle Gott erklang.
Karussellpferd Theluma: Zynischer gehts nimmer.
Melissa: „Neeeeeeeeeeeeeiiiiiiiinnnn, Mamiiiiiiiiii, ich will hierbleiben!!!!!“, bettelte ich kläglich. „Ich will hierblieben!!!!!!! Ich will Herrn Kaiser sehen!!!!!!! Ich will Karneval feiern!!!!!! Ich will unseren Schulchor das Kirchenlied singen hören!!!!!“ Zwecklos. Energische mütterliche Kräfte bewegten meinen widerspenstigen Körper unerbittlich weg. Und ich Naive wollte damals bleiben. Fand das einfach nur hip.
Fabian: Ich Idiot doch auch vor dem Forum, Meli, ich Idiot doch auch!!!!!
Melissa: Nachdem Mama genügend Geld abgehoben hatte, ordnete sie ursprünglich einen gewaltigen Bogen ums Rathaus an. Doch am Freiheitsplatz herrschte neuerdings regungslose Stille. Von weitem der Balkon verwaist.
Karussellpferd Leporello: Unseres frischgebackenen Staatsoberhauptes schmetternder Megafon-Schlachtenruf: „Im Schlosspark Philippsruhe drei Tage lang Essen und Trinken umsonst!!!!!“
Karussellpferd Theluma: Ein Straßenfeger. Seither in Hanau-Münzenberg geflügeltes Wort für Auf anderer Leute Kosten leben.
Melissa: Sind da vermutlich gerade ins Foyer rein. Mama, sprunghaft wie eh und je, änderte jedenfalls ihre Meinung, schleppte mich zurück.
Wir guckten perplex zum Balkon. Vom Ort heiteren Faschingstreiben verkommen zur gähnenden Ödnis. Herr Kaiser samt Elferräte und Tuchlaken spurlos verschwunden. Als wäre droben nie was gewesen.
Ein älterer Herr trat hinzu, innerlich kochend, starrte zeitgleich hinauf. Irgendwann sprach Mama ihn an.
„Na, die sind ja rasant wieder in der Versenkung verschwunden! Wissen Sie Näheres?“
„Tuch weggerissen, Tür zugeknallt, Vorhänge zu, tschüss. Zum Glück hat dieser Gestörte aus dem Internet unsre schönen Gebrüder Grimm Fahnen ned angetatscht. Ei, stellt euch bloß emol vor, wollt der ahle Dummbatz die forttun!!!!!“
„Die schönen Brüder Grimm Fahnen? Ist nicht Ihr Ernst!!!!!“
„Ei, wenn ich’s doch saaaaaach! Kemmt der adlige Monsieur enausgerennt wie’n wilder Ochs, brüllt rum, wenn er kein Graf wär, würd er persönlich schnurstracks das flatternde Zeug nunnerreißen und die Fahne der Sowjetunion enuff tun, passend zu den von seinem Gärtner hingestellten roten Blumen.“
„Unglaublich!!!!!“
„Vollkommen meschugge!!!!! Ich schwör’s Ihnen, der Kerl ist Kommunist!“
Ich schaltete mich lernwillig ins Gespräch ein:
„Du, Mami, was ist ein Kommunist?“
„Ach, das ist einer, der fest an die rote Fahne glaubt.“
„Und die Sowjetunion?“
„Ei, Mädsche, gibts ewig ned mehr.“
„Na gut.“
Der Mann zog murrend von dannen.
Wir schritten näher heran, putzten gehörig unsere Augen, um vorhin Erlebtes zu begreifen. Guckten abermals baff.
Mit einem Mal schlurfte Tom an, unfassbar, unfassbar, unfassbar, dieser süße Handyverkäufer! Der Arme, sichtlich fertig, telefonierte verwirrt. Zückte meins. Statussymbol. Habe auch hier jeden einzelnen Satz gespeichert. Aktivierte offenbar wiederum unbemerkt die Voice-App.
„Ey, Alter, das gibt’s noch nicht, Alter!“
„Wieder hier, Alter! Direkt am Balkon! Wo denn sonst, Alter?“
„Bitte, Alter, du musst mir glauben!“
„Ey, Alter, ich red keinen Schxxx!!!“
„Ey, versteh doch, Alter: Laura hat Schluss gemacht!“
„Ey, red ich Chinesisch, Alter? Laura hat Schluss gemacht!“
„Keine Ahnung, Alter! Einfach so! Ey, kneif mich mal durchs Smartphone, Alter. Kommt oben ein kostümierter Witzbold raus, weißes Gesicht, weiße Perücke, lässt sich feiern, macht auf Kong Kong, zerbricht nebenbei mühelos Hufeisen wie Salzstangen.“
„Ey, Alter, zwölf hintereinander. Ich schwör, Alter, der geht jeden Tag in die Muckibude!“
„Ey, hör mal zu, Alter, weißt du, was Laura diesem Typen zugeschrien hat, Alter? Dass sie von ihm ein Kind will! Das ist doch nicht mehr normal, Alter!“
Karussellpferd Theluma: Der Hufeisentrick! Von August dem Starken abgekupfert! Damen sollen angesichts solch männlicher Kraft reihenweise in Ohnmacht gefallen sein. Wir hielten das stets für Legenden aus dem galanten Sachsen. Dafür also Herrn Kaisers schweißtreibendes Extremtraining im privaten Fitnessraum.
Melissa: Noch immer fixierte ich gebannt die unten am Balkonwappen angebrachte Jahreszahl 1733, da würfelte die Glücksgöttin unverhofften Körperkontakt.
Karussellpferd Leporello: Die Glücksgöttin?
Melissa: Ja, Fortuna. Oh Gott, Tom stieß unbeabsichtigt mit mir zusammen, was mir DIE Chance bot, als Mädchen mutig den ersten Schritt zu wagen.„Eeeeeeeeyyyy, kannste nicht besser aufpassen? Mich einfach so anzurempeln!“ Oh Gott, Tom antwortete. „Tschuldigung, Lady, äääääääääääääh, haste zufällig Laura gesehen?“ Jetzt frech daten. „Nö. Aber vielleicht…“ „Komm, kleines Mäuschen Lillifee“, funkte Spielverderberin Mama routiniert dazwischen, „wir müssen zum Parkhaus, du hast Mathenachhilfe!“ Oh Gott, Tom grinste amüsiert, wie peeeeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiiiiiiiiinlich!!!!! Ich haaaaaaaaaaaassseeeeeeeeeeee, wenn sie mich so nennt!!!!! Doch jetzt, Theluma und Leporello, geschah das Verrückteste an diesem Morgen überhaupt
Karussellpferd Leporello: Was denn, Melissa?
Melissa: Meine zerstörte Ehemannhoffnung verschwand. Wir wollten uns ebenfalls vom Rathaus verabschieden, als aus unmittelbarer Nähe unerklärliches Geratter entsprang. Unwillkürlich wandte ich mich um, geriet völlig aus dem Häuschen.„Duuuuuuuuuuuuuu, Mami, waaaaaaaaaarte mal“, schrie ich, „eine golden glänzende Riesenkutsche biegt von der Hammerstraße in die Krämerstraße ab! Schaaaaaaaaaaaaaaauuuuuuuuuuuuuuu, Mami, die Karussellpferdchen sind auch dabei! Aaaaaaaaaaaaaaaaaawww, wie süüüüüüüüüüüüüüüüüß, überall mit langen bunten Schleifchen behangen!!!!! Und siiiiiiiiiiiiiiieeeeeeeeeeeeeeehhhh nur, Mami, die stylischen Mähnen!!!!! Duuuuuu, die waren beim Pferdefriseur!!!!!“ Sie würdigte die überschwängliche Entdeckung keines Blickes, bevorzugte schmerzhafte Druckausübung auf mein Handgelenk, drängte zum überstürzten Aufbruch: „Nicht bummeln, kleines Mäuschen Lillifee, komm, lass uns einen ordentlichen Zahn zulegen, sonst werden nochmal 1,50 Euro Parkgebühr fällig! Das willst du doch nicht, oder?“ Typisch, nichts gönnt sie einem. Und ich haaaaaaaaaaaassseeeeeeeeeeee es, wenn sie mich so nennt!!!!!
Karussellpferd Leporello: Sei froh, dass du weg musstest, Melissa, sei froh!
Karussellpferd Theluma: Ooooooohhh Gooooooooooott, was uns am eigenen Leibe widerfuhr wäre für Graf Wilhelm IX., Errichter des Staatsparks, erklärtermaßen Tabu geblieben! Der Horror brach gegen 8 Uhr los. Wir frühstückten gerade gemütlich, um perfekt gestärkt bald ersten Besuchern Wilhelmsbads gefragtes Fahrgeschäft näherzubringen. Auf einmal stutzte Spartacus: „Komisch, Freunde, vom ‚Comoedienhaus‘ holpern zwei Pferdetransporter heran.“ „Was wollen die denn?“, grübelte Missi. „Jetzt stoppen sie am Karussellhügel!“, murmelte Nela.
Karussellpferd Leporello: Dann ging alles rasend schnell. Türen flogen auf. Heraus sprangen Jawlonskji und drei weitere Söldner, stürmten, warum auch immer in Elferratskostümen, den Weg hoch. „Genug geprasst, ihr Faulenzer, ihr! Auf, auf, alle rein in die Anhänger, das ist ein Befehl!!!!!“, rasselte seine militärische Stimme, die keinerlei Widerspruch duldet. „Ich zähle von 10 runter, sonst gibts heute Abend Pferdefleisch vom Grill!!!!!“
Carla, Melissa, Fabian: NNNNNEEEEEEEEEEIIIIIIIIIINNNNN!!!!!
Karussellpferd Theluma: Mit Müh und Not bei 1 drinnen. Ziel: stadteinwärts. Zwanzig Minuten später scheuchte uns Jawlonskji unsanft hinaus. Wir befanden uns in der Fahrstraße. Mein Verstand piepte: Eine glamouröse Prachtkutsche, bespannt mit acht großkotzigen Rappen, erwartete baldige Abfahrt. Mit unzähligen Utensilien fummelten wichtigtuerische Angestellte, angezogen wie früher Wilhelms Schlossbedienstete, überall an uns herum. Anderthalb Stunden dauerte das lästige Getue. Schließlich durfte jeder im Spiegel seine neue Identität bestaunen. Vor Schreck wären Hatatitla und Simon beinahe umgekippt.
Karussellpferd Leporello: Kitschig aufgedonnerte Mähnenfrisuren. Affige Schleifchen, gekringelt, knapp bis zum Pflaster reichend. Zur Krönung über und über mit grässlichen Schellen versehen. Peeeeeeeeeeeeeeeeeiiiiiiiiinnnnlichhhh!!!!! Erdboden, verschluck mich!!!!!
Karussellpferd Theluma: Gerade protestierte Ascana empört, was diese Show bitteschön soll, als des Weiteren eine dem 18. Jahrhundert entwichene Figur die Szene bereicherte. Schuhklackernden Schrittes düste sie an, fieberhaft ihre diamantbesetzte Breitling beäugend.
Karussellpferd Leporello: „Wilhelm IX., aaaaaaaaaber wie daaaaaaaaaaaaas?????“, schreckten wir geschockt zusammen.
Karussellpferd Theluma: Der Graf winkte geringschätzig ab. Untypisch. Erst dadurch registrierten wir die Fata Morgana. Einer der beiden gleichfalls zeitgenössisch herausgeputzten Kutscher stieg ab, öffnete demütig verbeugt das Gefährt. Kaum hingesetzt, riss Alessa Maries Vater die Fensterscheibe runter: „À Steinheim!“ Okay, überlegte ich, wie es ausschaut findet dort eine geschichtliche Veranstaltung statt, und er erscheint als protziger Rokoko-Adliger. Kann er sich ja jetzt leisten mit unzähligen Lotto-Millionen.
Karussellpferd Leporello: Die Karosse raste los. Unsere Aufgabe bestand darin, nebenher zu galoppieren, je vier auf einer Seite, dabei unentwegt unisono „So machet denn Platz für Dennis Kevin I. von Gottes Gnaden neuer Graf von Hanau-Münzenberg!!!!!“ wiehernd. Jeder wähnte sich im falschen Film. Vor allem gerieten Wilhelmsbads beliebte Sehenswürdigkeiten umgehend außer Puste. Karussellpferdchen sind zierliche Wesen, ihre Beinchen können mit denen richtiger Artgenossen niemals konkurrieren.
Karussellpferd Theluma: Wen kümmerts? Oberangeberrappe Auguste schnaubte hochmütig: „Naaaaaaaaaaaaa, Messieurs-dames, geht heute nicht so schnell wie üblich, n’est-ce pas? Schon ordentlich auf unseren neuen Landesherrn angestoßen?“
Karussellpferd Leporello: Frechheit!!!!! Dann der traurige Höhepunkt. Ungehalten über unser Tempo flog wiederum das Fenster auf. „Los, los, ihr lahmen Ackergäule!!!!! Anderenfalls lasse ich euch aus dem Karussell werfen!!!!!“
Carla, Melissa, Fabian: NNNNNEEEEEEEEEEIIIIIIIIIINNNNN!!!!!
Karussellpferd Theluma: Ingeborg platzte daraufhin der Kragen: „Jetzt hören Sie mal gut zu! Immerhin sind wir rund 230 Jahre älter als der Herr Graf!!!!!
Fabian: Äh…und seine Reaktion?
Karussellpferd Theluma: Heftigen Schlages krachte die Scheibe zu. Hanau-Münzenbergs unumschränkter Regent drückte sein weiß gepudertes, zopfperückenverziertes Antlitz zornig ans Glas. Tja, seitdem hasst er uns endgültig.
Karussellpferd Leporello: Ja, Seine Durchlaucht quälen schlaflose Nächte, weil wir beim Volk bereits vor dem 30. Oktober 2017 hoch angesehen waren. Der Wiederöffnung des ältesten Karussells der Welt im Juli 2016 kam bekanntlich größte regionale Bedeutung zu. Eine Herzensangelegenheit. Viele Menschen besuchen nur deswegen den Staatspark, wir erklären es gerne fachkundig. An Fahrtagen fühlen Erwachsene sich in glückliche Kindheitstage zurückversetzt, Kinderaugen leuchten, sobald die eleganten Kutschen anfahren, Gesichter strahlender Kinder, wenn kleine Besucher uns streicheln dürfen und Süßigkeiten erhalten.
Karussellpferd Theluma: Wir sind eben volksnah. Im Gegensatz zum abgehobenen, aufgeblasenen Philippsruhe, welches das vornehme Versailles ungehobelt imitiert.
Karussellpferd Leporello: Daher Dennis Kevins absolutistische Demütigungsaktion, Hanaus Lieblinge an jenem Tag als Lachnummern auftreten zu lassen.
Carla: Oh, dieser miese Graf!!!!!
Melissa: Und weiter?
Karussellpferd Theluma: Ingeborgs Protest zeigte Wirkung. Die Pferdelimousine fuhr nunmehr in angepasster Galoppgeschwindigkeit über die Steinheimer Brücke, bog an der Großkreuzung links ab, gleich nochmal links, erreichte den Mainuferweg, rumpelte auf Steinheims Altstadt zu.
Karussellpferd Leporello: In Höhe Theodor-Heuss-Schule bedankte sich Herr Kaiser sogar bei uns mit einer wirklich amüsanten Stehgreifkomödie als kleine Wiedergutmachung.
Karussellpferd Theluma: Hahahaha, ach, diese Story. Fensterlärm Teil 3. Sich wegen des Fahrtwindes die standesgemäße Zopfperücke haltend steckte Herr Kaiser sein adliges Haupt heraus, krakeelte: „Heinrich, der Wagen bricht!“ Bekanntes Zitat zielte dabei auf postwendend vom Kutschbock vernehmbare „Brrrrrrrrrrr“-Laute. Lustigerweise hieß ein Kutscher nämlich tatsächlich so.
Karussellpferd Leporello: Offenkundig war das Ziel aus irgendwelchen Gründen ungenau bezeichnet worden. Heinrichs Namensvetter, keinen blassen Schimmer, was Seine Durchlaucht wünschte, vermutete einen Bildungstest, parierte zitierend: „Nein, Herr, der Wagen nicht! Es ist ein Band von meinem Herzen, das da…“ Weiter kam Heinrich nicht. „Waaaaaaaaasss?????“ Neuer Anlauf: „Es ist ein Band von meinem Herzen, das da lag in großen Schmerzen, als…“ Unser Souverän: „Blödmann!!!!! Sein Hirn schmerzt!!!!! Er ist an der Wegbank vorbeigefahren!!!!! Los, anhalten!!!!! Kehrt!!!!! Dalli, dalli!!!!! Sonst kracht’s!!!!!“
Carla, Melissa: Hihihihihihihihihihihi!
Fabian: Muuuuuuuaaaaahahahahahahahaaaaaa!!!!!
Karussellpferd Theluma: Nach Herrn Kaisers, bravourösem Intermezzo, frei Haus geliefert, wendeten Heinrich und Stefan den Prunkwagen quer übers Mainwiesengras, stoppten, damit wir uns vor ihm von neuem formieren konnten. Angesichts pompöser Breitenmaße war nämlich der Uferweg für einen Galopp nebenher zu schmal. Ich positionierte mich zur Abwechslung ganz vorne rechts neben Ingeborg, Blick feste geradeaus. Vom nahen Spielplatz links eine fröhliche Mädchenstimme. „Eine Goldkutsche, eine Goldkutsche!“ „Dort, wo’s weiße Schild steht, dahin gehts, ihr Deppen!!!!!“, erwiderte hinten das Echo.
Karussellpferd Leporello: Und weil ihm Dinge nie flott genug gehen, übernahm Mister Emporkömmling von drinnen in höchsteigener Person den Kutscherruf: „Looooooooooooos!!!!! Hüüüüüüüüüaaaaaaaaa!!!!! Hüüüüüüüüüaaaaaaaaa!!!!!“ Woraufhin Wilhelmsbads ehrbare Geschöpfe mit vielfarbigen Kringelschleifchen, gruseligen Mähnenfrisuren, klingelndem Gebimmel, aufgezwungenem „So machet denn Platz für Dennis Kevin I. von Gottes Gnaden neuer Graf von Hanau-Münzenberg!!!!!“ die letzte Etappe ebenso verdrossen bewältigten.
Karussellpferd Theluma: Am erreichten Punkt wurden wir allesamt fassungslose Beobachter eines den Balkonauftritt wahrlich toppenden, schändlichen Schmierentheaters, welches selbst Snob Auguste beschämte. Kaum ausgestiegen stolzierte unser Regent auf erwähnte Ausruhgelegenheit zu, machte sich daran, sie kühn zu erklimmen, ungeachtet für dieses Material eindeutig unpassender Schnallenschuhe.
Karussellpferd Leporello: Balla, balla! Entsprechend stieß sein rutschiges Vorhaben schon beim ersten von insgesamt sechzehn grotesk anmutenden Soloversuchen auf unüberwindbare Hürden. Erbost seine Kutscher herbeibefehlend erlangte er schließlich dank Unterstützung einigermaßen Standfestigkeit. Politisch betrachtet bedenklich wacklig.
Karussellpferd Theluma: Nichtsdestotrotz imitierte Herr Kaiser die Theodor-Heuss-Schule anvisierend mehr schlecht als recht Ludwigs XIV. berühmte Pose. Geneigt, zwei privilegierte Stadtteile an Hanau-Münzenbergs erster politischer Entscheidung seit 1736 huldvoll partizipieren zu lassen.
Karussellpferd Leporello: „Wir, Dennis Kevin I., à partir d’aujourd’hui von Gottes Gnaden Graf von Hanau-Münzenberg“, säuselten hochnäsige Laute aus beiden Nasenlöchern, „tun Unseren durchlauchtesten Willen kund, die auch unter den Namen Steinheim, weiterhin Klein-Auheim bekannten Stadtteile ab itzo bis ad finem mundi gar nimmer mehr Unserer Grafschaft trefflich Eigentum heißen zu wollen. Mögen deren Einwohner sich fortan Mühlheim am Main anschließen, Hainburg, Obertshausen oder ad libitum dem Kurfürstentum Mainz. Wisset, es sei Uns bei Hofe einerlei.“
Fabian: Und der regiert uns?
Carla: Bingo!
Karussellpferd Theluma: Was für ein arroganter Schnösel!
Karussellpferd Leporello: Sprachs und kletterte manuell in gleicher Weise gesichert wieder hinab. Widerwillig. Bankbezwinger Kaiser hätte gefällten Beschluss Steinheims Grundschule gerne präziser entgegengenäselt, indes die diamantbesetzte Breitling mahnte Dringlichkeitsstufe 1 an. „Daran seid allein ihr lahmen Esel schuld!“, versuchte Graf Kaiser uns tolldreist den Schwarzen Peter zuzuschieben.
Karussellpferd Theluma: Was jedoch im Anschluss folgte, schlug dem Fass endgültig den Boden aus. Zur Bestätigung zog er unversehens seinen am Griff mit kostspieliger Muga-Seide umwickelten, in Toledo angefertigten Degen, verpasste der behaglichen Sitzmöglichkeit wuchtig eine Kerbe ins Holz. Pferde und Pferdchen schäumten. Heinrich schwieg eisern. Desgleichen Kollege Stefan. „Sehet, Unser gräflich Beglaubigungssiegel!“, höhnte Alessa Maries Vater und schickte sich an, zur Weiterfahrt einzusteigen.
Melissa: Krass. Dem sind echt seine Jackpots zu Kopf gestiegen.
Karussellpferd Leporello: Kommt noch besser. Zeitgleich gewann im Kampf zwischen Dauerbewölkung und gelegentlich erfolglos durchzukommen versuchender Sonne neuerlich intensiver Lichtschein die Oberhand. Arme weit ausgestreckt strahlte Prahlhans verklärt empor, schwärmte verzückt: „Ooooooooooooooooooooooooh, glückliches Hanau! Merke auf, vernehme die Kunde! Ludwig XIV., le roi du soleil même, segnet vom Himmel aus Unsere unwiderrufliche Grenzfestlegung avec grand plaisir mit hehrem Glanze!“
Obwohl er sich hiernach schleunigst zum Gefährt begab, ließ ich es mir als Karussellpferd dennoch nicht nehmen, meine Vorderhufen flink dort aufzusetzen, wo Herr Kaiser eben gestanden hatte. „Welch staatsmännischer Dilettant“, schwirrte es mir durch den Kopf, „gibt rein emotional zwei Stadtteile jenseits des Flusses schwuppdiwupp bedenkenlos auf. Nur weil der hinter der Sitzbank fließende Main ehemals den Grenzverlauf zwischen Hanau-Münzenberg und Kurmainz bildete.“
Melissa: Jeeeeeeeeeeeeeeeeeetzt leuchtet mir ein, warum seit 2017 weder Steinheim noch Klein-Auheim zu Hanau gehören! Meine Eltern sprechen zwar oft darüber, richtig erklären können sie es aber nie. Na jaaaaaaaaa, und unsere Lehrer brauchst du erst gar nicht fragen. Die wissen eh nix.
Carla: Ist aber voll logisch, Meli. Überleg. Außer Herrn Kaiser, Pferden und Kutschern gabs keine Anwesenden.
Fabian: Hofangestellte werden niemals leichtsinnig plaudernd ihre angesehenen Jobs riskieren, besonders jetzt in der Krise! Und, Leute, seien wir gaaaaaaaaanz ehrlich, wer glaubt schon Tieren oder Karussellwesen?
Carla: Heftig. Stell dir vor, du sitzt in der Theodor-Heuss-Schule im Sachkundeunterricht, wirst aufgerufen, gehst nichtsahnend an die Tafel, alles noch ok. Tja, dann beim Kreide nehmen kann Steinheim zusehen, wo es bleibt.
Fabian: Jaaaaaaaaaaaa, genaaaauuuu!!!!! Wie die Zuggäste in Wolfgang!!!!! Mussten auch zusehen!!!!!
Karussellpferd Theluma: Fabian sprüht ja förmlich vor Mitteilungsdrang!
Fabian: Fabian, du dummer, dummer Esel!!!! Dasselbe in Grün. Von wegen neue Videoproduktionen! Aaaaaaaalllllsooooo, Leute. Heimwärts gelang es mir irgendwie, Mama für ein paar Lokomotivaufnahmen breitzuschlagen. Zuerst hieß es nein, wegen des windig kalten Wetters. Ok, Aufdringlichkeit bewirkt bekanntlich Wunder. Obwohl, ihre Bedenken stimmten, trotz überwiegendem Sonnenschein zog es auf dem ungeschützten Bahnsteig unangenehm. Weiß noch, die Zeiger tickten auf 12.23 Uhr. Übergangslos hallendes Schimpfen, hallendes Geklacker in der Gleisunterführung. Als ob jemand panisch fürchtet, seinen Zug zu verpassen. Unverhofft purzelte allerdings Herr Kaiser inclusive ununterbrochen Beifall zollendem Gefolge aus dem Treppengang.
Karussellpferd Leporello: Seine unterwürfigen Höflinge! In Philippsruhe dem Cateringservice die ersten Biere, Steaks und Bratwürste entreißend von Jessica fort zum Schmeicheln gejagt. Schmarotzer, unablässig um die Gunst Seiner Durchlaucht buhlend. Ludwig XIV. lässt grüßen. Extrem standesbewusste Blaublütler, penetrant arbeitsunwillig, von nostalgischer Sehnsucht nach verblichenem Ruhm ihres Stammwappens nach Hanau gelockt, anstatt weiterhin unehrenhaft Berufe auszuüben. Dafür schlawenzeln Freiherrn, Ducs, Barone, Earls mit Kusshand in überholter Mode herum, dem neuen Sonnenkönig aufwartend. Vom weiblichen Geschlecht ganz zu schweigen. Besonders jetzt im Krisenmodus.
Karussellpferd Theluma: Oder Realitiätsfremde, deren erzkonservative Adelsgeschlechter die 1789 eingetretenen Veränderungen negieren. Kennt ihr doch aus Geschichte: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Bewegung 1733 prangte keinesfalls grundlos auf dem Riesentuch.
Carla: Werde Geschichte als Leistungskurs wählen. Fands immer totlangweilig. Aber jetzt!
Fabian: „Auf den letzten Drücker“, schnauzte er, „acht tranfunzelige Karussellgäule haben Uns nur wertvolle Zeit gekostet. In zwei Minuten kommt der Zug!“ Mit flacher Hand an der Stirn hielten alle erwartungsvoll Ausschau Richtung Niederrodenbach. Mir nichts dir nichts jedoch verfinsterten sich sämtliche weiß gepuderten Mienen. Alessa Maries Vater trampelte mit seinen Glanzschuhen herum, bedrohte die Anzeigetafel.
Karussellpferd Theluma: Lass mich raten. Deutsche Bahn. Verspätung. Nach oder von Wächtersbach?
Fabian: Von. Laut durchlaufender Textinformation neuerdings voraussichtlich 30 Minuten. 12.55 Uhr statt 12.25 Uhr.
Karussellpferd Leporello: Immerhin. Kannst froh sein, wenn dein Zug überhaupt anrollt. Und unser toller Graf?
Fabian: Verschränkte beide Arme wie ein trotziges Kind, blaffte: „Phhhhhhh! Dann knöpfen wir uns eben den Zug nach Wächtersbach vor! Mir doch wurscht! Vorwärts!!!!! Marsch!!!!!“ In der Unterführung abermals Hochbetrieb. Soldaten tauchten auf, Uniformen aus dem 18. Jahrhundert. Eine Fastnachtsgarde! Die Bahn fuhr ein. Ihre Lok damals standardmäßig eine Baureihe 114. Jetzt setzt man zwischen Frankfurt und Wächtersbach nur…
Carla, Melissa: Faaaaabiiiii, du nervst!
Karussellpferd Theluma: Bitte, Fabian, bitte, bitte, klatsch dir doch nicht andauernd an den Kopf. Junge, unberechtigte Selbstvorwürfe bringen doch nichts! Bitte, bitte, hör auf damit! Da freut er sich doch drüber! Fühlt sich in seinem adligen Hochmut volle Kanne bestätigt!
Fabian: Fabian, du dummer, dummer, dummer Esel!!!!! Schwurst Stein und Bein, dass Herr Kaiser mit dieser Faschingsnummer definitiv Influencer wird!!!!! Was für ein Wahnsinns Erlebnis!!!!! Das Militär enterte die Waggons. Kurz darauf protestierten zahllose Darsteller auf dem zugigen Bahnsteig. „Das wird ein Nachspiel für Ihren Verein haben! Auch für den Karneval gelten Regeln, merken Sie sich das gefälligst!“, vernahm ich. Oder: „Finger weg! Was fällt Ihnen ein!“ Oder: „Wer sind Sie überhaupt? Können Sie sich ausweisen?“ Zum Schießen! Einer nach dem anderen verschwand der wirr durcheinander mit Verwandten, Freunden, Taxifirmen telefonierende Strom exzellenter Laienschauspieler im Unterführungstunntel zum Bahnhofsvorplatz.
Ein Diener hüpfte auf verächtlichen Fingerschnipp herbei, reichte tief verbeugt Pfeife und Kelle. Herr Kaiser trat links neben mich, spielte Schaffner. „Aaaaaaaaaaabfaaaaaaaaaahhhreeen!!!!!“ Mega cool, wenn die Lok schiebt!
Karussellpferd Leporello: Herrn Kaisers Aktion kursierte lauffeuerartig. Nachmittags kam eine Mutter zum Karussell gerast, stinksauer, berichtete uns, kaum am Hauptbahnhof eingestiegen hätte ihr Sohn in Wolfgang irgendwelchen Karnevalsgardisten unter Gewaltandrohung den nicht vorhandenen Reisepass vorzeigen müssen. EU-Außengrenze. Personalausweis unzureichend. Ernsthaft: Welche siebzehnjährigen Verliebten stecken zum allerersten Date nach Gelnhausen Pässe ein? Für Jonas bedeutete es folglich unfreiwilligen Rausschmiss. Geistesgegenwärtig rief er vom Gleis umgehend Hannah an, bat um Verschiebung, argumentierte, doch die servierte ihn gnadenlos ab, fühlte sich verständlicherweise verschaukelt .
Karussellpferd Theluma: Absolutistische Willkür! Außer Gott ist der Herrscher niemandem Rechenschaft schuldig. Laut Gerichtsurteil entsprach Hanau-Münzenbergs Staatsgrenze anfänglich exakt der Hanauer Stadtgrenze. Ergo befand sich dieser aufgeplusterte Pfau formal bedauerlicherweise im Recht, Niederrodenbach liegt bereits hinter Hanau.
Karussellpferd Leporello: Weißt du noch, Herrn Kaisers hirnrissige Schnapsidee mit dem sofortigen EU-Austritt entstand reflexartig an der Wegbank.
Karussellpferd Theluma: Und ob! Beim Einstieg in die Kutsche hielt er abrupt inne, hob seinen rechten Zeigefinger gleichsam einer genialen Eingebung. Entgegen ursprünglicher Pläne, im Philippsruher Schlosspark als charmanter Grillmeister und Bierzapfer in Erscheinung zu treten, befahl Seine Durchlaucht: „Henri! Stéphane! À Wolfgang maintenant! J’ai une idée!“
Fabian: Auch ne Unlogik bei ihm, einerseits disst Herr Kaiser auf Youtube in französischer Sprache unsere Mundart, anderseits schwätzte er mit Melissa und mir Hessisch. Während ich der entschwundenen Regionalbahn träumend hinterherschaute, tippte mich Alessa Maries Vater, übrigens genauso glühender Eisenbahnfan, kumpelhaft von hinten an: „Ei, sind se auch was geworn? Zeisch emol her!“
Ich zuckte zusammen, wendete mich zögernd um, stotterte schüchtern: „Hier. Leider nur ein paar.“ Er nickte anerkennend: „Klasse, Bub. Wenn du mol Zeit hesst, kemmste mit deinen ganzen Bildern ins Schloss. Da tun mer dann fachsimpeln!“ Verwirrt wollte ich fragen, wie das mit dem Schloss gemeint war. Allerdings stapfte er da bereits samt Gefolge zum für Züge in Richtung Hauptbahnhof Hp0 anzeigenden Hauptsignal, erkennbar an zwei roten Lichtern waagerecht nebeneinander. Ist aber nicht immer der Fall. Manchmal wird Hp0 auch nur durch ein rotes Li…
Carla, Melissa: Faaaaabiiiii, du nervst!
Fabian: Fabian, du dummer, dummer, dummer, dummer Esel!!!! Dachtest, die drehen weiter. „Mit dem Video wird er doppelt und dreifach Influencer!“, entfuhr es mir sensationsgierig. Herrn Kaisers Einsatz war dermaßen gewagt, dermaßen halsbrecherisch, dass einer der Schleimer versuchte, ihn vom Irrsinn abzuhalten! Vergeblich. „Écoutez-moi bien, Vitus Emmanuel, le comte ici c’est encore moi!“, wies dieser den Kriecher schroff zurecht, kletterte, ich konnt’s nicht fassen, verbotenerweise aufs Gleisbett, vorsichtig, damit bloß seine noble Grafenkleidung sauber blieb, stolperte in spiegelglattem Schuhwerk über Schotter, Schwellen und Schienen zum Signalmast, trat rasend vor Zorn dagegen. Einmal. Zweimal. Dreimal. Viermal. Vitus Emmanuel händeringend: „Ihro Gnaden, mit Verlaub, bei Grün könnten Wir Euren Unmut verstehen. Bitte bedenkt, Rot hingegen steht als Farbe gar vortrefflich!“ Es klingelte im Oberstübchen: „Freundschaft, Genossen! Ach, führe doch die 114 von eben passend zur Lackierung mit roten Sowjetfähnchen geschmückt gen Wächtersbach, das Logo verziert mit Hammer und Sichel!“ Zwanzig widerliche Speichellecker in Rokokokleidung reagierten umgehend mit kommunistischer Faust.
Karussellpferd Leporello: Mit solch deplatzierten Possen nahm Seine Durchlaucht im Grunde genommen am selben Tag Abschied vom eigenen neoabsolutistischen Konzept, welches er großspurig der Region überzustülpen beabsichtigte.
Karussellpferd Theluma: Wobei rohes Malträtieren Halt! vermeldender Signale schwere tiefenpsychologische Störungen aufweist.
Karussellpferd Leporello: Du meinst unverarbeitete Aggressionen? Angestauter Ärger angesichts jahrelang erduldeter Verspätungs- und Zugausfallerlebnisse, als Herr Kaiser im Krankenhaus arbeitete? Er im Winter zur Frühschicht bei Dunkelheit regelmäßig mit weit ins Gesicht gezogener Kapuze auf Wolfgangs eisigem Bahnsteig ausharrte? Von einem Fuß auf den anderen tretend? Hände tief in Jackentaschen vergraben? Die Regionalbahn nach Frankfurt manchmal mit mehr, meistens mit weniger Erfolg bibbernd herbeibetend?
Karussellpferd Theluma: Genau. Erleichtert, gelöst, berauscht vom Erfolg, einen skrupellosen Coup derart spielend gelandet zu haben, schoss beim Signalanblick verdrängtes Pendlerelend ungebremst hoch.
Fabian: Wollte ja unbedingt live dabei sein, wenn Alessa Maries Vater jeden Moment den überfälligen Zug filzen würde. Unvorhergesehen durchkreuzte jedoch Frau Spaßbremse meine Absicht. Reichte ihr wohl, länger im Auto zu warten. „Zehn Minuten noch, biiiiiiiiiiiiiiiiitte, Mami, komme gleich, versproooochen!“, versuchte ich sie fix zurück zum Parkplatz zu lotsen. „Das ist ja unerhört!“ Mama in Action. Einer wilden Furie gleichend stürzte sie auf Herrn Kaiser los, der tatendurstig Hände reibend eilends aufs gegenüberliegende Bahnsteigende zusteuerte, hin zu Jawlonskjis gedrillt in Reih und Glied angetretener Truppe. „Wenn Sie das auf Ihrem Youtubekanal bringen, Herr Kaiser, melde ich Sie! Nur damit Sie Bescheid wissen!“ Der hat geglotzt.
Karussellpferd Leporello: Lob an deine mutige Mutter, Fabian, dem unverschämten Kerl offen vor seinen Schranzen gehörig die Leviten zu lesen!
Fabian: Fabian, du dummer, dummer, dummer, dummer, dummer Esel!!!!! Heiß auf Action startetest du geradewegs neuerliche Versuche, sie abzuwimmeln. „Maaaaaamaaaaaaaaaaaa, keine Panik, ich kooooooooooooomm doch gleich! Veeeersproooooooochen!“
Karussellpferd Theluma: Hoffentlich wirkungslos.
Fabian: Keine Sorge, Theluma, blieb hart wie Stein. „Unfassbar!!!!!“, tobte sie. „Siiiiieeee… Siiiiieeeee….unverantwortlicher Internetrowdy!!!!! In Anwesenheit Minderjähriger aus Jux und Tollerei Gleise zu betreten!!!!! Fabi-Liebling!!!!! Auf!!!!! Wir gehen!!!!! Ich warne dich, keine Widerworte!!!!! Genug fotografiert!!!!!“ Ich haaaaaaaaaaaassseeeeeeeeeeee es, wenn sie mich Fabi-Liebling nennt!!!!!
Karussellpferd Leporello: Das heißt, für dich war die Party vorzeitig zu Ende.
Fabian: Najaaaaaaaaaaaa, wenn Mama loslegt. Wenigstens gelang es mir, haargenau an der Stelle, wo Herr Kaiser von blinder Erinnerungswut gepackt gewaltsam am Degen gerüttelt hatte, abschließende Impressionen des unbeirrt Ausfahrten verbietenden Signals zu erhaschen; bevor ich beleidigt schmollend in den muffeligen Treppenabgang folgte.
Karussellpferd Theluma: Eh fraglich, ob diese Bahn jemals eintraf. Häufig erlebst du, dass sie nach zuerst vertröstenden Verpätungsinformationen gerne noch eins draufsetzen und unzähligen treu Ausharrenden als Dankeschön den Zugausfall mitteilen.
Karussellpferd Leporello: Jedenfalls riss um 13 Uhr Seiner Durchlaucht Geduldsfaden, und wir, das schillernde Begleitkommando, wurden im finalen Akt für die triumphale Rückkehr zur Doppelhaushälfte ausgenutzt.
Karussellpferd Theluma: Ihr Lieben, kurzer Break. Wiederholt viel zu lange Konversation gepflegt. Allerhöchste Eisenbahn für Tarnpause 2. Viertelstunde diesmal. Unauffällig verteilen! Jeder am gewohnten Platz!
Karussellpferd Leporello: Das sind Zeiten. Wenn du geschlagene fünfzehn Minuten abseits am Geländer verbringst, aus Nichtstuerei Selbstgespräche führend Großkrotzenburgs Schleuse beguckst, zugleich das unaufhörlich schäumende und wirbelnde Mainwasser anhimmelst, als wärs von nem anderen Stern, bloß um nicht den Anschein einer unerlaubten Ansammlung zu erwecken, ist irgendetwas faul im Staate Dänemark. Inhalieren typischen Flussgeruchs gegen Bußgeld wegen Coronaauflagenverstößen. Aaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhh, herrlich hier am Main, Leporello, hast sowas vorher noch nie im Leben gesehen! Die Niagarafälle und die Schleuse von Sault St. Marie ähneln Witznummern dagegen. Willst gar nimmer weg!
Karussellpferd Theluma: So, alle wieder vollzählig da. Es kann weitergehen.
Carla: Jetzt eine ganz wichtige Frage, Theluma und Leporello, bitte seid ehrlich. Okay, wir besitzen Insiderkenntnisse über den 30. Oktober 2017…aber meint ihr, das genügt, um Papa rechtzeitig vor dem Spessart zu retten? Oh Goooooott…fünf Tage…oh Goooooott…dann muss er seine Strafe antreten…ein Jahr…oh Goooooooott…bestimmt stürzen Stollen ein…ich werde Papa nie wieder sehen…nie…nie…nie….niiiiiiiiiieeeeeeeeee…!!!!!
Melissa: Nicht weinen, Süße, wir finden hundertpro eine Lösung, ich drück dich gaaaaaaaaannnnz fest!
Karussellpferd Theluma: Was blickst du mit so ernster Pferdemiene drein, Leporello?
Karussellpferd Leporello: Schwierig, schwierig, schwierig. Wir bewegen uns beweistechnisch auf hauchdünnem Eis. Wie Fabian vorhin treffend bemerkte, höfische Zeugen werden am allerwenigsten Aussagen tätigen, sprich, viele bekamen’s mit, keiner bekräftigt’s. Selbst wenn Wilhelmsbads einzigartige Glanzstücke offiziell Beschwerde einlegen, als Argument übereinstimmend anführen, gewisse Sprüche, Verhaltensweisen et cetera gäben tatsächlich berechtigten Anlass zur Spekulation, wird Seine Durchlaucht ihm Unliebsames unter Hinweis auf anno dazumal in Adelskreisen übliches Scherzen federstrichartig beiseite schaffen, rotverdächtiges Benehmen als Pillepalle abtun.
Karussellpferd Theluma: Künstlich aufgebauscht von Hanau-Münzenbergs Hatern. Zu denen demnach Carlas Vater zählt.
Karussellpferd Leporello: Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Karussellpferd Theluma: Unser Herr Souverän hat seit jener Schreckenstat vom 19. Februar 2020 aufgrund zuvor der marxistisch-leninistischen Requisitenkammer bedacht oder unbedacht entnommenen Utensilien immense Imageprobleme. Zuverlässige Quellen belegen, dass dieser heikle Punkt am 06. Januar 2021 auf einer außerordentlichen Geheimkonferenz zwar erörtert, infolge ungeheurer Brisanz aber bereits am Folgetag von Bernardette Constanze Amalia beim Morgenspaziergangs eigenhändig aus dem Protokoll entfernt wurde. Gravierende Vorwürfe können Kaisers, die seit dem 30. Oktober 2017 frühere Territorien ins ancien régime zurück katapultieren wollen, im Coronazeitalter alles andere als gebrauchen.
Karussellpferd Leporello: Ernüchterndes Zwischenresultat: Knapp zweieinhalb Jahre später, am 25. März 2020, mitten im Lockdown 1, blieb sie während ihres gewohnten morgentlichen Promenierens kurz vor Passieren des Hauptgebäudes auf dem Uferweg stehen, ließ sich von Hofdame Yvette das Fernglas zur Gänsebeobachtung reichen, beäugte vergrößert die auf Dennis Kevins Geheiß gehisste achtwöchige Trauerbeflaggung. Hierbei resümierte Frau Gräfin desillusioniert: „Tiefschlag. Ein Aushängeschild par excellence für Unser strahlendes Versailles am Main! Riet seinerzeit eindringlich davon ab. Quelle idée farfelue! Zuckiputzis Rathausauftritt hätte es bestens getan.“ Erwähnte Begebenheit beruht zweifelsfrei auf sehr glaubwürdiger Berichterstattung, von allmählich aus tiefem Dornröschenschlaf erwachenden dames d’honneur kurz nach Ende des ersten Lockdowns unabhängig voneinander uns gegenüber mehrfach am Karussell hinter vorgehaltener Hand geäußert.
Karussellpferd Leporello: Bei Hofe freilich spielt man die Angelegenheit als mehr oder weniger gelungene Späßchen Seiner Durchlaucht zum hundertsten Jahrestag der Oktoberrevolution herunter. Das Übrige klärt Justitia. Verständlich. Welcher Vertreter der feudalen Ausbeuterklasse erstrebt im Volksmund den Ehrentitel Der neue Herr Lenin?
Karussellpferd Theluma: Selbst wenn wir Wilhelmsbader Autoritäten standhaft auf Gehörtes und Gesehenes pochen, wird Herr Kaiser unweigerlich Alessa Marie, die einzige seiner vier Grazien, die überhaupt ansatzweise einigermaßen Grips in der Birne hat, beziehungsweise deren selten dämlichen Tukan bemühen.
Fabian: Hahahaha, Tuki Tukan Seigneur de Beilstein!
Karussellpferd Theluma: Geadelte Tiere – solchen Schwachsinn findest du nur in Dennis Kevins und Jessicas neuer Grafschaft Hanau-Münzenberg! Als er 2014 mit Kaisers aus Costa Rica nach Deutschland reiste, bekannte sich unser Mittelamerikaner felsenfest zu Fidel Castro, pries pathetisch die Kubanische Revolution.
Karussellpferd Leporello: Und genau die werden zugunsten Seiner Durchlaucht behaupten, in der Stadt brodele die Gerüchteküche. Beide werden darlegen, Herr Kaiser sei allein deswegen kein im Mausoleum auferstandener Lenin, weil er beim Heimkommen vom Bahnhof Wolfgang sogleich den auf der Balkonbalustrade Commandante Che Guevara trällernden Tropenvogel veralberte. Bei jeder Gelegenheit drängt Alessa Marie gähnenden Zuhörern diese längst ausgelutschte Anekdote auf.
Karussellpferd Theluma: Demzufolge ertappte Mademoiselle ihr Maskottchen in flagranti auf dem Balkon bei strikt verbotenem Politgesang, witzigerweise just im selben Augenblick als Papi samt ergebener Schar Lobhudler unten über die Wegplatten wetzte. 2019, bei einer exklusiven Karussellfahrt mit ihrer allerbesten Freundin Caislin, beschrieb sie die folgende Episode dahingehend, unmittelbar nach Erreichen der Terrasse wäre väterlicher Spott vernehmbar gewesen: „Ooooohooooooooooo! Wen haben Wir denn daaaaaaaa? Genosse Straßenmusikant lungert oben faul in der Sonne rum! Er braucht gar nicht stolz belcantieren! Dennis Kevin I. von Gottes Gnaden Graf von Hanau-Münzenberg tut ihm kund, dass la revolución heute kläglich gescheitert ist. Nix mit hasta siémpre commandante! Nix mit kubanischer Zigarre! Terminado! Schluss mit lustig! Auf, Strauchdieb! Packen! Umzug! Philippsruhe! Abflug! Adelante, bandito!“
Karussellpferd Leporello: Anschließend zu Tränen gerührt hinuntergestürmt, kündet der Mythos, hätte sie den siegreichen Triumphator im weit geöffneten Terrasseneingang mit einem dafür eigens geflochtenen Lorbeerkranz ehrfürchtig als Pater Laureatus bekränzt.
Karussellpferd Theluma: Welcher unverzüglich und in gewohnter Manier eigene Frechheit überbot. Unter Caislins kreischendem Gelache gab Fräulein Schwatztante jene unwürdige Szenerie zum Besten, in welcher Superman dem sich erwartungsvoll zu seiner Linken hinstellenden Nachwuchstalent gleich mal vorbildhaft demonstrierte, wie lorbeergekrönte Profigrafen jahreszeitlich rot gefärbten Fächerahorn, für den Costa Ricaner Symbol einer klassenlosen Gesellschaft, blaublütig erniedrigen.
Karussellpferd Leporello: Indem er Japans im Sonnenstrahl leuchtenden Ziergewächs niederträchtig Eselsohren zuwedelte, ad hoc begleitet vom ergänzend garstig die Zunge heraustreckenden gelehrigen Marquiselein. Angespornt von dahinter im Wohnzimmer dutzende Male „Supèrbe! Supèrbe! Formidable! Encore une fois!“ sülzenden Claqueuren.
Karussellpferd Leporello: Seit an Seit mit Herrn Papa ging’s dann zwei Meter weiter, direkt vor das dem Lateinamerikaner heilige Revolutionszeichen, wo Supergirl die vorangegangene schäbige Doppelvorstellung zum freudigen Entzücken aller bravourös alleine beherrschte.
Karussellpferd Theluma: Bedenklich, bedenklich für eine Vierzehnjährige, mittels infantilem Grimassenschneiden eigenes Selbstbewusstsein auf Kosten unschuldiger Pflanzen aufzuwerten.
Melissa: War die nicht mal beim Psychiater?
Karussellpferd Leporello: 2016 bis 2019, in Zusammenhang mit dieser durchgeknallten Plakataktion am Wilhelmsbader Bahnübergang. Sollte man aber empfehlenswerterweise seit Januar genauso wenig in der Öffentlichkeit anschneiden.
Fabian: Wo hielten sich nachmittags eigentlich Alessa Maries Mutter und ihre beiden jüngeren Schwestern auf? Logischerweise nimmt Ottonormalverbraucher ja stark an, dass nach so einem Sensationsereignis, dessen farblich markierter Eintrag in den Geschichtsbüchern bis zum Weltuntergang feststeht, dem strahlend heimkehrenden Macher von seinen gerührten Liebsten ein gemeinschaftlich herzlicher Empfang bereitet wird.
Karussellpferd Theluma: Richtig, Fabian…normal schon. Aus berechtigter Furcht, beim Anblick des siegertypmäßig abwechselnd beide Ellenbogenfäuste hebenden Vaters könnte unter den feindlichen Göttinnen akut wüster Zank um die für sie gleichermaßen käuflich erworbenen Adelsprädikate ausbrechen, mit unabsehbaren Folgen, befürwortete Jawlonskji vor Verlassen des Wolfganger Bahnhofs wohlweislich abermalige örtliche Trennung.
Karussellpferd Leporello: Der Seigneur de Beil…
Karussellepferd Theluma: Sorry, kannst du das bitte lassen, Leporello!
Karussellpferd Leporello: Hast Recht, also, der Tukan weiß zu solcherart gelagerten Vorfällen weitaus mehr, bekam er doch 2015 das kaiserliche Urlaubdrama in Singapur federnah mit.
Karussellpferd Theluma: Weshalb Dennis Kevin unterwegs von Wolfgang seine holde Jessica telefonisch anwies, vorsorglich mit Charlotte Janine und Johanna Jennifer nach Kesselstadt zum Schloss vorauszufahren.
Carla: Okay, ist ja alles schön und gut, aber Papa bringt das keinen müden Cent ein. Ohnehin aussichtslos. Oh Gooooooooott…aus den Bergwerken kommt er nie mehr raus!!!!!
Melissa: Nicht weinen, Süße, ich drück dich gaaaaaaaaannnnz dolle!
Fabian: Hmmmm…auuuuußer…er kommt gar nicht erst rein.
Carla: Wie…wie…wie…meinst du das?
Fabian: Erinnert ihr euch an Herrn Kaisers helle Begeisterung für meine Zugaufnahmen? Gleich nachher lass ich mir zeitnah eine Privataudienz geben. Trotz Lockdown 2 wird er das niemals ablehnen. Eisenbahnfanehre. Ferner besuchen Charlotte Janine und meine Schwester denselben Ballettunterricht. Derzeit nur zu zweit, wisst ja, die aktuellen Coronaregeln für Freizeit- und Amateursport. Na jaaaaaaaaaaaa, und so gaaaaaaaaaaaanz nebenbei beim Fachsimpeln, okeeeeeeeeeeeee, kleine Gefälligkeit unter Experten für den Erhalt perfekter Lokfotos.
Carla: Das…das…das…das…würdest…du…du…du…wirklich…für…für…für…uns…tun??????
Fabian: Versprochen ist versprochen. Großes Indianerehrenwort!
Karussellpferd Theluma: Super Plan, Fabian! Mach das! Wilhelmsbads Karussellpferdchen sind megastolz auf dich!
Karussellpferd Leporello: Frag Herrn Kaiser dabei aber zwischendurch bloß nicht, auch nicht scherzhaft, ob Seine Durchlaucht eventuell verkappter Kommunist sei.
Fotogeschichtliche Kontrapunktserie Nr. 9 Der Protokollant
Erzählrunde 1
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Sylvie, Chantal, Yvette, Veronique! Husch, husch, beeilt euch, ihr Süßen! Warum trödelt ihr denn immer noch am Eingang und tuschelt so herzerfrischend vergnügt? Sind etwa vermögende fesche Prinzen von Geblüt auf euren Radarbildschirmen erschienen?
Hofdame Yvette: Wir eilen tout de suite, Madame, nur un moment. Nils hat doch Sylvie gerade drei neue Fotos von sich geschickt. Oh, Gott! Welch süßer Schnuckel!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Aber Kinder, während unseres Parkspazierganges könnt ihr vier ihn wirklich lange genug anhimmeln. Diesen Nils.
Hofdame Yvette: Wir springen avec grande vitesse herbei, Madame!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Halt, niiiiiiiicht so schnell, ihr verspielten Sausewinde! Seid ihr denn auch alle kuschelig angezogen? Es ist heute wieder eklig nasskalt draußen. Wenn ich schon den tristen grauen Himmel sehe. Herrje! Vormittags zwischen 9 Uhr und 10 Uhr zusätzlich leichter Schneefall, kündigt meine App an. Ausgerechnet!
Hofdame Chantal: Sei unbesorgt, Constanze, wir sind warm genug verpackt.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Bravo, mes petites filles! Bei Schmuddelwetter könnt ihr euch besonders rasch erkälten. Vergesst bitte niemals: In unseren neuen normalen Zeiten genügt bereits einmal leise husten, prompt denkt alles ringsum entsetzt, du hättest Corona. Dieser sensationsgierige Planet fiebert ja nichts mehr entgegen als jener schockierenden Nachrichtenmeldung, sogar la cour comtale de Hanau-Münzenberg sei nunmehr Hotspot geworden. Und lacht sich dabei hämisch einen ins Fäustchen.
Hofdame Sylvie: Oh, mein Gott! Nils ist sooooooooooooooo süüüüüüüüüüüüüüüüüüüüß!!!!!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Ach, Chantal, ma chère, gehst du nochmal flink retour ins Foyer? irgendwo muss eben schusseligerweise meine Schreibunterlage liegen geblieben sein. Damit geht das Korrigieren des gestrigen Protokolls wesentlich leichter.
Hofdame Chantal: Ich eile, Constanze!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Hmmm, mal sehen…erster grober Überblick…tataaaaa…Herrschaftszeiten…das liest sich eher wie Aus dem Leben eines Taugenichts. Diesen Zettel kriegt er auf jeden Fall nachher roter als schwarz um seine Backen gehauen. Im Grunde jedoch vorhersehbar gewesen.
Hofdame Chantal: Hier, Constanze!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Merci beaucoup, meine Guteste! Also, Mädels. Wir drehen jetzt unsere gewohnte Morgenrunde. Ich korrigiere dabei diesen billigen Wisch. Ihr dürft währenddessen nach Herzenslust über Nils plaudern. Und hakt euch hinter mir schön ein, s’il-vous-plâit, damit ihr euch zusätzlich gegenseitig wärmt. Wärme ist das A und O an ungemütlichen Wintertagen.
Protokoll von heute über das Treffen heute mit dem Grav über letztes Jahr und dieses Jahr. Analphabet! Graf heißt das!!! Überschrift! Ort! Thema! Protokollführer! Anfänger! Cretin!
SCHREIBEN:
Protokoll über die außerordentliche gräfliche Geheimkonferenz vom 06. Januar 2021. Konferenzort: Hanau, Schloss Philippsruhe.
Konferenzthema: „Zusammenfassender Rückblick auf zentrale politische Ereignisse des Jahres 2020 mit Ausblick auf daraus resultierende Entscheidungsfindungen der Grafschaft Hanau-Münzenberg im laufenden Jahr 2021.“
Protokollführer: Seinen Namen schreibe er selbst.
Überhaupt, wo stehen die Anwesenden? Er erscheine morgen Punkt 9 Uhr im Empfangszimmer, hole sich die Liste ab zum Ergänzen! Sämtliche Teilnehmer IMMER mit ins Protokoll, kapiert? Und oben rechts das Datum hin!
Grav sagt „Hallo!“ Tut ihm echt leid mit dem neuen Tag. Liegt an Corona. Keine Umgangssprache! Weiß er das nicht?
SCHREIBEN:
Seine Durchlaucht begrüßt alle Teilnehmer auf das Herzlichste, wünscht – sofern noch nicht geschehen – ein frohes neues Jahr 2021 und bittet aufgrund der aus gegebenem Anlass leider notwendig gewordenen Verschiebung des ursprünglich für den 30. Dezember 2020 anberaumten Sitzungstermins vielmals um Entschuldigung. Grund: Abwarten offizieller Beschlüsse der Bund-Länder-Konferenz über eine erneute Verlängerung des Lockdowns.
Hofdame Chantal: Pour l’amour de Dieu! Constanze, du schaust so ungehalten.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Ach, Schätzelchen, weißt du. Manchmal frage ich mich ernsthaft, nach welchen Kriterien Zuckiputzi unser Personal rekrutiert. Morgens beim Aufwachen ist mittlerweile mein erster Gedanke: ‚Schreck, lass nach! Wen heuert er heute beim ahnungslosen Blick aufs Schloss an?‘ Möglichst niedrige Kosten sind vom betriebswirtschaftlichen Aspekt zweifellos unerlässlich, letztlich jedoch nicht alles. Denkt an Yvettes spottgünstigen Neuwagen aus dem Internet. Dubioses Angebot. „Riecht stark nach Sonntagswagen. Finger weg!“, warnte Dennis Kevin gleich. Und das Ende vom Lied? Auf eurer ersten Spritztour kurz hinter Langenselbold dommage total à la voiture. Vermutlich hatte Schulabbrecher Klaus gerade da fein den Unterricht geschwänzt als „Protokoll schreiben“ dran kam.
Hofdame Veronique: Vielleicht fühlte er sich ja auch malad.
Hofdame Sylvie: Hiiiiiiiii, Nilsi, bist du’s? — Was machst’n? — Hänge gerade im Schlosspark ab. — Bisschen chillen halt. — Joaaaa, schon cool. — Ne, echt jetzt? — Booaah ey! — Duuuuuuu, muss aufhören! — Liebe dich auch!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Wer ist das eigentlich…dieser… Nils? Zufällig jener berühmte Schwede? Gratuliere, Herzchen, gute Partie. Nur diese schreckliche Umgangssprache…tststststs… Hofdamen parlieren en conversation stets auf Französisch. Alternativement à la mode. Jedoch niemals auf dem Niveau des gemeinen Paysans. Nur ganz intim vertraut unter uns fünf, wenn wir „per du“ sind, nous faisons eine petite Ausnahme. Beispielsweise beim morgentlichen Flanieren. Darum, ihr Hübschen, lassen wir jetzt Hanau-Münzenbergs Hofsprache beiseite, quasseln wie uns der Schnabel gewachsen ist.
Hofdame Sylvie: Verzeihung, Bernardette. Nils kommt von drüben aus Mühlheim, jobbt in unserer Grafschaft als Pizzalieferant.
Hofdame Veronique: Ja, und wegen Corona schafft er momentan doppelt so viel.
Hofdame Yvette: Jap, Pizzabäcker gehören echt zu den Gewinnern der Krise.
Hofdame Chantal: Absolut. Restaurantbesitzer haben dagegen voll gelost.
Hofdame Yvette: Außer du bist clever und bietest Abhol-beziehungsweise Lieferservice an.
Hofdame Chantal: Also eine Pizzeria auf gehobenerem Niveau.
Hofdame Veronique: Und fahren tut er ein silbernes Cabrio. Jooaaaa, ist schon ganz schick.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Schulabschluss?
Hofdame Sylvie: Na jaaaaaa…abgebrochen.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Also Klaus 2.
Hofdame Veronique: Vielleicht war Klaus ja damals in der Schule wirklich krank.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Stopp, meine Liebsten! Ich drehe mich jetzt niiiiiiicht um. Bitte gaaaaaaaannz ehrlich. Tragt ihr auch wirklich ALLE brav Masken? Eure lieblichen Glöckchenstimmen klingen nämlich verdächtig klar. Außerordentlich verdächtig klar.
Hofdamen Yvette, Chantal, Sylvie, Veronique: Ööööööööhhhh…
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Eeeeeerwischt! Dabei sind unsere preisgekrönten, markengeschützten Produkte doch total en vogue. Detailgetreue Handarbeit. Meisterhaft genäht. Integrierter FFP2-Schutz. Wahlweise Modell Antoine Watteau L’embarquement pour l’ile de Cythêre, Francois Boucher, La toilette de Vénus oooooder Jean Marc Nattier, Francoise Renée, Marquise d’Antin. Perfekte Accessoires zu unserer geziemenden Mode à Louis Seize, bisweilen Spätrokoko genannt, welche wir voller Stolz täglich tragen. Ja, da können sie von Deutschland nur voller Missgunst herüberblicken, demonstriert es doch auch optisch Hanau-Münzenberger Überlegenheit in sämtlichen Bereichen. Adel verpflichtet. Moderne Frauenkleidung, mehr Sammelsurium ausdrucksloser Karnevalskostüme als wirklich unsere weibliches Wesen spiegelnd, hat diesseits des Flusses endgültig ausgedient. Modes de la cour de France lautet unser Motto! Was selbstverständlich für die Herren der Schöpfung ebenso gilt. Hopp, hopp! Aufsetzen, meine kleinen Schäfchen!
Grävin kommt zu spät rein. Hat wohl zu lange am Schminktisch gesessen. Alter, ich werd verrückt, was ne Granate! Dabei ist die doch garantiert noch keine 40. Frechheit!!! Was bildet er sich ein? Das hat ein Nachspiel! KOMPLETT STREICHEN!!!!!!!!!!!
Wirft dem Graven ungesittet eine Kusshand zu. Grav fährt voll drauf ab, lehnt sich auf seinem Stuhl lässig zurück, spreizt beide Beine weit aus, winkt Grävin mit ausgestreckten Armen eindeutig herbei, ruft: „Ei gude Zuckerhasi wie? Geh emol her zum Vadder!“ Casanova! Ton Juann! In deinem Videos schwätzt du nur Französisch, machst herablassend die Mundart runter. Kannst also doch noch uff Hessisch babbeln! OOOOOOHHH, WAGE ER ES NIE MEHR, UNSEREN FORMIDABELEN YOUTUBEKANAL ZU KRITISIEREN!!!!! LERNE ER GEFÄLLIGST DIE FRANZÖSISCHE SPRACHE, DANN ENTSTEHT AUCH KEIN NEID!!!!!
Sie springt herbei, setzt sich auf seinen Schoß, quietscht: „Bin schon daaaaaaaaaaa!!!!!! Zuckiputziiiiiiiiiiiiiiii!!!!!!!“ Er klatscht ihr voll aufs Gesäß, beide schäkern. Na, die geht aber ran. Boaaaah, Alter, neeeeee, ey, ich werd ned mehr. Der eine Soldat reißt zwei derbe Witze. Echt übel. Alles lacht. Grävin am lautesten. An Friwohlität unüberbietbar. Krass, Alter, wo bin ich denn hier bloß gelandet? Was geht ihn das an? Ich liiiieeeebe Zuckiputzi! Puritaner! Mache er einfach nur seinen Job! Keinerlei wertenden Meinungen ins Protokoll. Sachlich bleiben. Fürs nächste Mal. Außerdem hat General Jawlonskji gar nichts gesagt.
SCHREIBEN:
Aufgrund dringlicher Terminverpflichtungen stößt Ihre Durchlaucht mit minimaler Verzögerung zur Konferenzrunde hinzu. Beim Betreten des Raums ehrerbietige Begrüßung gemäß strenger höfischer Etikette.
Hey, Süße, setz dich rüber zu mir, wie wärs denn auch mit uns beiden? Echt, Alter, Philippsruhe, bester Job. Boaaaaah, echt ey, was für ne kesse Biene, ich schwör, Alter. IGITT!!!!! Ungebildeter, plumper Bauerntölpel!!!!! Lasse er ja seine ungewaschenen Pfoten von mir, sonst geht meine galante Contenance flöten!!!!!
Hofdame Yvette: Schau, wir haben jetzt hübsch unsere edlen Schutzmasken auf. L’embarquement pour l’ile de Cythêre.
Hofdame Veronique: Aber warum müssen wir diese teuren lästigen Dinger eigentlich stets auch draußen tragen? Im Schlosspark sowie auf dem Mainuferweg gilt doch gar keine Maskenpfl…
Hofdame Sylvie: Oh, mein Gott! Oh, mein Gott! Oh, mein Gott! Nilsi hat mir ein soeben ein Foto vom Sommer geschickt! Kalifornien! Oh, mein Gott!!!!! Er geht in Malibu relaxt zum Surfen, total locker drauf. Sein arrogantes Grinsen. Seine coole Sonnenbrille. Ooh, meeeeiiiin Goooooooott!!!!!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Es tut mir sehr leid für dich, Sylvie, Schätzchen, diesen Beachboy verbiete ich dir!
Hofdame Sylvie: ABER MADAME!!!!! ICH LIEBE NILS!!!!!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Kein aber.
Hofdame Sylvie: ICH WILL ABER MEINEN NIIIILS!!!! ICH-WILL-JETZT-MEI-NEN-NILS!!!!!!
Hofdame Veronique: Bernardette, sieh doch nur, das Drama. Sie liebt ihn wirklich. Könntest du nicht irgendwelche Ausnahmen machen?
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Ausgeschlossen. Punkt.
Hofdame Chantal: Nicht weinen, Süße. Komm, nicht weinen. Ich drück dich auch gaaaanz doll.
Hofdame Sylvie: Oh, Chantiiiiiii, das tut soooooooo guuuuut. Niiiiiiiiiiiiiiilssss!!!!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Vorschlag zur Güte. Wir biegen ausnahmsweise da vorne gleich links ab statt wie gewohnt geradeaus weiterzugehen. Ich möchte euch etwas für junge Damen sehr Wichtiges erklären.
Hofdame Veronique: Darf ich fragen, Bernardette, worum es geht?
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Aber Veroniiiiiiiiiique! Nicht so neugierig, meine Kleine!
Hofdamen Chantal, Yvette: Hihihihihihihihi.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Seht. Dort fließt der Main. Auf der gegenüberliegenden Seite liegt?
Hofdame Yvette: Deutschland.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Wir jedoch befinden uns hier in?
Hofdame Yvette: Hanau-Münzenberg.
Hofdame Veronique: Stimmt. Wir sind als Grafschaft politisch selbständig und wollen deshalb mit denen da drüben nichts zu tun haben.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Perfekt resümiert, Liebes. Klar definiert durch jene Grenze, die seit 2017 hier exakt in der Flussmitte verläuft. Verständlich, dass man deshalb in Berlin, Brüssel, Washington sowie New York eher weniger gut auf uns zu sprechen ist. Von Wiesbaden ganz zu schweigen. Ihnen passt die Grafschaft Hanau-Münzenberg ganz einfach nicht in den Kram. Was liegt also nahe?
Hofdame Chantal: Ähm…vielleicht Spione einschleusen? Weißt, Constanze, ich schaue wahnsinnig gern Agentenfilme, da machen sie das ständig.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Ach, Chantal, kluges Täubchen, bin unglaublich stolz auf dich!
Hofdame Yvette: Gütiger Himmel, Amalia, willst du damit etwa sagen…
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Jetzt hört mir mal aufmerksam zu, meine Engelchen. Hand aufs Herz. Findet ihr es denn keine von euch mysteriös, wenn Pizzafahrer vornehme Hofdamen umgarnen? Dazu mit Cabrio. Und ja, Malibu gilt allgemein als teures Pflaster. Verdächtig! Sooooooo viel verdient Nils nie im Leben. Überlegt: Woher stammt das viele Geld?
Hofdame Veronique: Vom Geheimdienst?
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Es wäre zumindest nicht auszuschließen. Überhaupt: Wie um alles in der Welt konnte dein Surfer trotz von Präsident Trump verhängter Corona-Einreisesperre ungestört Urlaub am Pazifik machen?
Hofdame Chantal: Hmmm, im Film kriegen die dann oft mehrere Pässe. Wenn Nils Besitzer eines amerikanischen…
Hofdame Sylvie: Niiiiiiiiiiiiiiillllsssss, du bist kein Spion, Niiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiilllllsssss!!!!!!!!
Hofdame Veronique: Weißt du was, Sylli? Ruf deinen Schwarm an, frag, ob er nebenbei heimlich US-Bürger ist. Dann haben wir endlich Gewissheit.
Hofdame Yvette: Mensch, Veri, denk doch schaaaarf nach: WENN Nils Schloss Philippsruhe tatsächlich auskundschaftet, wird er das hundertpro am Smartphone zugeben.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Exakt kombiniert, Mausekind. Ganz so dumm sind Spione nun auch wieder nicht. Seine zu Tränen rührende Ausrede von der Erbschaft vom geliebten Opa, welcher ihn einst jeden Tag zum Kindergarten brachte und wieder abholte, ist sicher wie das Amen in der Kirche.
Hofdame Sylvie: Oh, Chantiiiiiiiiiiiii, das tut sooooo guuuuuut, Niiiiiiiiiiiiiiiiilllsssss!!!!!!!!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Jetzt mal ganz unter uns im Vertrauen, Mädels. Von Frau zu Frau. Welche von euch braucht schon drittklassige Pizza-Nilse? Ihr verdient nur das Beste. 1 A Qualität. Ihr seid junge Backfische, bildhübsch, verspielt, herzensgut und außerdem in diesem Alter Gottseidank noch alle Jungfrau. Mit 20, 21 träumen fröhliche Wirbelwinde schwärmerisch vom zukünftigen Traumprinzen. Ja, stolz und wohlgemut steigt eines schönen Tages vollkommen unverhofft direkt vor eurer Haustür ein waschechter französischer Prinz edelsten Geblütes strahlend vom weißen Schimmel herab. Forsch springt er durchs an diesem warmen Sommermorgen weit geöffnete Küchenfenster, hebt euch dreist zuzwinkernd vom Frühstückplatz empor. Lässig schwingt sich der charmanter Frechdachs mit dem linken Arm wieder hinaus, ihr von seinem starken rechten sicher umgriffen, genießt quietschend vor Vergnügen eure tollkühne Entführung aufs prächtige elterliche Château an der Loire. Alles ist bereitet. Eng umschlungen, euch einander zärtlich küssend, gegenseitig unaufhörlich sanfteste Worte scheu ins Ohr flüsternd, wie es Verliebte tun, reitet ihr sicher durch den wehenden Wind. In Frankreich wohlbehalten angekommen feiert ihr tags darauf prunkvoll eure Vermählung, die festlichste, welche das Land je sah. Und als feierliche Krönung innigster Liebe zwischen Mann und Frau schenkt ihr eurem Gemahl jedes Jahr ein Kind. Mal wird ein Mädchen, mal ein Junge.
Hofdame Sylvie: Aaaaaaaaach, es ist das höchste der Gefühle. Oooooooooooh, liebste Freundinnen, wie wird mir plötzlich so wohl ums Herz? Meine Stirn…sie glüht…schnell…schnell zu Hilfe…stützt mich…ich taumele…Niiiiiilsiiiiiiiiii…mein Frischvermählter…alles dreht sich in mir vor lauter Glück…
Hofdame Veronique: Bernardette, sieh nur, das Drama. Sylli fällt in Ohnmacht!
Hofdame Sylvie: Puuuuuuuhh. Danke, liebste Freundinnen, es geht schon wieder. Süßeste Gedanken raubten mir sekundenlang sämtliche Sinne, ich konnte nichts dagegen tun. Oh, bitte schaut weg, ich werde ja knallrot. Was geschieht mit mir?
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Etwas wunderschönes, bezaubernde Sylvie. Das ist bei uns etwas vollkommen Natürliches. Du spürst im Innersten voller Freude, mit deinen 20 Jahren nun endgültig zur jungen Frau herangewachsen zu sein, deine Teenagerzeit für immer hinter dir gelassen zu haben, bist dir deiner becircenden Weiblichkeit voll und ganz bewusst. Unbändige weibliche Empfindungen drängen dich nun mit alle Macht zum Mann hin. Du möchtest unbedingt darin aufgehen, Energien verströmen in deiner angeborenen Rolle als treue, gehorsame, fürsorgliche Gattin und Mutter. Dem Ernährer ein gemütliches warmes Schloss bereiten, ihm beim stetigen Mehren der Finanzen den Rücken freihalten, den von ihm sehnsüchtig erwarteten Stammhalter gebären, all das wird dein einziges frauliches Verlangen sein. Seine Rückkehr vom erfolgreichen Tagesgeschäft sehnsuchtsvoll am Fenster erwarten, beim fröhlichen Erspähen sogleich ausgelassen winken, mit einem Baby auf dem anderen Arm, deine Beine fest umklammert von dessen zwei älteren Geschwistern, vorne wölbt sich bereits erneut stolz ein recht stattlicher Bauch, und für dich ist es bei weitem noch nicht Nachwuchs genug, um allein diese glücksüberströmten Lebensaugenblicke kreisen vierundzwanzig Stunden sieben Tage lang deine tiefsten fraulichen Gedanken. Jubelnd vor purer Freude nach Öffnen der Schlosstür Monsieur Super Parfait an die festlich gedeckte Tafel geleiten, ihn anschließend zur Entspannung auf dem Clavecin mit Stücken von Francois Couperin verzaubern, ihm aus den ruhmvollen Heldengeschichten seiner tapferen Vorfahren im Hundertjährigen Krieg vorlesen, den Diener zuvor anweisen, ihm erlesensten Vin Rouge zu kredenzen, behagliche Pantoffeln zum Sessel zu bringen, all das wird für dich den größten Lohn als Ehefrau bedeuten. Freilich hat es bis dahin noch Zeit. 25 ist das perfekte Alter für standesgemäßes Heiraten. Unberührt trittst du aufrecht vor den Traualtar, stolz, dich als anständiges Mädchen nicht billig weggeworfen zu haben. Wahre Liebe wartet. Freilich wollen junge Damen ihr Leben bis dahin in vollen Zügen genießen, Geld verdienen, Spaß haben. Was Chantal, Veronique, Yvette und dir dabei im Moment allerdings noch fehlt, ist jenes gewisse Quäntchen Lebenserfahrung, insbesondere parkettsicherer Umgang mit Männern. Ihr seid tugendhafte, unschuldige Mademoiselles, könnt da erröten, wo andere Gleichaltrige keine müde Miene mehr verziehen. Ich bin Gott unsagbar dankbar, euch vier zu haben und könnte mir keine besseren Gesellschafterinnen wünschen. Nur wissen das leider auch Geheimdienste. Was also naheliegender als charmante Blender auf wohlbehütete Hofdamen anzusetzen?
Hofdame Yvette: Oh, wie mies und gemein von denen!!!!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Politik, reizendes Geschöpf. Nun versteht ihr, weshalb ich mir jeden einzelnen eurer Chats ansehe. Im Internet wimmelt es vor solchen Typen, die nur eines planen: naive, gutgläubige Mädchen und Frauen zu täuschen. Das sind Vollprofis, wissen genau, welche Wortwahl zieht, damit ihr euch vor Glück im Siebten Himmel wähnt.
Hofdame Yvette: Nochmal mit Verlaub, aber klingt das alles nicht ein bisschen stark nach Verschwörungstheorie, Amalia?
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Oh, himmlische Unschuld! Mitnichten, meine kleine verträumte Yvette. Kommt, wir blicken gemeinsam abermals rüber nach Deutschland. Was seht ihr da?
Hofdame Sylvie: Niiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiillllsssssss!!!!!!!
Hofdame Yvette: Die Wolken vom Staudinger, und das bei dem trüben Wetter.
Hofdame Veronique: Ja. Und Büsche. Und Bäume. Wie auf unserer Seite.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Seeehr gut. Büsche und Bäume. Nochmal Hand aufs Herz, ihr pfiffigen Mädchen. Glaubt ihr ernsthaft, dass drüben keine versteckten CIA-Mitarbeiter sitzen, die uns tagein tagaus mit Fernrohren, Feldstechern oder anderen Spezialgeräten heimlich beobachten? Deshalb, Kinderchen, sind Corona-Schutzmasken außerhalb des Schlossgebäudes von unendlich großer Bedeutung. Wenn die CIA euch ohne sieht, verschickt sie sooofort Mitteilungen an Europas Boulevardblätter. Morgen früh lest ihr dann: Coronaskandal!!!!! Hanau-Hofdamen im illegalen Partyrausch!!!!! Jetzt Klartext reden, Gräfin!!!!!
Hofdame Chantal: Oh, wie fies!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Politik, bildhübscher Engel.
Hofdame Yvette: Ich bitte nochmals um Verzeihung. Ähm…du… Amalia…mit Verlaub…stimmen eigentlich Behauptungen, das gegenüberliegende Mainufer sei bis 2017 ebenfalls Hanau gewesen. Ähm…und erst dein Mann…?
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Ach, blondgelockter Engel, erinnere mich blooooß nicht daran! Dennis Kevin war am Tag seiner Ausrufung im Eifer des Gefechts leider ziemlich kurzsichtig. Kaum auf dem Rathausbalkon gekürt, brauste er in der goldenen Kutsche tatenhungrig zu den Steinheimer Mainwiesen, schloss dort kraft absoluter Machtbefugnis alle jenseits des Flusses liegenden Stadteile aus der neu gegründeten Grafschaft Hanau-Münzenberg voreilig für ewige Zeiten unwiderruflich aus. Dadurch wollte er die historische Grenze zum Kurfürstentum Mainz reaktivieren. Ohne groß nachzudenken. Ein schwerer Fehler. Lediglich für Steinheims Bahnhof gelten komplizierte Sonderregelungen.
Hofdame Yvette: Das ist aber höchst ärgerlich. Denn ohne diese Entscheidung wäre das andere Ufer ja weiterhin Hanau-Münzenbergisch. Agenten könnten uns nicht beglotzen.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Politik, Lämmchen, Politik. Mal gewinnst du, mal verlierst du. Die wahre Kunst besteht deshalb darin, mehr zu gewinnen. Wie beim Roulette.
Hofdame Yvette: Ich verstehe, Amalia.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Na ja, wenigstens achtet dafür unser Personal nach zig Belehrungen mittlerweile endlich entlang des Uferweges auf die ständig offenen Mülleimer mit ekligen Resten davor. Habt ihr die vorwitzige Krähe gesehen? Hüpfte neugierig heran und überlegte, was es wohl heute am leckeren Buffet geben mag. Unglaublich! Doch diese Zeiten sind vorbei. Philippsruhe ist ein Schloss, keine Tierpension. Hier gibt’s nix mehr zum Picken, kannst du gleich auch deinen Artgenossen ausrichten! Aber jetzt weiter im Text. Auf, meine Damen!
Los geht’s mit dem einen Gesetz vom Graven. Wo hat er eigentlich gelernt, gar vortrefflich zu protokollieren? In der Baumschule? Sachlich und präzise!!!!! Keine Umgangssprache!!!!! Und wann passt’s endlich in sein Spatzenhirn rein, dass es Graf heißt?
SCHREIBEN:
Tagesordnungspunkt I – Rechtsänderungen: Seine Durchlaucht signiert das neue Gesetz über das „Verbot hoher Liebschaften“.
Grav will nicht, dass mit Fremden geflirtet wird, schafft überall die Liebe ab. Du Moralapostel, du! Tust Menschen um ihr Glück bringen! Kann er seine Lauscher nicht richtig aufspitzen????? Missverständlich, viel zu kurz gegriffen.
SCHREIBEN:
Es regelt detailliert die Ahndung nicht standesgemäßer Liaisons. Bereits der Versuch des Einfädelns von Arrangements ist strafbar.
Grav tobt dann, dass seine Töchter nur Jungs im Kopf haben, redet wirres Zeug, hat Angst vor komischen Typen. Was bist denn du für ein Vater? Das ist doch total normal bei denen jetzt. Willst ihnen ja nur den Freund nicht gönnen. Du Unmensch!!!!!! Mische er sich gefälligst NICHT in fremde Familienangelegenheiten ein, sonst knallt’s!!!!!!!!
SCHREIBEN:
Hanau-Münzenbergs unumschränkter Herrscher führt avec précision aus, eine zutiefst beunruhigende Zunahme rechtzeitig enttarnter Versuche fremder Nationen, über auf seine drei Töchter angesetzte Schein-Interessenten Schloss Philippsruhe zu infiltrieren, mache besagte Gesetzeseinführung unerlässlich.
Brauchst nämlich selber gar nicht groß den Mund aufzusperren, tust selber heiße Hohvdamen beschäftigen. Willst dich wohl an die ranmachen. Mähdräßßen wie in Werssaih beim Sonnenköhnick. Schäm dich!!!!! DAS nimmt er zurück!!!!! Unverschämter Kerl!!!!! Genau das Gegenteil ist der Fall, halten Wir doch die Prämissen von Friedrich Wilhelm I. diesbezüglich in höchsten Ehren. Schloss Philippsruhe ist Potsdam, nicht der Dresdner Hof Augusts des Starken. Flirts in Ehren kann wahrlich niemand verwehren, Männer eben, gegessen wird allerdings ausschließlich daheim. Schreibe Klaus sich das hinter die Ohren!!!!! Außerdem obliegt das Einstellen von Hofdamen ausschließlich mir.
Und jetzt sag ich dem Graven noch was. Die Liebe ist eine starke Kraft, die überwindet alle Grenzen, wirst auch du nicht ändern können. Wirst schon sehen. Grad jetzt wenn bald wieder Walentinstag ist. Nur dass Mann und Frau sich total lieben zählt, nicht der Ahdelstant. Also lass deine Töchter endlich einen Freund haben, du. Egal wen. Ahaaaaa, daher weht der Wind! Unser Kläuschen unterstützt insgeheim Blendertypen! Bist CIA-Agent, gell? Mache er sich auf was gefasst, Freundchen! STREICHEN.
Hofdame Veronique: Um Himmels Willen, Bernardette! Du blickst so empört drein….
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Oooooooooh, dieser Kerl schreibt derartigen Stuss, das kostet mich noch den letzten Nerv.
Hofdame Veronique: Nicht gut.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Aaach, mein federleichtes Küken, ganz und gar nicht gut. Bald kenne ich mich vor lauter Korrekturen, Pfeilen und Kringeln auf dem Blatt selbst kaum aus. Stell dir bloß vor, „Mätressen“ nennt dieser Schuft euch liebreizende Wesen!!!!! Falsch geschrieben versteht sich.
Hofdame Chantal: WAS FÄLLT DEM EIN??????? Der bekommt von mir links und rechts ein paar gehörige Ohrfeigen!!!!!!!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Gütiger Himmel, Chantal, Hoppelhäschen, versündige dich nicht! Ganz Schloss Philippsruhe kennst doch das Problem. Alles kommt daher, weil Dennis Kevin am Eingangstor jeden dahergelaufenen Haderlumpen charmant anquatscht und zwecks Jobangebot hineinbittet. Kostensenkung nennt er das.
Hofdame Yvette: Bitte, beruhige dich, Amalia! Zornig mit dem Fuß stampfen erhöht unnötig den Blutdruck. Denk doch lieber an unser ausgiebiges gemeinsames Frühstück zurück. Wie wir vor dem Losgehen gemütlich beisammen am blumengeschmückten Tisch saßen und bei duftendem Kaffee sowie frischen Croissants mit Konfitüre herrlich schwatzten. Ich glaube, es gibt auf dem Schloss nichts schöneres als unsere vertraute Frühstücksrunde. Nur wir fünf. Vertraut beieinander sitzen, sich Zeit nehmen, absolut entspannt den neuen Tag begrüßen.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Ach, Yvettchen, wie beschwingt du das formulierst. Hach, liebend gerne würde ich dich fest an meinen Busen drücken. Doch die akute Bedrohung vom gegenüberliegenden Ufer aus verbietet es. Am Ende steht morgen geschrieben: Bald Hochzeit!!!!! Sie umarmen sich schon eng in der Öffentlichkeit!!!!! Scheidungsanwalt heute im Schloss!!!!!
Hofdame Yvette: Oh, Gott…Amalia…ich erröte vor Scham!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Deshalb, ihr Schätzchen. Denkt daran. Draußen nuuuuuur mit Maske.
Sklave kommt rein, verbeugt sich tief, stellt einiges vorne hin. Erstens ist das ein Diener, zweitens nennt man „einiges“ gelegentlich auch „technisches Equipment“, drittens gehört das nicht ins Protokoll. STREICHEN.
Sklave geht rückwärts langsam in noch tieferer Verbeugung wieder raus. Grav spielt sich auf, macht Handbewegeungen, ruft: „Ei, mach dich weg, sieh zu, dass du fort kemmst! Und mach die Tür hinner dir zu! S‘ zieht!“ Alles lacht. Grävin am lautesten. Demütigend. So, jetzt erzähle ich dem Graven mal was. Sklaven sind auch Menschen. Vergiss das niemals!!! Dieser arme Teufel hat immer noch seine Würde. Und du machst dich vor allen über ihn lustig, willst ihm auch die noch nehmen. Selbst im Backingäm Palast verlassen sie längst nicht mehr rückwärts verbeugt das Zimmer. Nur hier bei dir in Hanau. Sklaventreiber! Interessant. Woher diese Insiderkenntnisse? Sind wir also doch nicht ganz sooooooo dumm wie wir tun. Bist am Ende wirklich von der CIA. STREICHEN.
Grav erwähnt die eine Geschichte vom Februar. Seine Geschmacklosigkeit kennt wirklich keinerlei Maß mehr! Geniert er sich denn überhaupt nicht? Derart schreckliche Tragödien lapidar abzutun????? Unschuldige Menschen starben!!!!! Acht Wochen lang ließ Dennis Kevin voller Anteilnahme Trauerbeflaggung hissen. Ich erinnere mich noch exakt an jenen 25. März, als mir beim Betrachten unserer Fahne durchs Fernglas vor Kummer beinahe das Herz zersprang. Unsensibles, herzloses Sujet!!!!! Pfui!!!!! Raus aus unserem Schloss!!!!!!!
Grav haut wütend mit der Faust auf den Tisch. Rede er kein Blech! Das ist doch bloß eine Redewendung.
Springt auf, reißt’s Fenster auf, ballt beide Fäuste, droht Richtung Main. Plärrt rum, dass das kein Zufall ist, dass das genau ausgerechnet in seiner Gravschaft passiert ist. Das war nämlich absichtlich von der ganzen bösen Welt gegen ihn, weil er schon seit 2017 Hehrscher ist. Alle wollen ihm nur schaden. Was für ein Deutsch! Indirekte Rede! Konjunktiv!
Grävin flippt aus, springt auch auf, schreit zum Graven rüber, dass ihr das Rumgeplärre reicht, ja, und dass er sich sofort wieder hinsetzt, weil sonst nachts nichts läuft. Der eine Soldat ruft, dass er dann eben zur flotten Veronique gehen soll. Alles lacht. Grävin am lautesten. Peinlich. Wo bin ich bloß gelandet? Nochmal, das geht ihn einen feuchten Kehricht an! Überhaupt, respektabler Humor in illustrer Runde. Außerdem hat General Jawlonskji gar nichts gesagt. SCHREIBEN: Nein, alles ab einschließlich „Graf erwähnt die eine Geschichte…“ STREICHEN! Zu brisant!
Als nächstes will Grav das Reden verbieten. Palavert vom großen Tag damals, als er vor dieser Kirche hinterm Baum mit der Fernbedienung in der Hand hochsah, dabei ungeduldig aufs Okay vom Rathaus wartete, um dann zum Turm hinzuspringen und zu drücken. Faselt endlos. Wie ein Wasserfall. Hörst dich gerne labern, stimmt’s? Schlagartig Ruhe. Kann der Gedanken lesen? Rennt zum Fenster gegenüber, reißt’s auf, Fäuste drohen Richtung Zentrum. Wie im Film. Plärrt wieder los, dass nämlich wenn er in seinem Land erneut einen hört, der sagt, dass er am 30. Oktober 2017 gesagt hat, dass die Stadt jetzt gleich einen Schuss vor den Bug bekommt und der deswegen auch sagt, dass er der neue Lenin ist, genau, den lässt er ohne Gnade ein Jahr lang im Spessart schuften. ES REICHT!!!!! Wie lange willst du Tyrann uns noch schikanieren? Du kannst doch nicht Menschen den Mund verbieten! SEI ER STILL!!!!! INDIREKTE REDE ÜBEN, SPRACHSTIL, ORTHOGRAPHIE!!!!! SETZEN!!!! 6!!!!!!!
Grav sieht überall mächtige Ferschwöhrä gegen Schlosß Phillipsru, die sagen, dass nur er an allem Schuld ist, weil er für viel Geld halt wie Lenin seine Revolution mit einem Schuss vom Panzerkreuzer Aurora begann und dabei den Spruch klopfte. Deshalb will man ihm den 19. Februar und noch mehr anhängen. Krakelt: „Aber nicht mit mir!“ Sag bitte, dass du wegen der Coronakrise gerade nur ein bisschen verwirrt sprichst. Sag bitte, dass das bloß Getratsche ist, was sie in den Straßen tuscheln. Wenn du Anstand und Ehre hast, flitz raus auf den Balkon! Sprich von oben weinend zu deinem Volk! Stell die Sache richtig! Schwöre, dass du mit Lenin nichts am Hut hast. Schwöre, dass du kein Kommunist bist! Schwöre, dass der Riesenknall von was anderem stammte. Schwöre, dass du niemals von Schlohs Filippsuh aus die von Gorbatschow verspielte Sowjetunion samt Ostblock wiederherstellen wirst! Fass dir ein mutiges Herz! Oh, fürchte dich nicht! Die Leute unten werden dir glauben. Du musst jetzt nur eins zu ihnen sein: aufrichtig! Sie haben ein Recht darauf, von dir die Wahrheit zu erfahren! Halte Kläuschen gefälligst den Ball flach! Zuckiputzis gewaltiger, wegweisender, bahnbrechender, bis heute unübertroffener Regentschaftsantritt am 30. Oktober 2017, welcher vormittags an der Marienkirche fulminant startete, besitzt Kultstatus!
Wenn du jedoch wirklich Kommunist bist, versprich feierlich auf dem Balkon, dass du nächste Woche Glasnost und Perestrojka bringst. Sozialismus mit menschlichem Antlitz. Du weißt doch, dass das Marx und Engels schon im Manifest der Kommunistischen Partei schreiben, dass das Gespenst des Kommunismus in Europa rumläuft. Und jetzt dazu Corona. Zwei Ängste auf einmal verkraftet die Bevölkerung nicht mehr. Drum darfst du es auf keinen Fall wie Stalin machen. Der Spessart darf keine zweiter Archipel Gulag werden. Allein Gorbatschows Lehren bieten deinem fleißigen Arbeitervolk sozialistische Perspektiven. DAFÜR SCHMEISS ICH DICH EIGENHÄNDIG RAUS, KLAUS!!!!! Nur zur Info, damit nachher in der Jobagentur keine Gerüchte sprießen. Zugegeben. Geld floss tatsächlich, und zwar für Russlands exklusive Einverständniszusage, in Zuckiputzis Anwesenheit vom Panzerkreuzer Aurora noch einmal jenen berühmten Kanonenschuss von 1917 eigens für den 30. Oktober 2017 abzufeuern sowie gleichzeitig aufzunehmen. Besagten Mitschnitt ließ er dann im Inneren der Turmhaube in Originallautstärke ertönen. Kirchtürme ähneln nun mal Schiffskanonen. Je nach Sichtweise. Und ja, während Dennis Kevin an der Marienkirche nach dem per Knopfdruck ausgelösten 10-Sekunden-Countdown auf den Donnerhall wartete, rief er voller Euphorie hoch: „Ha, jetzt werde ich dieser Stadt einen gewaltigen Schuss vor den Bug knallen!“ Mon Dieu, Herr Neunmalklug, eine witzige Anspielung zum 100. Jahrestag. Ein Gag! Er weiß sicherlich schon, was das ist, ein Gag? Oder irre ich mich? Schloss Philippsruhe hat nichts zu verbergen. Wir tragen reine Westen. Eine Dreistigkeit ohnegleichen, ihm 2020 daraus einen Strick drehen zu wollen. Deswegen führte er vollkommen zu Recht entsprechende Paragraphen ein. Der Herr Protokollant würde an seiner Stelle genauso handeln.
SCHREIBEN:
Graf Dennis Kevin I. von Hanau-Münzenberg signiert unter tosendem Beifall das neue „Anti-Aurora-Gesetz“. Es regelt detailliert die Ahndung jeglicher verbalen sowie nonverbalen Aussagen, welche den am 30. Oktober 2017 erfolgten ruhmvollen Herrschaftsbeginn Seiner Durchlaucht in Zusammenhang mit der Russischen Oktoberrevolution von 1917 interpretieren. Bereits der Versuch ist strafbar.
Erzählrunde 2
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Un petit moment, meine Liebsten! Seid ihr auch alle noch brav warm hinter mir eingehakt? Bald können die angekündigten Schneeschauern einsetzen.
Hofdame Chantal: Aber selbstverständlich, Constanze. Du brauchst dir wirklich keine Gedan-ken zu machen. Wir wärmen uns gegenseitig.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Dann bin ich von ganzem Herzen beruhigt.
Hofdame Yvette: Ach, Amalia, du bist immer so fürsorglich.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Denkt daran, ihr quirligen Haselmäuschen, alles bei Hofe ge-schieht nur zu eurem Besten. Oh, nein, ich Dummchen! Sylvie, Rehkitzchen, husch bitte flink ins Frühstückzimmer zurück! Dort muss ich vor dem Rausgehen meine Lesebrille vergessen haben. Vor lauter Korrekturgekritzel erkennst du tatsächlich kaum noch deine eigene Schrift. Und bring bei der Gelegenheit fürs Korrigieren zusätzliches Schreibpapier mit!
Hofdame Sylvie: Ich spute mich, Bernhardette.
Grävin geht vor. Beginnt Vortrag. Wie bitte? Krise als Chance? Soll das ein Witz sein? Gewäsch. Das sagen sie immer. Weißt du nicht, was seit fast einem Jahr auf der Welt abgeht? Glaubt dir doch kein Mensch! Nein, echt keine Ahnung, was denn? Tschuldigung, hab’s nicht so im Köp-fchen. Und jetzt klär mich mal auf: Warum sollen Viren für uns bitteschön keine Chance sein?
SCHREIBEN:
Tagesordnungspunkt II – Kontrollmaßnahmen zur CoVid-19-Bekämpfung: Ihre Durchlaucht re-feriert zum Thema „Die globale Coronapandemie. Krise, Herausforderung und Potential für die Grafschaft Hanau-Münzenberg“.
Na gut, lass hören. Zeigt Foto vom ersten Lockdown im März 2020, wie sie mit dem Soldaten am Main auf der Lauer lag. Sagt, war erste Coronakontrolle im Land. Ahaaa, daher weht also der Wind! Ok, Klaus, zugegeben. Die rot-weißen Absperrbänder flatterten teilweise schon et-was, merkt man aber zum Glück nicht. Auf Jawlonskjis Bildern hingegen…hihihihi.
Grav unterbricht von oben herab: „Ei, Zuckerhasi, schau, da ist viel zu viel Licht drauf. Mit dem Rücken zur Sonne, Zuckerhasi, mit dem Rücken zur Sonne. Dann wird’s perfekt.“ Möchegern-fotograf! Besserwisser! Sie patzig: „Phh! Kann ich was für, wenn sehr starkes Morgenlicht am Kontrollpunkt ausgerechnet von links kommt? Denk mal besser nach! Und außerdem wirkt es dadurch wärmer. Und ich liebe helle Farben. Und mit dem Rücken zu Sonne kann jeder. Und ich wollte den Main mit drauf haben. Und deshalb war DAS unser Standort. Punkt!“ Grav winkt ab: „Frauen!“ Zischt zurück: „Männer!“ Richtig, gib ihm Saures, lass dir so was als Frau nie-mals bieten!!!!! Im Protokoll nichts künstlich aufbauschen. Kurzaustausch unter verheirateten Fotografen über ideale Standorte. STREICHEN.
Grävin zeigt nächstes Aufnahme, da wo der erste angeradelt kommt.
Armer Kerl. Hiermit erkläre ich, Klaus, mich mit dem Radfahrer solidarisch und erhebe feier- lichen Protest gegen derart menschenunwürdige Schikanen. Sagt, was tat dieser Mann aus dem Volke euch, dass ihr so mit ihm umgesprungen seid? 100 Euro habt ihr ihm abgeknöpft. Nur weil sein Helm etwas schief saß. Und das bei einer Coronakontrolle Geht’s noch? Absolu- tistische Willkür! Gemeine Abzockerei! Freundliches Ermahnen hätte gelangt. Hööööörr Klaus: Auch leicht schräge Schutzhelme bergen immense Gefahren in sich. Überlegen Süh mal. Das Ding fällt runter. Eine entgegenkommende Radfahrein, Mutter dreier Töchter, kann nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Die Kinder radeln direkt hinter ihr. Kriegen alles mit. Darf’s ausführli- cher? Verstehe, sooo einer sind Sie, nehmen selbst schwerste Radunfälle billigend in Kauf!!!!! SIE…SIE… MONSTER!!! Grav sichtlich zufrieden. Sieht schon die Kasse klingeln. Hab von dem nix anderes erwartet. Befiehlt, solche Kontrollen überall regelmäßig durchzuführen. Ruft dem Soldaten zu: „Macht’s dabei stets wie Zuckerhasi. Corona ist egal. Hauptsache, teuer!“ Oh, ihr verachtenswerten feudalen Ausbeuter! Dacht ich’s mir doch von Anfang an. Krise als Chance. Die Zeche zahlt immer der kleine Mann. Wollt eure Untertanen auspressen wie Zitronen. Ja-wohl, Marx und Engel, die zwei lieben Freunde, hatten euch schon damals durchschaut. Ihr feudalen Ausbeuter, ihr!!!!!!! Komm, reg dich wieder ab. Du gibst es ja selber zu, sogar Dennis Kevin zollt meiner Idee größten Respekt. Im Absolutismus immer mit der Zeit gehen in diesen außergewöhnlichen Zeiten. Ähm, Verzeihung, in dieser neuen Normalität.
SCHREIBEN:
Graf Dennis Kevin I. von Hanau-Münzenberg zieht ein außerordentlich positives Fazit über je-ne von Ihrer Durchlaucht am 25. März 2020 begonnene Pilotmaßnahme CoVid-19 gemeinsam bekämpfen. Aber richtig!. Aufgrund ihrer nachweislich überdurchnittlich hohen Erfolgsquote befiehlt der Souverän in weiser Voraussicht ab sofort flächendeckende Umsetzungen aller da-rin enthaltenen innovativen Vorkehrungen als probate Mittel auf Hanau-Münzenbergs Weg ei-ner überaus erfolgreichen Pandemiebekämpfung. Langer, anerkennender Applaus sämtlicher Teilnehmer unterstreicht die bewundernswerte Fürsorge unseres lieben, trefflichen Herrn.
Zeigt die Schiffsanlegestelle. Dorthin lief sie anschließend mit dem Soldaten Berichtet stolz über die Prämiähre des neuen Überwachungsgerätes für Binnenschiffe, ob der Käpt’n wirklich zentimetergenau auf der Flussgrenze fährt. Teuer. Coronamaßnahme. Bin ja nur ein einfaches Arbeiterkind. Aber wenn ich’s richtig kapiere, scheint das Teil eine Art super modernes Navi-system zu sein. Zuerst muss man’s hinhalten, dann wird automatisch die Grenzlinie sichtbar.
Misjö Oberfotograf gibt wieder seinen Senf dazu: „Ei, Zuckerhasi, schau, das ist viel zu viel ge-gen das Licht fotografiert. Mit dem Rücken zur Sonne, Zuckerhasi, mit dem Rücken zur Sonne! Dann wird’s perfekt.“ Sie pampig: Hahaha! Können vor Lachen, wenn mein Gemahl gleich am ersten Tag sämtliche Stadtteile jenseits des Mains aus unserer Grafschaft hinauskomplemen-tiert hat. Ohne deine politische Dummheit, wäre ich zur Schiffskontrolle natürlich rüber nach Steinheim gefahren. Grav poltert als Hausherr los: „Das Weib schweige in der Kirche! Ich bin hier der Mann! Auf dein Zimmer!“ Oh, du patriarchalischer Macho! Schämst du dich nicht, vor anderen Leuten dermaßen verachtend mit deiner dir von Mama und Papa am Traualtar anver-trauten Ehefrau zu sprechen? Ihre innig geliebte Prinzessin schenkten sie dir, begleitet vom Orgelklang, Tränen in den Augen, die Tochter nun loslassen zu müssen! Und du willst auf ihre Kosten deinen unwürdigen Auftritt vertuschen! Dich aus politischer Verantwortung stehlen! Statt als romantischer Romeo mit deinem süßen Herzblatt bei flackerndem Kerzenschein, lei-ser Musik und einem guten Glas Rotwein auf dem Sofa zu kuscheln, dabei deiner liebsten Ju-lia voller Zärtlickkeit ewige Treueschwüre ins Ohr zu hauchen. Doch es wird dir nicht gelingen, Freundchen. Steinheim kennt diese Kerbe. Fotos kursieren im Internet. Damit kommst du nie im Leben durch!
Sie faucht zurück: „Sei still, sag ich dir!!!!! Sei still!!!!! Wie ein wilder Berserker mit dem Degen auf die Wegbank eindreschen ohne jeden Verstand, nur du bringst das fertig!!!!! Dir mangelt’s an politischem Weitblick!!!!! Hauptsache, nach außen groß den neuen Graven markieren. Jetzt hat Schloss Philippsruh die Bescherung: Von Deutschland gaffen sie uns ins Zimmer! Echt su-per gemacht, Dennis Kevin I. Graf von Hanau-Münzenberg!!! Da lasse ich meinen Göttergatten nur einziges Mal allein in der Sadt unterwegs sein!!!!! Politamateur!!!!! Greenhorn!!!!! Komm, dank ab!!!!!“ Allgemeine Erheiterung. Ich, Klaus, verneige mich in Demut vor holder Weiblich- keit. Lass dich von Paulus nicht einschüchtern. Religion ist Opium fürs Volk. Doch du bist eine wahnsinnig starke Frau. Bitte, verzeih mir vielmals, dass ich dich in meiner derben Werktäti- gensprache als feudale Ausbeuterin bezeichnete. Tief im Herzen spüre ich die aufrechte Mar-xistin-Leninistin in dir! Hä? Was? Wer? Wo? Wie? Hach ja, Vollblutromantiker Klaus macht wie-der aus ner Mücke nen Elefanten. Derart naiv können nur Unverheiratete daherquaken. Was stand in deiner – ich schäme mich dieses Wort dafür zu benutzen – Bewerbung? Warte, öffne flink die Datei: „Hab noch keine abgekriegt, äh, sind vielleicht bei dir im Schloss zufällig wel-che frei?“ Und solche Spinner stellt Zuckiputzi reihenweise per Handschlag ein. STREICHEN.
Zeigt großes Schiff, das gerade vorbeifuhr. Grav dreht sich mit verschränkten Armen absicht-lich um. Grävin macht dasselbe, spricht weiter, ohne ihn zu beachten. Wie Kleinkinder. Wart’s nur ab, Klaus, wart’s nur ab. Solltest du irgendwann doch noch zufällig eine abkriegen, gebe ich euch Turteltauben sechs, maximal acht Monate; dann sitzt ihr beide genauso rum. Aber ich warne dich, lass deine ungebildeten Hände von Unserem weiblichen Personal! STREICHEN.
Sie erklärt das neue Navi. Das ist kein Navi. Das ist die von Profis der Grafschaft Hanau-Mün-zenberg extra hierfür entwicklelte App watchyourshiponthefrontier. Trademark. Geht einfach. Nachdem du den Fluss geprüft hast, wo die Linie ist, abwarten, bis ein Schiff auftaucht. Dann wieder hinhalten, so lange wie du magst. Fertig. Du hast meine Rechenbeispiele unterschla-gen! Nehmen wir an, dieses Schiff weicht auf seinem Weg zur Mühlheimer Schleuse 10% von der inmitten der Fahrrinne verlaufenden Grenze zu unseren Ungunsten ab, erhöht sich nach Adam Riese zeitgleich für Hanau-Münzenberg das Risiko, dass sich Infizierte an Deck auf un-serem Staatsgebiet bewegen um ebenfalls 10%. Ergibt in diesem Fall 60%. Daaaaa staunste! Denkst wohl, Frauen können kein Mathe. Männer!
Der Soldat schlägt 1000 Euro Bußgeld für jedes Prozent vor. Bei Weigerung, wird für sie die Maingrenze gesperrt. Grävin findet Vorschlag gut. Ruft in ihrer Beleidigtenpostion: „Was meint der Herr Gemahl dazu?“ Grav ebenfalls noch mit verschränkten Armen abgewandt: „Phhhhh, mit dir rede ich nicht mehr! Damit du’s weißt!“ Sie: „Phhhh, mir doch piepegal. Ich mit dir so-wieso nicht mehr! Damit du’s weißt!“ Erwachsene Babys. Nochmal, Traumtänzer, ich gebe dir Brief und Siegel, nach spätestens acht Monaten hat’s sich ausgekuschelt. Von Liebe und Luft kann niemand leben. Ist das jetzt ne Geheimkonferenz oder ein kostümiertes Affentheater? Hauptsache, wie die damals rumstolzieren. Allein das zählt im Schloss. Zur Frage: ersteres. Kleider machen Leute, schrieb schon treffend Gottfried Keller. Ok, kennste eh nicht. Grävin: Wenn du hier den Mund nicht aufkriegst, entscheide ich!!! Jawlonskji, wir machen 1500 draus! Nein, 2000!“ Wegelagerin!!!!! Diebin!!!!! Kriminelle!!!!! Wusst ich’s doch gleich. Philippsruh ist ein modernes Raubritterschloss! Keinen Deut besser als die mittelalterlichen Zollburgen am Rhein. Ein skrupelloser Absahner nach dem anderen. Ehrliche Schiffer um ihr letztes Hemd zu bringen, darin wart ihr schon immer Meister. Feudale Ausbeuterklasse!!!!! Könnte es even-tuell sein, dass sein Denken recht sprunghafte Züge aufweist? Nennt mich erst Ausbeuterin, dann Genossin, jetzt erneut Ausbeuterin. Wie soll ich ihm denn da folgen? Kommt vom Stress. Klausihausi benötigt dringend Entspannung. Nimm mal Yogaunterricht. Stand Up Yoga auf der Kinzig wäre perfekt. Bietet eine gute Schulfreundin an. Zum inneren Gleichgewicht finden. Po-sitive Energie freisetzen. Falls du ins Wasser plumpst, Katja ist im Nu zur Stelle. Anfang Mai starten ihre Kurse. Dann stehen nach Unseren Prognosen endlich überall genügend Schnell-tests zur Verfügung. Hapert ja da momentan gewaltig, passend zu ersten Dämpfern bei der am 27. Dezember angelaufenen großen Impfkampagne. Einfach ins Testzentrum gehen, den hoffentlich aktuellen negativen Tagesnachweis abholen, und los geht’s! Bis es allerdings so-weit ist, fassen wir oben Erwähntes kurz werbewirksam zusammen, einverstanden?
SCHREIBEN:
Unter staunenden Blicken aller Anwesenden demonstrtiert Ihre Durchlaucht die von jungen, motivierten Hanau-Münzenberger Softwarepionieren entwickelte, vollkommen neuartige Co-rona-Warn-App watchyourshiponthefrontier TM. Das Produkt aus der Stadt traditionellen Er-findergeistes besticht nicht nur durch sein ungewöhnlich elegantes, schlankes Design sowie benutzerfreundliche Anwendungsfunktionen, sondern überführt zudem mit einer Genauigkeit von sagenhaften 100% binnen Sekundenbruchteilen Binnenkapitäne und Bootsführer, welche international festgelegten Flussgrenzen weniger präzise folgen. Mathematische Studien bele-gen hohe prozentuale Erfolgssteigerungsraten beim Einsatz von watchyourshiponthefrontier TM im Kampf gegen CoVid-19.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Hoffentlich kommt nur Sylvie bald zurück. Gleich kriegt mein Füller wirklich beim besten Willen nichts mehr aufs Papier. Dieser Klaus ist so eine Nulpe, na-tülich muss er ausgerechnet in dem Format ausdrucken, welches am wenigsten Rand lässt. Beim nächsten Abzweig biegen wir dann zum Teichbecken ab, ihr possierlichen Murmeltiere.
Hofdamen Yvette, Chantal, Veronique: Ok.
Hofdame Chantal: Aber du hast Recht, Constanze, wo bleibt sie nur?
Hofdame Yvette: Stimmt, eigentlich müsste sie längst wieder da sein.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Ich bin allmählich wirklich besorgt. Hoffentlich hat sich mein kleines Rehkitz nicht unterwegs verlaufen.
Hofdame Veronique: Nicht auszudenken! Kommt, wir gehen Sylvie suchen!
Hofdame Chantal: Ne, wartet, ich ruf sie an!
Hofdame Yvette: Und?
Hofdame Chantal: Besetzt.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Nils!
Hofdamen Chantal, Veronique, Yvette: Nils!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Herrjemine, mir schwant Fürchterliches!
Hofdame Chantal: Was denn nur, Constanze, was denn nur? Meinst du, Sylvie wurde entführt? Bei den Gebeinen von Saint Oswald, bitte, sprich doch, Constanze!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Heute vielleicht noch nicht; zweifellos jedoch sucht Nils für seine Hintermänner längst nach perfiden Mitteln und Wegen, Rehkitzchen in irgendein düste-res Geheimdienstquartier zu verschleppen.
Hofdamen Veronique, Yvette, Chantal: Bei der Heiligen Modwena!!!!!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Ich erahne sogar die Vorgehensweise dieses Pizzaschnösels. Er wird sie hier im Park daten wollen. Natürlich mit romantischem Picknick. Ha, du bist durch-schaut, Scheusal, Untoter, glaubst, dann endlich deinen unseligen Fuß einen Breit im Schloss zu haben. Schaust dich während auswendig gelernter, abgedroschener, schmieriger, verloge- ner, viertklassiger Komplimente klammheimlich um, sammelst Ortskenntnisse, während Reh-kitzchen dich in ihrer kindlichen Unschuld herzpochend anhimmelt. Und beim nächsten Spa-ziergang Hand in Hand zerrt der Vampir sein ihm erlegenes Opfer an günstiger Stelle fort.
Hofdamen Yvette, Chantal, Veronique: Ach, Bernhardette, du machst uns Angst!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Oh, bitte verzeiht mir, meine kulleräugigen Lemurenkätzchen, ich wollte euch nicht beunruhigen. Doch denkt an meine Worte!
Weiter geht’s mit Maßnahmen vom letzen Lockdown, die sie jetzt im zweiten aber nicht mehr machen, etwa alles dichtmachen, wo Kinder draußen gerne sind. Sachlich korrekt. Sprachlich katastrophal.
SCHREIBEN:
Im weiteren Verlauf referiert Ihre Durchlaucht über diverse zentrale Coronamaßnahmen, die schon während des ersten Lockdowns getroffen wurden. Einige von ihnen hätten sich in der Folgezeit im Rahmen der Pandemiebekämpfung als entbehrlich erwiesen und würden des-halb behördlich nicht mehr angeordnet. Dies betrifft:
a) vorsorgliche Schließungen sämtlicher Spiel- und Bolzplätze.
Corona. Der Zorn Gottes. Nur noch übertroffen von Pest und Spanischer Grippe. Womit haben wir Menschen das nur verdient??? Es lief doch prima. Dann der Schock. Schlagartig alles an-ders. Wochenlang durften Sina und Chiara von nebenan nicht raus auf den Spielplatz. Überall Verbotsschilder und Absperrbänder. Für Vier- und Fünfjährige die Hölle auf Erden. Der Markt in Wuhan. Die Flughunde. Oder waren es eher Fledermäuse? Aus dem Labor gestohlen, sagen auch viele. Fast ein Jahr geht das mittlerweile. Lockdown 2 gerade wieder verlängert. Bis zum 31. Januar. Heißt es. Hahaha, na klar, bis dahin wird der ganze Spuk enden. Da müssten doch längst Berichte drüber vorhanden sein. Warum brauchen die nur so ewig lange? Beeilt euch gefälligst, sucht schneller! Sina und Chiara besitzen ein Recht darauf zu erfahren, wie diese Tragödie passieren konnte.
Nanu? Plötzlich wird es hier feierlich. Hat wer Geburtstag? Sogar Gravenpaar hört mit seinem albernem Getue auf. Vier Musiker kommen rein. Spielen, keine Ahnung, irgendwas. Kulturba- nause!!!!! Joseph Haydn. Streichquartett in C, Op. 76, Nr. 3., Kaiserquartett. Irgendwas!!!!! Alles erhebt sich. Grav geht mit zwei Soldaten vor. Verleiht Orden. Beförderung vom Leutnant zum Major. Beglückwünscht sie mit Handschlag. Vier Diener schieben mühsam zwei große schwe-re Kisten herbei. Wahnsinn, beide bis zum Rand voller Goldbarren, Juwelen und Diamanten!!! Für jeden eine. Wofür bloß? Grav fragt danach locker flockig: „Und, Männer, wie lebt es sich ei-gentlich in so einer Jurte?“ Einer antwortet: „Gewöhnungsbedürftig, Euer Durchlaucht!“ Alle lachen. „Dann erzählt mal!“ Ich…ich…ich…kann…will einfach nicht glauben, was Major Dschu-gaschwili berichtet. DUUUUUUU FEUDALER AUSBEUTER STECKST ALSO DAHINTER!!!! Es war nicht Wuhan! Es waren auch keine Flughunde! Und Fledermäuse erst recht nicht! Los, Maul auf, wie seid ihr in der Mongolei an das Teufelszeug rangekommen? OOOOOOOOOOOOOOOOO-OOOOOHHHHH…IHR…IHR…IHR…IHR…IHR…!!!!! Auf, auf, weiter, wo habt ihr es ausgesetzt? OOO-OOOOOOOOOOOOOOOHHHHHH…IHR…IHR…IHR…IHR…IHR!!!!! Die Steppe, Dschingis Khans Hei-mat wurde durch euch Verbrecher entweiht!!!! Jetzt wird mir endlich klar, was Präsident Mac-ron damals meinte, als er vom unsichtbaren Feind sprach. Klaus weiß Bescheid. Dieser Feind ist keineswegs unsichtbar. Dieser Feind besitzt ein Gesicht. Besteht aus Fleisch und Blut. Im Zimmer steht er. Grinst. Zwei Meter entfernt. Weiße Perücke. Weiße Schminke. Trägt Kleidung wie früher. Wer deckt dich????? Du musst mächtige Verbündete haben. Aber eins versichere ich dir, Grävchen, dafür wirst du dich in Den Haag verantworten müssen!!!!! Das gehört sofort an die Öffentlichkeit. Ja! Nach Paris fliehen! Zum Élysée-Palast! Nein! Wird man dir überhaupt glauben??? Und damit hat sich unser kleiner Plauderaffe die Antwort bereits selber gegeben. Spart wertvollen Platz für wichtigere Randnotizen, bis Rehkitzchen gesprungen kommt. Dan-ke, Klaus! STREICHEN.
Feier fertig. Musikanten gehen. Sofort drehen sich beide wieder voneinander weg. Ehekrach, nächste Runde. Mensch, es reicht allmählich mit diesem dämlichen Kleinkindergetue! Lauft doch zum Main zu den Spielplätzen, da könnt ihr rutschen, schaukeln, wippen oder im Sand-kasten buddeln soviel ihr wollt. Die Verbotsschilder sind ja jetzt weg. Brecht doch einfach ab, wenn’s euch hier langweilig ist. Muss eh noch einkaufen. Sie erzählt dann von was anderem, was sie auch nicht mehr tun. Ja, sie machen keine Grenzen mehr dicht, also nicht mehr total halt. Für wahre Europäer unfassbar! Man errichtete Grenzzäune. Länder gingen gegenseitig auf Distanz. Endlose Wochen waren EU-Bürger hilflos voneinander getrennt. Nachbarn von gegenüber mussten ihren Winter-Campingplatz räumen, binnen 14 Tagen aus Spanien ausrei-sen. Unser Schengentraum zerplatzt wie schillernde Seifenblasen. Und ihr habt natürlich vol-le Kanne mitgemischt. Hör wohl verkehrt! Prahlst mit dem Foto, das die vor eurem Kontrol- lrundgang frühmorgens bei Dunkelheit hastig abmontierte Anlegebrücke zeigt! JA!
Auf der Steinheimer Brücke. Auf der A66. Auf der B45. Auf der Eisenbahnstrecke nach Fulda. Auf Waldwegen. Überall zeigten solche grässlichen Bauzäune unbarmherzig den Grenzverlauf an. Es gab weder raus noch rein. Wie diese Frau spricht! Eiskalt!!!!! Jetzt blicke ich endgültig durch! Haaaaa, jetzt ist die Katze aus dem Sack!!!!! OOOOOOOOOOOOOOOOOOOHHHHH…IHR… IHR…IHR…IHR!!!!! Darum ging es euch also! Deutschland sollte wieder den alten, vollkommen überholten Flickenteppich ausrollen Das ist also Philippsruhs wahrer Plan, die ganzen vielen Staaten von früher einführen. Das weiß ich noch aus der Schule, weil ich mich im Gegensatz zu den anderen immer fleißig am Unterricht beteiligte sowie heimlich unter den Bänken rum-gehende Briefchen meldete, wurde dafür vom Lehrer besonders gelobt. „Petze, Petze, ging in den Laden, wollte Schweizer Käse haben. Schweizer Käse gibt es nicht. Petze, Petze ärgert sich.“, haben wir immer auf dem Pausenhof gesungern, Klaus. Ja, früher, da durfte jeder Grav, Bischohv oder Apt als feudaler Ausbeuter sein Volk knechten. Und diese Hexe erklärt, die Co-ronamaßnahmen sind erst der Anfang. Ein Test. Hilfe, warum erfährt nur die Welt nichts da-von, was hinter den Kulissen wirklich abgeht? Jedes Land, jeder Kreis, jede Stadt, überall an-dere Regeln. Keiner blickt mehr durch. Wacht endlich auf!!! Öffnet eure Augen!!! Wir sehen uns tatsächlich mit einer PLandemie konfrontiert. Seht, seht, sehr, ihr arbeitet für sie, ohne davon zu wissen!!!!! Warum zieht denn in Berlin keiner die Notbremse? Der Flickenteppich muss so-fort weg!!!!! Sofort!!!!! Grav und Grävin haben ihr scheußliches Ziel bald erreicht!!!!! Die Noooo-oooooooootbremse!!!!! Einheitliche Bestimmungen, sonst ist alles verloren!!!!! Niemals wieder zurück vor 1803!!!!! „Kombiniere, mein lieber Watson: Klein Klausis Lieblingsfach in der Schu-le war Geschichte. Und seinen Lehrern hat er schleimend ihre Taschen getragen.“ „Wahrlich, ein Schleimer wie er im Buche steht, mein lieber Holmes.“ „Dulden wir Schleimer auf Schloss Philippsruh, mein lieber Watson?“ „Pfui, niemals, mein lieber Holmes!“ „Also, mein lieber Wat-son?“ „Streichen, mein lieber Holmes!“
Hmmmmmm. Was ist los, Klaus? Komisch. Kann ich helfen? Also. Wenn ihr an Corona Schuld seid, warum wurden dann überhaupt die Grenzen geschlossen? War doch vorhersehbar. Je-des Kind in Hanau wusste doch, dass diese Pandemie irgendwann auch am Main auftaucht. Hattet ja nicht ohne Grund die Skifreizeiten abgesagt oder abgebrochen. Viren kennen keine Grenzen. Ich überlege halt. Ihr hättet euch damit praktisch in der Mongolei selber ein Bein ge-stellt. Oder dachtest du Grav und deine Frau ernsthaft, das Abmontieren von Schiffsanlegern hält CoVid-19 auf? Das verstehe ich, Klaus, noch nicht so ganz. Oder war alles eben bloß Fake, um absichtlich falsche Gerüchte zu streuen? Niiiiiiiiiiicchht schlecht, Herr Specht! Doch darauf muss er sich selbst einen Reim machen. Akuter Platzmangel verbietet mir leider nähere Er-läuterungen. Seine Schuld! Echt schade!
SCHREIBEN:
b) eine hermetische Grenzabriegelung.
Trotzkind Grav fragt, wie wäre es, wenn wir die eine Schließung von 2018 teilweise wiedeho-len? Also einiges zumachen, anderes auf lassen. Mit zumachen meint er das wie mit der Fäh-re zwischen Mühlheim und Dörnigheim. Brachte angeblich seinem Reich einiges, alle sehen seitdem Hanaus Macht. Und ja, wenn sie das halt jetzt noch mehr tun, sehen gerade in Coro- nazeiten eben noch viel mehr Hanaus Macht. DU WARST DAS ALSO!!!!! Zeitungen schrieben, dass das wegen zu hoher Kosten passiert, dass sich alles nicht mehr rentiert. Hast das Rhein-Main Gebiet frech angelogen! Die schöne kleine blaue Fähre! Hast die Leute gemein um ihre geliebte Abkürzung betrogen!!!! Wegen dir müssen Autofahrer entweder die Rumpenheimer Fähre benutzen oder den weiten Umweg über Offenbach oder Hanau fahren. Trotzkind Grävin zeigt Bild von kurz nach dem Zumachen.
Schau dir das an! Alles wegen deiner Prunksucht! Ratlos standen Fahrradfahrer herum. Hat-ten sich schon so sehr auf die Überfahrt gefreut. Doch du hast alles zerstört, ihnen ihren Aus-flug vermasselt!!! Behauptet Er! Radfahrer nehmen unvorhergesehene Hindernisse sportlich. Gehört dazu. Die wissen das. Wählen dann ganz einfach kürzere Alternativen.
SCHREIBEN:
zu b)
Angesichts einer weiterhin akuten pandemischen Bedrohungssituation apokalyptischen Aus-maßes, ruft Hanau-Münzenbergs stets vorausdenkender Souverän zu deren erfolgeichen Ein-dämmung als Alternative hierzu das Modellprojekt Modifizierte teilhermetische Abschottung ins Leben. Ziel: kontrollierte, erheblich reduzierte Anzahl an Grenzübertritten.
Ich erinnere mich. Eine Nacht- und Nebelaktion. Morgens um 5 Uhr dann das böse Erwachen für die ersten Berufspendler. Während du im warmen Bett faul pennen konntest. DIE FÄHRE NIMMST DU SOFORT WIEDER IN BETRIEB!!!!! WAS UNTERSTEHT ER SICH ALS UNTERTAN EI-GENTLICH, MEINEM ZUCKPUTZI BEFEHLE ZU ERTEILEN????? DAS DARF NUR ICH!!!!! VER-STEHT ER DAS????? NUR ICH!!!!! STREICHEN!!!!!
Bitte, Grävin, sag, dass du jetzt nur scherzst, ich flehe dich an! Sag, dass du gerade einfach nur total lustig drauf bist. Hahahahahaha, der Gag ist echt gut. Als Ersatz einen Ruderbetrieb über den Main einrichten. Von Mai bis Oktober alle zwei Stunden eine Hin- und Rückfahrt, an-sonsten alle drei. Wetterabhängig. Echt klasse, dieses gestellte Foto, hahahahahaha!
Hahahahahahaha, jaaaaaaaaa, und das macht ihr Mann dann überall, stellt noch die Rumpen-heimer Fähre ein, sperrt die Großauheimer Brücke für Fußgänger und Räder. Auch dort heißt es dann: „Alle in die Riemen!“ Hahahahahahaha, köstlich! Was ist da eigentlich so witzig dran? Stimmt, Dennis Kevin hat dich erst vorgestern angeheuert, kennst dich daher in Hanau und Umgebung nicht aus. Schau dir das ruhig in Dörnigheim mal an, wirst staunen, wie gut alles läuft. Hahahahaha, ruder doch eine Überfahrt rüber nach Mühlheim und zurück mit! Brauchst nur ein bisschen Schmackes. Natürlich gilt sowohl im Boot als auch am Anleger verbindliches Tragen einer FFP2- oder medizinischen Mund-Nasen-Bedeckung. Wie Marie Antoinette sagen würde: „Wenn sie keine Fähre haben, dann sollen sie doch rudern.“
SCHREIBEN: (noch zu b))
Graf Dennis Kevin I. von Hanau-Münzenberg gibt in diesem Zusammenhang eine Machbar-keitsstudie in Auftrag. Geprüft werden soll, inwiefern jenes im Juli 2018 aufgrund unrentabler Fährkosten zu Unserer größten Bestürzung in Betrieb genommene Ersatzkonzept unter dem Aspekt teilhermetischer Cornamaßnahmen sowohl auf die Rumpenheimer Fähre als auch den Fußgänger- und Radfahrweg der Großauheimer Brücke Anwendung finden kann.
Herr Grav kriegt Anruf. Wusste gar nicht, dass der Englisch spricht. Wundert mich eh schon mit seinem Hessisch manchmal. Kannte ihn bis vorgestern nur als Youtuber, der ständig vor-nehmes Französisch babbelt. Liegt garantiert an der Krise. Klingt erheitert. Haut fünfmal mit der Faust auf den Tisch. Grävin: „Fünf Minuten Pause!“ Ach so, die verwenden daheim auch die Lautsprache. Ideal bei Ehestreit. „Hahaha, no, no, my dear friend, Wilhelmsbad is completely wrong.“ „Yeah, yeah, no problem, yeah, it really looks like a castle.“ „We live in Kesselstadt. Kesseltown. Kesselcity.“ „Yeah, yeah, you must drive back, at the crossing straight on until the roundabout. Inside please follow the shield Philippsruhe. Street goes over a railway bridge, af-ter this on the right side you can see now a big school. That’s the Otto-Hahn-Schule. Always straight ahead on the Kastanienallee, so you reach automatically our nice château. Sure, there is a parking. See you soon, my dear friend.“ Erwartet wohl jemanden, hat sich scheinbar ver-fahren.
Ok, bis es weitergeht kann ich noch meine verstörten Gedanken ordnen. OOOOOOOOOOOOO- OOOOOHHHHH…DU…DU…DU…DU…DU…!!!!! Über Nacht brach damals der internationale Flug-verkehr zusammen. Überall gestrandete Urlauber und Reisende. Verzweifelt. Die große Rück-holaktion. Staatshilfen erhalten den Kranich am Leben. Nach Argentinien kommst du weiter-hin ausschließlich mit Sondergenehmigungen und Sondermaschinen rein. Und selbst wer im März 2020 irgendwohin abgehauen wäre, hätte bloß Lockdown gegen Lockdown getauscht. Aber es ergibt Sinn. Das Puzzle ist vollendet. Für deine grässlichen Absichen hast du rück-sichtslos nicht nur Europa, sondern sogar unser geliebtes globales Dorf in Geiselhaft genom-men. Wolltest international Panik schüren. Ablenken von dem, was du hier im Kleinen vorhast. Flugzeuge dienten dir dabei als Werkzeuge. Wie Einbrechern das Stemmeisen. Du schreckst vor nichts zurück. OOOOOOOOOOOOOOOOOHHHHHH…DU…DU…DU…DU…DU…DU…DU…DU…!!!!!
Hofdame Yvette: Oh, sieh nur, Amalia, ein Flugzeug!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Mist! Ich befürchte, an dem Flieger verdienen wir nichts.
Hofdame Yvette: Du meinst, wegen der Überflugrechte?
Gräfin von Hanau-Münzenberg: DAS Standbein unseres Staatsetats.
Hofdame Yvette: Hm, denke aber schon, dass die Maschine noch über uns fliegt, oder?
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Schwierig abzuschätzen, wenn wir Glück haben geraaaade so. Aber Dennis Kevin kassiert ja nach Wegstrecke. Ein Verlustgeschäft ist das allemal.
Hofdame Chantal: Hoffentlich testet Deutschland keine neuen Anflugrouten, um uns finanziell zusätzlich zu schaden…
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Beunruhigend. Am Teich werde ich gleich Zuckiputzi anrufen. In der Krise zählt jeder Flieger. Und dann behauptet dieser selten dämliche Klaus allen Erns-tes, wir hätten Corona in die Welt gesetzt. Zwei Leutnants vom Hanauer Bataillon. Irgendwo in der Mongolei.
Hofdame Chantal: Ne, echt jetzt, Constanze? Voll unverschämt! Weiß doch jeder mit Wuhan.
Hofdame Yvette: Oder mit den Fledermäusen.
Hofdame Veronique: Oder den Flughunden.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Obwohl…so selten dämlich ist Klaus gar nicht. Mir schwant bei dem Übles.
Warum musst du eigentlich immer gleich so dramatisieren, Klaus? Hey, schau mal, oben, ein Flugzeug! Siehste, läuft doch im Flugbetrieb alles wieder einigermaßen.
Sagt mal, ihr tapsigen Honigbärchen. Ihr habt doch sicher immer artig im Unterricht aufge- passt, niiiicht waaaaaaaahr?
Hofdame Yvette: Selbstverständlich, Amalia, was denkst du nur von uns? Schießlich besuch-ten wir zusammen ein vornehmes Mädcheninternat in Irland.
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Dann könnt ihr mir garantieeeeeeeeert folgende Frage beant-worten.
Hofdame Veronique: Schieß los, Bernhardette!
Gräfin von Hanau-Münzenberg: Aaaaaaaaalllllllsssssoooooooo. Daaaaaaaarf man persönliche Vermutungen, egal ob zutreffend oder nicht, ins Protokoll schreiben?
Hofdamen Chantal, Veronique, Yvette: Jesus Christ, niemals, hat uns Mother Helen gelehrt!
Sorry, Klaus, du hörst ja, was Mother Helen spricht. STREICHEN.
Nanu? Grävin gibt ihre Trotzhaltung auf, dreht sich wieder um. Zeigt nächstes Bild vom Rund-gang damals mit dem Soldaten. Fragt ihren Mann schnippisch: „Na, ist dem Herrn da auch zu viel Licht drauf? 250 Euro hatten wir hier gerade abgezockt. Tagesrekord. Die Stelle musste unbedingt auf’s Foto. Meinte einer bei der Kontrolle ernsthaft, es gäbe gar kein Corona.“
Grav bleibt stur abgewandt. Verschränkt absichtlich seiner Arme fester. Rückt auf dem Stuhl weiter weg ans Fenster. Sie: „Komm, sag schon, spiel hier nicht die beleidigte Leberwurst!“ Er: „Phhhhhhh, miiiiiiir doch egal mit deinem Bild. Und überhaupt, du weißt ja, ich rede nicht mehr mit dir!“ Trauriges Gesicht. Die Arme tut mir so leid. Taktloser Rüpel!!!!!!!! Sofort stehst du auf! Gehst zu ihr! Entschuldigst dich! Nimmst sie zärlich in deinen Arm! Damit alles es sehen!!!!!! Los, steh auf, oder soll Klaus dir Beine ma…oh, schaut mal, das Konferenzzimmer!
Lass mich raten: bestimmt auch Lockdown 1. Bingo! Sie: „Redest du heute Abend auch nicht mehr mit deiner Frau?“ Verzweifelter Versuch einer liebenden Gattin. Gleich rollen erste Trä-nen bei mir. „Ich will aber, dass duuuuuuuuuu…heeeeeeuuuuuttteeeeee Aaaaaaaabend mit mir spriiiiiiiiiiichst…Zuckipuuuuutziiiiiiiiii…duuuuuuuu!“ Halt! Stopp! Anhalten! Warum säuselt denn ihre Stimme plötzlich so…so…so…boooooooaaaaaahhh, Alter, schau dir ihr Gesicht an, Alter!!!!! Und jetzt…Grav dreht sich wie elektrisiert langsam um, wie diese mechanischen Figuren vom Prager Glockenspiel. Sein Blick verändert. Wie hypnotisiert. Hm, scheinbar kennt er das. Boo-oooooaaaaaaahhhhh…hola, commandante, que passa aquí??? Nein, nein, nein, nicht die Zunge leicht über deine Lippen züngeln. Abbruch! Sofort Abbruch! Kommando zurück! Das ist immer noch ne Geheimnkonferenz. Die denkt gar nicht dran. Bitte, bitte, bitte nicht, nicht deinen Zei-gefinger so kokett an die Lippen halten, da drehst du ja durch, Alter. Was geht denn hier ei-gentlich ab, Alter? Hör auf, hör auf, hör auf, tu den anderen Zeigefinger sofort weg vom Dekol- leté, ist eh schon gewagt genug!!! Und den anderen nimmst du augenblicklich weg vom Kuss-mund!!!!! Schäm dich, wenn das Kinder sehen!!!!! Grav starrt willenlos. Nicht nur er. Die ersten schwitzen unter ihren Perücken. „Duuuuuuuuuuu…Zuuuckipuuuutziiiiiiii…ich möchte aber, das du heute Abend mit mir…reeeeeeeeeeeeeeeeeeeeedeeest…duuuuuuuuu. Ich mag das nämlich seeeeeeeeeeeehhhr. Deine Stimme…sie ist nämlich so unglaublich staaaaaaaaaaaarrkkk…und krääääääääääääääffftig…als du am 25. März 2020 vom Hofbalkon bekanntgabst, dass Hanau-Münzenberg dem bundesweiten Lockdown folgt, konnte ich sie während unseres Kontroll-gangs übers Schloss biiiiiiiiis zum Uferweg hören! So klaaaaaaaaaaar! So deeeeeeeeeuuuuu-uuuuuuuuutlich! Doch soooooooooooooooooooo weit weg!“
„Mag das gar nicht, wenn Zuckiputzi so weit weg ist, du nicht auuuuuuuuuuuuch? Puuuuuuuu-uuuuuuuhhhhhh!“ Booaahh, ey, Alter, schau dir den an, Alter! Nickt wie ein kleiner Schuljunge, den Frau Lehrerin beim Spicken erwischte. „War daher sooooooooo daaaaankbar, als ich nach dem Rundgang wieder ins Schloss ging, jaaaaaaaaaaaaaaaaaa, eeeeeeeeeeeennnnnndlich!“
„Du findest das doch sicher auch nicht gut, wenn wir nicht naaaaaaaaaaaah beisammen sind, ooooooooooooodddeeeer?“ Jetzt schüttelt Grav den Kopf wie ein kleiner Schuljunge, der nicht will, dass Frau Lehrerin nachher seinen Eltern davon erzählt. Irre Szene. Diese Teufelin zieht alle Register. Duuuuuuuuuuuuuhhhhuuuuuuu…Zuckiputziiiiiiiiiiiii…wollen wir heute abend mit-einander reden? Und soooooooooo? Nur wir beide…gaaaaaaaaaaaaaaannzzz…naaaaaaaaaaa- aaaaah? Puuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuhhhhh! Booooooaaahhh, Alter, Alter, Alter, ich glaub bei denen läuft was voll krass heut Abend, Alter!!!!! Wie der wieder nickt, Alter, eeeeeey, schau dir das an, Alter, wie ein kleiner Schuljunge, der Frau Lehrerin verspricht, von nun an immer ehr-lich zu sein! Regiert hier jetzt ein Grav oder ein Clown? Sie hat ihn in der Hand. Heiß gemacht. Zieht ihn an der Leine. Sie beherrscht Philippsruh. Zieht raffiniert die Strippen ihrer Marionet-te. Du Betrüger!!!!!! Belügst deine Fans auf Youtube. Lallst großspurig auf Französisch, dass bei euch der Mann Herr im Schloss ist. Weichei! Witzfigur! Pantoffelheld! Und deine Frau nickt jedesmal scheinheilig dazu. Ha, von wegen gehorsame Grävin, Pustekuchen!!!!! OH…OH…OH… OH…OH…OH…OH…OH…OH…IHR…IHR…IHR…IHR…IHR…!!!!! Frauenpower. Schon mal was von ge-hört? Kein Thema, Knusperkläuschen, war nur ne Frage. STREICHEN.
Der Projektausflug
(Urfassung von "Fotogeschichtliche Kontrapunktserie Nr. 3")
Nachdem die Schulklasse 8c nach einer mühsamen Radtour endlich am ersehn- ten Ziel angekommen war, kam es unter den Schülern sofort zu den wildesten Spekulationen über die konkreten Umsetzungen der von ihrem Geschichtslehrer, Herrn L., in der Schule merkwürdigerweise nur sehr ungenau formulierten Lern- ziele für diesen Ausflug. Während eine kleine Gruppe unbeirrbarer Utopisten da- von ausging, das Thema Klosterleben im Mittelalter bei herrlichstem Sonnen-schein anstatt in staubigen Räumen eines langweiligen Museums und einer kal- ten, unbeheizten Kirche im angesagtesten Eisladen dieser Stadt erreichen zu kön- nen, vertrat die dem Realismus zuneigende Mehrheit der Jugendlichen die These, praxisbezogenes Lernen erziele bei diesem Wetter eher in der Form gemütlichen Dösens an einem sonnigen Plätzchen im wunderschönen Klostergarten die besten Erfolgsergebnisse.
Umso tiefer fuhr daher allen der Schreck in die Knochen, als ihr Pädagoge, ein glühender Verfechter des Desillusionismus, ihre leidenschaftlichen Debatten jäh unterbrach und das offizielle Geschehen freundlich seinem als zweite Aufsichts-kraft mitgekommenen Kollegen, Herrn U., den die 8c leider nur zu gut aus dem Mathematik- und Physikunterricht kannte, übergab, um mit einer weiteren Be- gleitperson, Fräulein T., der neuen, sehr hübschen Referendarin, schleunigst ohne die verwirrt schauende Klasse fröhlich in Richtung der von den Utopisten favori-sierten, nur wenige Schritte entfernten Topadresse „Eis Kaiser“ weiterzugehen.
Nachdem also beide ihre schicken E-Fahrräder an der Prälatur abgestellt hatten und gleich darauf auch schon mit verschwörerischen Blicken albern kichernd um die nächste Ecke verschwunden waren, wie frisch Verliebte, denen jeglicher Ge-danke an potentielle Zeitverluste ein Graus ist, erklärte Herr U., der seltsamerwei-se heute keine seiner so markanten Schirmmützen mit der Aufschrift NICARAGUA trug, er werde jetzt an der Kasse die günstige Gruppenkarte erwerben, weshalb sich bis zu seiner Rückkehr niemand vom Fleck rühren und etwa eigenmächtig im Abteigarten herumspazieren dürfe. Als Herrn L.’s Studienfreund aus längst ver-gangenen Universitätszeiten jedoch nach circa einer halben Stunde noch immer nicht mit dem verbilligten Eintrittsticket zurückgekehrt war, beschloss die verant-wortungsbewusste Klassensprecherin trotz von ihm sehr deutlich ausgesprochener Platzanweisungen eigenmächtig an der Museumskasse den Grund für eine solch lange Abwesenheit herauszufinden.
Sie wollte gerade losgehen, als die Jugendlichen plötzlich ihrem Verstand nicht mehr trauen konnten, denn mit großen Augen sowie weit geöffneten Mündern sa- hen sie, wie ihnen vom Museumeingang eine kleine Barockfigur mit der rechten Hand winkend entgegenhüpfte, während sie in der linken ein großes verziertes Schutzschild mit sich trug, und ihnen anscheinend etwas sehr Wichtiges mitteilen wollte. Kaum hatte das seltsame Wesen die Schulgruppe erreicht, von der die ersten Faulenzer bereits lässig auf einem alten Geländer saßen, verscheuchte es diese mit den Worten Macht da mal Platz!, nahm Anlauf, sprang mit Schwung selbst auf die Ballustrade, und nachdem die Skulptur dort oben nach einigem Schwanken ihr Gleichgewicht wiedergefunden hatte, stellte sie sich auf ihrem Po- dest vor der sprachlosen Menge demonstrativ hin.
Genau in diesem Moment, als ob es ein Zeichen sei, änderte sich schlagartig die Farbe ihres steinernen Baumaterials, und die Statue begann, für alle Betrachter wahrlich einem Wunder gleichkommend, unter dem blauen Himmel in einem rötlichen Ton zu leuchten. Hierbei hoben sich ihre Konturen dermaßen präzise von dem sie umgebenden Blau ab, dass zahlreiche Schüler felsenfest davon über- zeugt waren, die Figur könne gar nicht echt sein, in Wirklichkeit habe sie viel- mehr jemand aus irgendeiner Zeitschrift sorgfältig herausgeschnitten und dann auf den Himmel geklebt.
Schnell, schnell, das müssen wir unbedingt für Youtube festhalten!, rief ein Junge außer sich, fast schon wie irre im Kopf, betäubt vom Glanz dieser seine Vorstel-lungskraft übersteigenden Farbeneffekte; und noch im selben Augenblick sah das Wesen nicht ganz unstolz 28 Smartphones der allerneuesten Modelle auf sich gerichtet, erbittert darum konkurrierend, die besten Impressionen eines solch ein- maligen Schauspiels für den Videokanal herauszuholen, wobei ihre Besitzer zu- gleich vor Mitleid mit den Tränen kämpfen mussten, weil dem Objekt ihrer film- erischen Ambitionen zwei Finger der rechten Hand fehlten.
Nachdem es der kleinen Barockfigur mit diesem Schachzug gelungen war, den optischen Überraschungseffekt vollständig auf ihrer Seite zu haben, erschien es ihr nun nicht mehr allzu schwer, auch den weiteren Ausflugsverlauf im eigenen Sinne lenken zu können.
Alle mal herhören, denn ich wiederhole mich nämlich nicht so gern!, begann sie sich beim immer noch wie gebannt dreinschauenden Publikum weiter Respekt zu verschaffen. Euer Mathematik- und Physiklehrer hat soeben an der Museumskasse zufällig seine ganz große Jugendliebe wiedergetroffen, und beide wollen, wie euer Geschichtslehrer und die Referendarin, nun ebenfalls beim „Eis Kaiser“ über interessante Dinge plaudern. Dabei fiel ihm jedoch plötzlich ein, dass er gestern leider unglücklicherweise vergessen hatte, mit euch noch vor den Herbstferien die erste unangekündigte Lernkontrolle im Fach Physik zu schreiben. Aufgrund sehr glücklicher Umstände befanden sich aber die Testblätter in seinem Ausflugsruck- sack, und da morgen schon der letzte Schultag ist, an dem er euch ja nicht unter- richtet, fragte er bei den an der Kasse Anstehenden nach, ob einer der Warten- den nicht zufällig ebenfalls studierter Physiker sei. Als Studienrat mit genau der selben Fächerkombination bot ich ihm natürlich sofort kollegiale Hilfe an, worauf mir dankbar und erleichtert die Aufgabenstellungen aushändigt wurden. Los, los, zack, zack! Jeder von euch begibt sich jetzt hier in der Gartenanlage zu vier von mir farblich auffällig hervorgehobenen flachen Zinnien und führt anhand ihrer kreisförmigen Zentren den exakten Beweis, dass sich die Blumenwelt ebenfalls mit der von Lindblad&Oort 1926/27 entwickelten astrophysikalischen Theorie zur differentiellen Rotation der galaktischen Scheibe beschäftigt, derzufolge alle Bewegungen auf Kreisbahnen um das galaktische Zentrum Z stattfinden.
Und noch ehe 28 perplexe Zuhörer nach dieser wie eine plötzliche, heftige Re- genschauer unerwartet auf sie alle herniedergeprasselten Ansprache auch nur mit den Wimpern zucken konnten, hatte die neue Lehrkraft schon die hinter ihrem verzierten Schutzschild versteckten Blätter zu einem im wahrsten Sinne des Wor- tes gelungenen Überraschungstest hervorgeholt und mit der Belehrung „Trödelt mir auf der Suche nach den kolorierten Zinnien nicht unnötig rum, denn das wird euch alles von der Zeit abgezogen!“ verteilt: 8c 10/15/2015
Unangekündigte Physiklernkontrolle Nr. 1 / Thema: Astroblumenphysik
Berechne die exakte Position, die man in der Milchstraße wählen muss, damit ein von dort ausgehender galaktischer Sehstrahl der Länge l sowohl durch das galaktische Zentrum Z als auch den botanischen Mittelpunkt M der Zinnienzen- tren verläuft, und sich dabei die von einem Stern P mit der Kreisgeschwindigkeit V im Abstand R von Z beschriebene galaktische Kreisbahn sowie der botanische Kreisrand der Zinnienzentren genau überlagern.
2. Entspricht darüber hinaus am Positionsstandort des ausgehenden Sehstrahls l der Abstand der Zinnienzentren zur Sonne Rz in Relation dem unter Beachtung einer angenommenen Unsicherheit von 15% mit Ro = 8.5 kpc angegebenen Ab- stand von Z zur Sonne?
Viel Erfolg!
Als die Statue daraufhin leise Tuscheleien unter den Schülern vernahm, sie habe wohl schon zum Frühstück einen zu kräftigen Schluck aus dem Geleitzuglöffel ge- nommen, erschien ihr als Vertretungskraft ein eindeutigerer Autoritätsbeweis nun dringendst angebracht: Und damit die Verhältnisse klar sind: Wer mir bei so ein- fachen astroblumenphysikalischen Aufgaben schlechter als 4- schreibt, bekommt einen kostenlosen Wiederholungstest aufgebrummt!
Während Herr L. und Fräulein T. nach beim weit über Seligenstadts Stadtgrenzen hinaus bekannten „Eis Kaiser“ genossenen köstlichsten Spezialitäten inzwischen mit einer stattlichen Anzahl Eiskugeln in der Waffel als Wegproviant versorgt tur-telnd zum Mainufer hinüberschlenderten, von welchem aus der grand Charmeur alter Schule die neue, hübsche Referendarin anschließend ins teuerste Restaurant am Platz entführen wollte, um dort in gediegenem Ambiente mit seinem Repertoi-re an Kavalierskünsten stolzen Auerhähnen gleich balzend das wesentlich jünge-re Ding noch mehr beeindrucken zu können, und Herr U. vermutlich zeitgleich bei seiner großen Jugendliebe aus besseren Zeiten dieselbe Tour probierte, hatte die kleine, nun wieder in ihren normalen Farbtönen agierende Barockfigur vom Geländer herab 28 niedergeschlagen wirkenden Schülern kopfschüttelnd sowie kommentarlos ihre unagekündigten Lernkontrollen korrgiert zurückgegeben. An-schließend war sie vom Podest, diesmal etwas geschickter, hinabgesprungen und wieder Richtung Museumseingang davongehüpft, nicht ohne vorher zu erwäh- nen, dass sich alle nach einer fünfzehnminütigen Pause unbedingt an der großen Steinvase vor dem Chor für den Wiederholungstest bereithalten sollten.
Großzügig zugestandene 15 Minuten waren angesichts des nervlichen Kollabie-rens dreier begnadeter Mathematik- und Physikgenies auch dringend notwendig geworden, hatten diese sich doch nach Erhalt ihrer mehr rot als blau gefärbten Testblätter unter Krämpfen tobend wie von Sinnen auf dem vom Ort der Rückga-be zu einer großen schweren Steinvase führenden Weg entlanggewälzt sowie dabei mit geballten Fäusten selbst gegen die eigene Stirn geschlagen. Schließlich versuchten sie in einem Anfall rasender Wut, das historisch bedeutsame Monu-ment gemeinsam umzustoßen; ausgerechnet jene drei Rechentalente, die bei der unangekündigten Lernkontrolle innerhalb der Gruppe als einzige überhaupt zu ir-gendwelchen Fixierungen auf Papier im Stande gewesen waren.
Nachdem die fürsorgliche Klassensprecherin die Traumatisierten eingermaßen beruhigen konnte, wurden sie, von jeweils zwei Mitschülern gestützt, zu einem schattigen Baum gebracht, wo man ihnen mit Hilfe zurückgegebener Testblätter Kühlung zufächerte. Während dies so geschah, diskutierte die Klasse erregt über das schockierende Abschneiden der Genies, bei denen selbst die seit drei Jahren in ungebrochener Serie folgende Note 1+ niemals auch nur ansatzweise zur Wiedergabe ihres Könnens ausgereicht hatte.
Und solch junge Mathematik- und Physikprofessoren, gefeierte, bejubelte, regel-mäßig von hochrangigen Magistratsmitgliedern empfangene Aushängeschilder des örtlichen Astronomievereins, in der Klasse 8c zudem von sämtlichen Schülern zitternd als strahlende Zahlengötter kultmäßig verehrt, mussten sich, ach, welche Tragik, mit dem höchst unliebsamen Tatsachenbestand arrangieren, völlig falsche Lösungen abgegeben zu haben. Unglücklicherweise war es ihnen nämlich wäh-rend wichtiger integraler Gleichungen wirklich passiert, dass die bei Rz infolge häufig schwankender Windbewegungen im Klostergarten ebenfalls mit einem Faktor von 15% zu beachtende Unsicherheit nicht einmal ansatzweise Berück-sichtigung gefunden hatte, weshalb sie daher mit einer 5+ sogar noch zufrieden sein konnten. Sicherlich nicht ohne Grund bangten alle drei jetzt darum, auf der nächsten Vereinssitzung als nunmehr stark angerostete Vorzeigetrophäen gemaß-regelt, schlimmstenfalls sogar durch neue, aufstrebende, glänzende Junggalions-figuren ausgetauscht zu werden.
Die von allen wegen stets großer Fürsorglichkeit bewunderte Klassensprecherin wollte sich gerade mit den unter dem schattigen Baum immer noch nach Luft jap-senden gescheiterten astronomischen Nachwuchshoffnungen zum plätschernden Springbrunnen begeben, um für raschere Genesungsprozesse dessen kühlende Effekte mittels Anwendung gezielter Spritzer zu nutzen, als die 8c infolge des jäh zum Pausenende ertönenden Gongs erneut in Aufregung versetzt wurde. Zusam-men mit einem von der Spitze der Vierungskuppel kommenden, dem Schlag he-rausfliegender Sicherungen ähnelndem gewaltigen Knall, so laut, dass selbst ge-rade zufällig dort oben vorbeifliegende Wolken es vor Angst für ratsam hielten, möglichst schnell im Schutz sicherer Luftgefilde Zuflucht zu suchen, erstrahlte die nähere Umgebung plötzlich in einem von der auf der Dachspitze angebrachten goldenen Figur ausgehenden rötlichen Glanz. Er ähnelte von seinem Farbton her verblüffend dem der kleinen Barockfigur, übertraf diesen aber dennoch bei wei-tem an Strahlitensität.
Doch als ob derartige Lichtphänomene nicht schon spektakulär gewesen wären, begann sich die bislang in statischer Trägheit verharrende Figur plötzlich mecha-nisch zu bewegen, wobei sie den geblendet ihre Hände gegen das Licht halten-den Schülern freundlich, aber trotzdem mit erhobenem Zeigefinger zuwinkte. Um das gesundheitliche Wohl jedes einzelnen Mitschülers äußerst beunruhigt, sprach die Klassensprecherin daraufhin zur Lösung des akuten Blendproblems sofort dringende Empfehlungen aus, umgehendst jene von ihnen mitgenommenen Son-nenbrillen aufzusetzen, woraufhin kurze Zeit später 56, vom Anschaffungspreis recht kostspielig gewesene Gläser zum Himmel emporblickten. Und während so-mit alle Klassenmitglieder dank eines genialen Einfalls endlich blendfrei nach oben schauen konnten, wobei sämtliche Augen gebannt ständig hin und her pen-delnden Zeigefingerbewegungen folgten, wurden sie zunehmend von sehr wohli-gen, aus Herrn U’s. Unterricht bereits gut bekannten Schäfrigkeitsgefühlen über-wältigt, deren Verlockungen man sich auch hier liebend gerne hingab.
Was ist das nur schon wieder für ein wunderschöner Glanz?, murmelten alle fra-gend, völlig von süßer Trance benebelt, mit eigentlich zum Dösen auf der günen Rasenfläche beziehungswiese Verstärken eigener Lässigkeit vor dem „Eis Kaiser“ mitgenommenen Sonnenbrillen die Blicke gen Himmel gerichtet. Und schnell kam dabei einer dieser spärlich gesäten Augenblicke gedanklicher Einigkeit auf: Ja, selbst bei ihrer legendären Klassenfahrt 2014, als sie mit der Jennerbahn sechs Stunden lang den gleichnamigen Berg hinauf und wieder hinabgegondelt waren, um das teure Tagesticket optimal zu nutzen, hatte oben in 1874 Metern Höhe der Schnee trotz aufsitzender teurer dunkler Markenbrillen nicht so fantastisch ge-blendet wie jetzt Seligenstadts zweites Lichtwunder voll überwältigender Pracht.
Je weiter sie sich nun umfangen vom alles umfassenden, alles durchdringenden rötlichen Schein benebelnden Trancezuständen hingaben, desto drastischer glitt die Szenerie für nicht wenige 8c-ler ins Surreale ab. Vor ihnen tauchten wirre Bil-der auf, und bald schon glaubten einige, die sich für moderne Kunst interessier-ten, Salvador Dalis brennende Giraffe schwebe gerade in Wolkengestalt entsetzt von der Kuppel fort. Andere, aus gut katholischen Elternhäusern kommende Ju-gendliche wollten daheim anrufen, um außer sich vor religiöser Extase über eine gerade in der Einhardstadt stattfindende Marienerscheinung zu berichten, welche sie hoch oben auf dem Vierungsturm zu erkennen glaubten; jedoch kamen ihnen hierbei beim Smartphone zücken zwei nach eher rationalen, wissenschaftlichen Erklärungen suchende Mitschüler zuvor.
Ey, bleibt locker, Leute, das wird bestimmt nur ein genialer Zirkusartist oder Ro-boter sein!, rief Matthias, der nach 10 Minuten als erster wieder aus dem von gleißenden, sinnesberauschenden, rötlichen Lichtphänomenen begleiteten Hypno-sezustand erwachte, nachdem alle von der Kuppelfigur durch lautes Händeklat- schen wieder zur Rückkehr in normale Bewusstseinszustände aufgefordert wor-den waren. Ja, du hast Recht. Los, lass uns die Kuppel hinaufsteigen und heraus-finden, was da oben genau los ist! Es muss nachvollziehbare, logische Ursachen dafür geben!, meinte daraufhin Fabian, der gerade ebenfalls wieder am Aufwa- chen war, seinem Klassenkameraden eifrig zunickend.
Und schon eilten beide voller Forschungsdrang in jene Kirche hinein, die ihnen vorhin zum Wissenserwerb noch viel zu kalt und unbeheizt erschien (was einmal mehr verdeutlicht, wie schnell Meinungen sich ändern können), um dort mit dem alten Türschlosstrick den fest verschlossenen Treppenhauszugang des Vierungstur- mes zu öffenen. Leider hatten sie beim Versuch jedoch das unsägliche Pech, vom Pfarrer überrascht und mit den Worten Na wartet, ihr Lausbuben, euch werde ich helfen! schneller als man gerade in die Basilika hereingekommen war jetzt auch schon wieder aus dieser hinausgejagt zu werden.
Folglich kehrten sämtliche Expeditionsteilnehmer zur Basis zuück, ohne die Rätsel um das eben hautnah erlebte Ereignis überragender optischer Kraft gelöst zu ha-ben, und dieses neuerliche Misserfolgserlebnis binnen nur kurzer Zeit führte nun dazu, dass alle Schüler wieder in ihre niedergeschlagene Stimmung fielen und in zermürbenden sowie auf emotionalster Ebene geführten Diskussionen, welche au-ßer Tränenströmen leider keine sichtbaren Ergebnisse lieferten, weiter über mög-liche Ursachen erlebten Scheiterns göttlicher Wesen stritten.
Und während alle eifrig redeten, kam es den Schülern plötzlich so vor, als ob je-ne Stimme, die sie eben hoch oben vom Himmel herab aus dem Schlaf gerissen hatte, erneut mit ihnen zu reden begann, sprechend: Oh fürchtet euch nicht, liebe Kinder! Denn seht, ich verkünde euch eine frohe Botschaft! Schluchzend entgeg-nete daraufhin eine von gerade stattgefundenen Gefühlsausbrüchen sichtich ge-zeichnete Klassensprecherin: Aber wie soll das nur zugehen, da wir eben alle-samt in der Astroblumenphysik versagt haben und uns über nichts mehr feuen können? Selbst unsere strahlenden Götter scheiterten im Test kläglich, weshalb wir von großer Mutlosigleit ergriffen sind, und keiner derzeit wirklich weiß, wie es weitergehen soll.
Oh, ihr verblendeten Götzendiener, wehe euch!!!!, dröhnte die Stimme daraufhin streng mahnend auf die Schüler hernieder. Habt ihr denn nicht im Religionsunter-richt gelernt, dass euch durch das Anbeten grässlicher Trugbilder der Eingang ins Himmelreich für ewige Zeiten verschlossen bleiben wird? Sagt, wie lange also wollt ihr noch die endlose Liebe des Herrn weiter herausfordern, bis er euch spä-ter umso härter dafür strafen wird? Seht sie euch an, eure Götter, denen ihr auf drei Götzenaltären in den Ecken des Klassenzimmers tagtäglich Geld, Eintrittskar-ten oder Süßigkeiten opfert, damit sie ja gnädig gestimmt vor jeder Mathematik- und Physikarbeit für Herrn U. unauffindbare Spickzettel herstellen! Und dennoch reicht es trotz großspurigster Versprechungen für jeden von euch dann höchstens für eine 4-. Allerhöchstens. Ha! Seht jetzt ihre Schwachheit! Seht, wie sie sich nach ihrer aufgrund grober Nachlässigkeiten selbst verpatzten unangekündigten Lernkontrolle von euch klammheimlich im Garten absondern, denn unerträglich ist die Erkenntnis, wie der Herr jeden einzelnen im Zorn mit einem einzigen Fin-gerschnippp vom Sockel gestoßen hat! Dazu lese ich bei Paulus, Epheser 5, 6f.: Niemand verführe euch mit leeren Sprüchen, denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Werdet also nicht zu ihren Genossen!
Aber seid getrost, liebe Kindlein, schallte es unermüdlich weiter fort, bei Gott ist auf der Erde bekanntlich kein Ding unmöglich, und daher erhalten alle jetzt von mir den vorhin bereits angekündigten Wiederholungstest, damit ihr euren Eltern doch noch heute von einem erfolgreichen schulischen Wissenserwerb berichten könnt. Halleluja, preiset den Herrn!!!
Amen, Amen, ja, preiset den Herrn!!!, frohlockten sämtliche Schüler angesichts dieser Worte jauchzend wie aus einem Mund, worauf die nicht nur fürsorgliche, sondern auch um das Seelenheil aller Anwesenden äußerst besorgte Klassenspre-cherin Paulus folgend auf der Stelle mutig entschlossen den alten Götzenglauben beendete: Benjamin! Pascal! Jonathan! Hiermit seid ihr von der Klassengemein-schaft für immer ausgeschlossen! Fortan könnt ihr in den Pausen alleine als Götter um das Schulgebäude ziehen und dabei zusehen, wer euch mit frischen Palm-zweigen den Weg vorneweg kehrt. Eure drei Götzenaltäre werden wir übrigens niederreißen sowie ab jetzt für unser Taschengeld selber mit leckeren Bonbons, Lutschern und Kaugummis ins Kino, zu Sportveranstaltungen oder zum Eislaufen gehen. Nur damit ihr es wisst! Ach…ich vergaß: Vielleicht ist ja die 8a dumm genug und glaubt eurem Mythos von genialen Spickzetteln, welche garantiert ei-ne 1 oder 2 bringen.
Unter tosendem Applaus wandte sich daraufhin der vollständige Klassenverband kurzerhand von seinen bisherigen Idolen ab und versammelte sich auf Geheiß der Kuppelfigur genau an jener Steinvase vor der altehrwürdigen Basilika, wo zuvor die nun entlarvten Scharlatane geistig schwer umnachtet randaliert hatten. Dort erfuhr er aus luftiger Höhe, dass es sich bei der Figur in Wirklichkeit um ei-nen in Harvard studierten sowie dort auf dem Gebiet der differentiellen galakti-schen Rotation des interstellaren Wasserstoffs promovierten Astrophysiker handel- te, der vor seinem Quereinstieg in den hessischen Schuldienst für die NASA in Cape Canaveral bis zum Ende des Shuttleprojekts als Raketenforscher tätig ge-wesen war und nebenberuflich für Disneyland Orlando jeden Sonntag als Pre-diger gearbeitet hatte. Von ihm empfingen 28 Schüler nun gläubig ihre zweite große Chance.
Jetzt wollen wir doch mal sehen, ob drei verschiedenfarbige Chrysanthemen zu mehr Erfolg führen werden, begann der Havardabsolvent mit seinen Erläuterun-gen zum Wiederholungstest. Und kaum ausgesprochen, flatterten den Schülern vom Himmel auch schon die ersten Aufgabenblätter entgegen, wobei viele gierig ihre Hände nach den Flugobjekten ausstreckten; so wie sie es jedes Jahr beim Karnevalsumzug ebenfalls taten, wenn fröhlich lachende Prinzenpaare mit unzäh-ligen Küsschen noch unzähligere Kamellen vom Wagen unter das sehnsüchtig milde Gaben erwartende Volk warfen.
Nachdem die Blätter alle Empfänger sicher erreicht hatten, gab ihnen der ehema-lige NASA-Mitarbeiter nach weiteren erklärenden Hinweisen abschließend einen besonders wichtigen Rat mit auf den Testweg: Und lest euch dieses Mal vor allem die Aufgabenstellung gründlich durch!
8c 10/15/2015
Wiederholung der unangekündigten Physiklernkontrolle Nr. 1
Entlang einem Sehstrahl der galaktischen Länge l ist die Radialgeschwindigkeit Vr des interstellaren Wasserstoffs relativ zur Sonnenumgebung als Funktion des Abstands r aufgetragen und erreicht ein Maximum Vm bei D, wo der Sehstrahl eine Kreisbahn berührt.
- Von welcher hypothetischen Position in der Milchstraße müsste ein weiterer Sehstrahl der galaktischen Länge l ausgehen, der sowohl durch das galaktische Zentrum Z als auch den Mittelpunkt M der kreisförmigen Chrysanthemenzentren verläuft, wobei sich galaktische Kreisbahn und chrysanthemischer Kreisrand ge-nau überlagern?
- Bestimme mit Hilfe des Itensitätsprofils Iv bzw. I(Vr) der 21cm-Linie des neu-tralen Wasserstoffs sowie der galaktischen Rotationskurve V(R) dessen Dichtever- teilung an D, und vergleiche sie mit seiner Dichteverteilung an D‘, wo Vr auf dem Chrysanthemenkreisrand Vm erreicht.
- Zeige unter Berücksichtigung des bouguet-lambert-beer’schen Gesetzes den Zusammenhang von Absorbtion des Sonnenlichts und Dichteverteilung des neu-tralen Wasserstoffs jeweils an D der galaktischen Kreisbahn und D‘ der chrysan-themischen Kreisränder.
Viel Erfolg!
Bevor die 8c nun aber endlich mit dem Wiederholungstest beginnen konnte, be-gab sich die zuverlässige Klassensprecherin auf höhere Anweisungen hin vorher noch direkt zu jener alten Steinvase, denn nach kritischen Schülereinwänden hat-te der einstige Disneylandprediger auf einen im Ablauf nicht unerheblichen Unter-schied zum ersten Test aufmerksam machen müssen: Ruhe! Als erfahrene Lehrkraft weiß ich natürlich auch, dass hier im Garten derzeit leider keine Chrysanthemen wachsen. Dafür erhaltet ihr von mir jetzt hochwertige Farbkopien, die für sämtli-che Berechnungen in einem konstanten Winkel von µ = 17° zum galaktischen Zentrum Z zu halten sind. Eure Klassensprecherin wird diese gleich aus der Stein-vase, in der ich sie am Boden extra für euch deponiert habe, herausholen und verteilen. Die Kopien bekomme ich jedoch nachher alle wieder zurück. Und dass mir bloß keiner was draufzeichnet oder draufschreibt!
Die Auserwählte ließ sich nach Erreichen des Ziels daraufhin von zwei starken Mitschülern den schweren Deckel abheben und kletterte mehr schlecht als recht an der Vase hoch, bis schießlich ihr Körper langsam aber sicher im Steingefäß verschwand. Zentimeter um Zentimeter tastete sie sich vorsichtig dem für alle so überaus wichtigen Arbeitsmaterial entgegen, allerdings hatte das Mädchen vor lauter Pflichtgefühl die glatte Innenwand eher unzureichend berücksichtigt, wes-halb bald schon beide Beine oberhalb des Randes wild hin und her strampelten; wirklich belustigende Anblicke, welchen Erzrivalin Lea sogleich hämisch grinsend auf Instagram ein würdiges Denkmal setzte.
Hiiiiiiiiiilllllfffffffeeeeeeeee!!!! Ich brauche jetzt dringend nochmal ein paar starke Jungs, die mich retten!!!!, tönte ihre Stimme dumpf aus dem Inneren. Wie auf Be-fehl eilten daraufhin die zwei durchtrainiertesten Fußballer und zugleich unange-fochtene Klassen-Alphamännchen nochmals freudestrahlend herbei, jeder Kerl in-brünstigst hoffend nach erfolgreicher Heldentat seiner angehimmelten langhaari-gen Blondine bald ebenfalls während eines heißen Dates beim „Eis Kaiser“ als stolzer Gentlemen von Madame Gewünschtes spendieren zu dürfen; so wie es Herr L. (beziehungsweise Herr U.) an jenem 15. Oktober 2015 vermutlich eben-falls mit unsagbar lässigem Ich zahle, Baby! taten.
DAS BLUTGOLD VON EL LAGO
Galerieraum 7B
Aktuelle Aufstellung über bisher dem situationsabhängigen Fotorealismus angepasste Standardbearbeitungen
~ Sonderausstellung ~
GALERIERAUM 1
GALERIERAUM 2
- Campingplatz Bärensee in Bruchköbel (ersetzt die bisherige Seeansicht)
- Nil- und Kanadagänse auf dem Campingplatz Bärensee in Bruchköbel
- Gelnhausener Marienkirche: Westturm Version 1 & 2
GALERIERAUM 3
- Collage Fotogeschichte 1
- Staatspark Hanau-Wilhelmsbad: Ältestes Karussell der Welt (Panorama)
- Bahnübergang Hanau-Wilhelmsbad: Vorbeifahrt eines ICE
- Staatspark Hanau-Wilhelmsbad: Blick auf die Eremitage (eingeschaltetes Innenlicht)
- Bahnübergang Hanau-Wilhelmsbad: Ausfahrt einer Regionalbahn
- Staatspark Hanau-Wilhelmsbad: Ältestes Karussell der Welt (Ansicht von unten)
- Collage Fotogeschichte 3
- Haltepunkt Hanau-Wilhelmsbad: Einfahrt von RB15228 nach Frankfurt HBF (Foto 2)
- Haltepunkt Hanau-Wilhelmsbad: Blick auf die abfahrtbereite Regionalbahn RB15228 nach Frankfurt am Main HBF
- Staatspark Hanau-Wilhelmsbad: Ältestes Karussell der Welt (Ansicht über die an der Burgruine gelegene Steinbrücke)
- Staatspark Hanau-Wilhelmsbad: Ältestes Karussell der Welt mit Besuchern (Ansicht durch die Bäume)
- Ex-Söldner Heiner der Hitzkopf als angeworbener Eremit im Staatspark Wilhelmsbad (während der Meditation)
- Collage Fotogeschichte 4
- Gelnhausener Marienkirche: Chorblick
- Staatspark Hanau-Wilhelmsbad: Blick auf die Eremitage (ver-schwommen)
- Staatspark Hanau-Wilhelmsbad: Blick auf die Eremitage (scharf)
- Direktblick auf den Daibutsu von Nara
- Haltepunkt Hanau-Wilhelmsbad: Einfahrt von RB15228 nach Frankfurt HBF (Foto 1 und 2)
- S-Bahnhof Hanau-Steinheim: das große Signalgestell an der Steinheimer Brücke
- S-Bahnhof Hanau-Steinheim: passierender Zug (ohne Lokomotive) in Richtung Hanau HBF
- Blicke von der Brücke hinab in den Canyon (starke Lichtseite) im Mühlheimer Naherholungsgebiet
- Blick von der Brücke hinab in den Canyon (schwache Licht-seite) im Mühlheimer Naherholungsgebiet
KONTAKT/DATENSCHUTZ/GEWERBEAUSSCHLUSS
- Staatspark Hanau-Wilhelmsbad: Ältestes Karussell der Welt (Pferdemotiv 1 auf der Schutzplane)
- Staatspark Hanau-Wilhelmsbad: Ältestes Karussell der Welt (Kutschenmotiv auf der Schutzplane)
- Staatspark Hanau-Wilhelmsbad: Ältestes Karussell der Welt (Panoramansicht 2)